Mit diesem Gerät haben die Agroscope-Forscher bei Einzelquellen (hier: Substratlager) Geruchsproben genommen, die später von Testpersonen am Olfaktometer auf ihre Geruchsstoffkonzentration hin ausgewertet wurden. ©Bild: Agroscope

Die Forscherinnen Dr. Margret Keck (l.) und Dr. Sabine Schrade. ©Bild: B. Vogel

Markus Keller, Versuchstechniker bei Agroscope, demonstriert die Anlage, mit der bei Einzelquellen Geruchsproben in Beutel (rechts auf dem Tisch) gezogen werden. ©Bild: B. Vogel

Armin Müller hat den Feststoffdosierer, der den Fermenter mit Substrat versorgt, mit einem Deckel versehen. Damit kann er die Geruchsemissionen seiner Biogasanlage in Ermensee (LU) vermindern. ©Bild: B. Vogel

Die Biogasanlage von Armin Müller liegt etwas ausserhalb von Ermensee (LU). Dank der Randlage und der Windverhältnisse gibt es nach Auskunft Müllers praktisch keine Geruchsklagen aus der Ortschaft. Grafik: geo.admin.ch

Die Grafik zeigt die Geruchsstoffkonzentration für verschiedene Substrate. Jeder Punkt gibt die Wahrnehmung von jeweils vier Testpersonen in mindestens drei Durchgängen wieder, der Strich steht für den Median-Wert. Quelle siehe Textende.

Die Grafik zeigt, dass die Zahl und die Intensität der Geruchswahrnehmungen mit wachsendem Abstand zur Anlage abnimmt Grafik: Keck M., Keller M., Frei M., Schrade S., Quelle Grafik siehe auch Textende.

Die Geruchsintensität nimmt mit wachsendem Abstand zur Geruchsquelle ab. Die Grösse der Dreiecke steht für die Windgeschwindigkeit. Grafik: Keck M., Keller M., Frei M., Schrade S., Quelle Grafik siehe auch Textende.

Sechs Testpersonen in unterschiedlichem Abstand zