Nationalrat Beat Jans: «Welche Zukunftsaussichten hat die hoch subventionierte fossile Industrie und Energie?», fragte das Mitglied Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie UREK. ©Bild: T. Rütti

Frank Rutschmann, Leiter Sektion Erneuerbare Energien, BFE: «Das 1. Massnahmenpaket der ES2050 könnte per 1. Januar 2018 in Kraft gesetzt werden.» ©Bild: T. Rütti

Arthur Wellinger, Vizepräsident Biomasse Suisse: «Die Schweiz hat eine gewisse Vorreiterrolle eingenommen, wenn auch im kleineren Massstab». ©Bild: T. Rütti

Hans-Christian Angele, Geschäftsleiter Biomasse Suisse, beantwortet Fragen aus dem Publikum. Hier zusammen mit der Moderatorin Danielle Lalive d’Epinay. ©Bild: T. Rütti

Setzt die Welt nach dem Pariser Klimaabkommen nun voll auf Erneuerbare? Dieser Frage ging in Solothurn Patrick Hofstetter nach. Er ist Leiter Klima und Energie bei WWF Schweiz. ©Bild: T. Rütti

Am 4. Bioenergie-Forum konnten sich die fast 100 Teilnehmenden vernetzen und Erfahrungen austauschen. Patronat der in Solothurn abgehaltenen Veranstaltung: EnergieSchweiz. ©Bild: T. Rütti

Stefan Mutzner präsentierte die Firma Fleco Power AG. Sie betreibt schweizweit das erste virtuelle Kraftwerk mit ausschliesslich neuen Erneuerbaren Energien. ©Bild: T. Rütti

Für Thomas Schellenberg, Leiter Energie und GL-Mitglied Regio Energie Solothurn stellt die Nichtanerkennung beim Ausbau der erneuerbaren Gase in den Mustervorschriften der Kantone eine politische Hürde dar. ©Bild: T. Rütti

Ein Erfolgsfaktor ist für Peter Dietiker, dass der Biogas-Förderfonds beim Verband der Schweizerischen Gasindustrie wirtschaftliche Starthilfe leistet bei der Realisierung von Biogas-Projekten. ©Bild: T. Rütti

Der Nutzen von Biotreibstoffen sei auch ihm bekannt, sagte der Geschäftsführer der Erdöl-Vereinigung, Roland Bilang. ©Bild: T. Rütti

Bioenergie: Mithelfen, die Ziele von ES 2050 zu erreichen

(©TR) In welchem politischen Umfeld könnte sich die Bioenergie in den nächsten Jahren bewegen? Stichworte dazu sind die Energiestrategie 2050 sowie die Reduktion der CO2-Emissionen über das Jahr 2020 hinaus. Welchen Beitrag kann Bioenergie leisten, um die energie- und klimapolitischen Ziele zu erreichen? Welche Herausforderungen stellen sich der Organisation Biomasse Suisse? Am 4. Bioenergie-Forum, welches am 22. Juni in Solothurn abgehalten wurde, suchten Vertreter aus Politik und Wirtschaft Antworten darauf.


Vorab ein paar Fakten genereller Natur: Der zweistellige Zuwachs bei den Biotreibstoffen aus dem Jahre 2010 sackte im 2015 auf bescheidene 2% ab. Die Investitionen vom Peak im 2007 mit 35 Mia $ wurden auf nur noch 2 Mia $ zurückgestutzt. Die Hauptgründe für diese Entwicklung liegt vermutlich auch in den endlosen Diskussionen über die Nachhaltigkeit sowie die wechselnden politischen Rahmenbedingen in den Schlüsselländern. Auch dies sollte man zur Kenntnis nehmen: Die konventionellen Biotreibstoffe deckten 2015 ca. 4% des weltweiten Treibstoffbedarfs ab. «Die Schweiz als Innovationskraft in Sachen Bioenergie: Während das Potenzial in einigen Ländern zwar riesig wäre, doch die Umsetzung eher bescheiden ausfällt, hat die Schweiz eine gewisse Vorreiterrolle eingenommen, wenn auch im kleineren Massstab.» Dies erklärte Arthur Wellinger an dem von Biomasse Suisse durchgeführten und von rund 100 Teilnehmenden besuchten 4. Bioenergie-Forum.

Selbstverständlich wartete der Vizepräsident Biomasse Suisse auch reihenweise mit Stichworten auf, die seine Aussage stützten:

  • eine langjährige Entwicklung von Regelenergie
  • eine erste Registrierungsstelle für Biomethan eine freiwillige und ohne Subventionen auskommende Verwendung von Biogas als Wärmeenergie
  • ein erstes Label mit Ökobilanz für Biogas als Strom und Treibstoff
  • der Import von Biomethan mit Label
  • eine treibende Kraft in der Entwicklung einer europaweiten Registrierung
  • nach Deutschland eine erste Umsetzung im Bereich ‹P2G› (Regio Energie Solothurn)
  • die Verbindung von Strom-, Gas und Wärmenetz.

Rasches Wachstum der erneuerbaren Konkurrenz
Und welche Zukunftsaussichten hat die hoch subventionierte fossile Industrie und Energie, die uns bekanntlich nicht mehr unerschöpflich zur Verfügung stehen? Langfristig steht sie vor dem Ende, wie Nationalrat Beat Jans darlegte. Das Mitglied Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie UREK nannte als ihr Marktrisiko die alternativen Energien. Als regulatorisches Risiko der fossilen Industrie nannte er die jeweiligen Regierungen. Das gesellschaftliche Risiko schliesslich sei ihr angekratzter Ruf. Ganz anders präsentieren sich die Situation und Aussicht bei den erneuerbaren Energien: Seit 2000 hat die Internationale Energieagentur (International Energy Agency, IEA) ihre langfristigen Prognosen für die Sparte Solar 14 mal und für den Bereich Wind 5 mal korrigiert – nach oben. Laut IEA ist beim Windkraft-Zubau eine Verdoppelung auszumachen, bei den Kosten eine Senkung um 19%. Gleichzeitig ging die Verdoppelung der Solarkraft mit einer Senkung der Kosten um 24% einher. Erfreulich aus Sicht der erneuerbaren Energie: Je länger desto mehr büsst die Atomkraft an Konkurrenzfähigkeit ein. Das Wachstum der erneuerbaren Konkurrenz verdient heute schon das Prädikat «rasch», was die UBS im Jahr 2013 dazu brachte, von einer eigentlichen «Solarrevolution» zu sprechen. Ungeahnte Wachstumsmöglichkeiten hat – oder hätte? – letztlich auch der Bioenergiemarkt. Die Grossbank HSBC warnte laut Nationalrat Jans vor zwei Jahren schon, dass bis zu 60% der Marktwerte der Öl- und Gaskonzernen «gefährdet» seien. «Sinken oder stagnieren die fossilen Energiepreise, werden die Investitionen in Erdöl, Erdgas und Kohle unrentabel. Steigen die fossilen Energiepreise, werden die Erneuerbaren umso konkurrenzfähiger», so Beat Jans.

Biomasse spielt in der ES2050 eine wichtige Rolle
Das 1. Massnahmenpaket der Energiestrategie 2050 (ES2050) geht voraussichtlich in der kommenden Herbstsession in die Schlussabstimmung und könnte per 1. Januar 2018 in Kraft gesetzt werden, wie Frank Rutschmann verkündete; Ende Mai 2016 fand die Zweitberatung im Nationalrat statt. Wird das Referendum ergriffen? Laut dem Leiter Sektion Erneuerbare Energien beim Bundesamt für Energie BFE spielt die Biomasse in der ES2050 «weiterhin eine wichtige Rolle». Dabei gelte nach wie vor das «Teller-Trog-Tank-Prinzip», wonach es zu keinen Konflikten zwischen Nahrungsmitteln, Futtermitteln und Treibstoff kommen darf. Zur Stromproduktion aus Biomasse sagte der BFE-Vertreter: «Die Energiestrategie führt die erfolgreiche, aber überlastete KEV weiter – mittels Direktvermarktung und zusätzlichen Mitteln. Die Befristung der KEV per voraussichtlich Ende 2022 wird allerdings Folgen haben für die Projektanten von Biogasanlagen in Landwirtschaft und Industrie. Für die Stromproduktion in ARA und KVA sowie für Holzkraftwerke von regionaler Bedeutung wird es bis 2030 Investitionsbeiträge geben.» Noch nicht möglich ist dem Referat von Frank Rutschmann zufolge der Import von zertifiziertem Biogas mit staatenübergreifendem Herkunftsnachweis.

Grosses Potenzial in der Landwirtschaft

Eine Weiterführung der KEV mit Übergangslösungen unter angepassten Bedingungen braucht es auch laut Hans-Christian Angele. Der Geschäftsleiter Biomasse Suisse forderte zudem «mehr Vertrauen in die Branche sowie den Abbau der ganzen Bürokratie, aber auch ein Förderprogramm für Biomethan». Was das «Teller-Trog-Tank-Prinzip» anbelangt, sprach er von «einer guten Absicht, die sich womöglich zum bürokratischen Monster entwickeln könnte». Zuversichtliche Töne schlug er indessen zum grossen Potenzial in der Landwirtschaft an. Als vorbildhaftes Beispiel präsentierte Geschäftsleiter Angele das Projekt «quh-energie». Es ist dies «die nachhaltige, umweltschonende und kostengünstige Energieproduktion» von Niklaus Hari, Reichenbach BE. Angeboten werden Lösungen und Anlagen, um Hofdünger zum Erzeugen von Wärme und Strom zu nutzen. Im Hofdünger sieht der Biomasse-Suisse-Geschäftsleiter grundsätzlich ein Potenzial von 3‘300 GWh. Jedoch: Ohne KEV dürfte dies für die Branche zur «grossen Herausforderung» werden. Unter dieses Stichwort fällt wohl auch, dass ausländische modulare Kleinanlagen an den strikten Auflagen scheitern…

Nach dem Pariser Klimaabkommen

Setzt die Welt nach dem Pariser Klimaabkommen nun voll auf Erneuerbare? Dieser Frage ging in Solothurn Patrick Hofstetter nach. Die Beschlüsse umzusetzen bedeutet für den Leiter Klima und Energie bei WWF Schweiz Folgendes:

  • «Zero» ist das Ziel: Netto null Emissionen bis 2050 gilt weltweit. Vielemittenten müssen aber schon vorher auf Null kommen – die Schweiz bis 2040. Nachher sind netto-negative Emissionen nötig.

  • Verdoppeln statt verlangsamen: Die aktuelle jährliche Reduktionsrate muss von 2% pro Jahr auf 4% beschleunigt werden – statt auf 1% verlangsamt.

  • Die globale Verantwortung wahrnehmen: Wohlhabende Länder beanspruchen die Atomsphäre übermässig. Die Schweiz muss darum Schutzmassnahmen gegen mitverschuldete Klimafolgen mit mindestens 1 Mia US $/J unterstützen.

  • Die Emissionsreduktion im Ausland ersetzt den Inland-Klimaschutz nicht: Auslandreduktionen sind aber sinnvoll, um unsere enormen Klimawirkungen im Ausland auf null zu bringen.

  • Alles und alle angehen: Konsequente Regeln für alle CO2-intensiven Aktivitäten in allen Sektoren, inklusive Verkehr, Finanzplatz sowie mitverursachte Emissionen im Ausland.

Das erste virtuelle Kraftwerk mit neuen Erneuerbaren Energien
Stefan Mutzner präsentierte die Firma Fleco Power AG und erörterte, wie sie funktioniert, nämlich: «Schweizweit betreibt dieses Tochterunternehmen der Genossenschaft Ökostrom Schweiz und der MBRsolar AG das erste virtuelle Kraftwerk mit ausschliesslich neuen Erneuerbaren Energien. Dezentrale Biogas-, PV-, Wind- und Kleinwasserkraftwerke werden zu einem Verbund zusammengeschlossen. Wo diese Anlagen stehen, spielt dabei keine Rolle. Dank einer intelligenten Steuerung treten die Anlagen am Markt als eine einzige Erzeugungseinheit auf.» Weil alle Änderung in der Energiepolitik laut dem Geschäftsleiter Ökostrom Schweiz auch die Erneuerbaren Energien ganz direkt betreffen, soll und kann die Fleco Power AG die Produzenten bei der Umsetzung uns Massnahmen unterstützen.

Nichtanerkennung der erneuerbaren Gase in den MuKEn

Auf die politischen Hürden, die den Ausbau der erneuerbaren Gase erschweren, kam Thomas Schellenberg zu sprechen. Namentlich sind dies laut dem Leiter Energie und GL-Mitglied Regio Energie Solothurn die Nichtanerkennung der erneuerbaren Gase in den Mustervorschriften der Kantone im Energiebereich; die MuKEn definieren sogenannte Standardlösungen zur Erreichung der 80:20 Regeln. «Biogas ist auch in den MuKEn 2014 nicht anerkannt. Verschiedene Vorstösse bei den Energiedirektoren blieben bisher ohne Erfolg. Doch wir bleiben darn», so Thomas Schellenberg.

Energie360°: Vermarktung von 270 GWh Biogas

Peter Dietiker prognostiziert, dass das Unternehmen Energie360° im laufenden Jahr im Direkt- und Wiederverkauf rund 270 GWh Biogas vermarkten kann und sich der Absatz innert sechs Jahren verdoppeln wird. Laut dem Bereichsleiter Erneuerbare Energien ist Biogas «ein Geschäft mit hoher Glaubwürdigkeit». Ökologische, kommerzielle und ethische Standards seien dabei ausschlaggebend. Ein Erfolgsfaktor ist für Peter Dietiker, dass der Biogas-Förderfonds beim Verband der Schweizerischen Gasindustrie wirtschaftliche Starthilfe leistet bei der Realisierung von Biogas-Projekten.

Biotreibstoffmarkt: ein künstlich geschaffener Markt

Der Nutzen von Biotreibstoffen sei auch ihm bekannt. Dies sagte der Geschäftsführer der Erdöl-Vereinigung, Roland Bilang. «Alle notwendigen regulatorischen Massnahmen sind in Kraft und sie zeigen denn auch ihre Wirkung.» Auch den Harmonisierungsbedarf bei den Nachhaltigkeitskriterien zwischen der Schweiz und der EU erwähnte er, fügte jedoch ein grosses Aber hinzu: «Der Biotreibstoffmarkt ist ein politisch gewollter, künstlich geschaffener Markt, welcher primär dank regulatorischen Massnahmen existiert.» Biotreibstoffe sind für Roland Biland «ein Beitrag zur Erfüllung der CO2-Kompensationspflicht».

©Text: Toni Rütti, Redaktor ee-news.ch

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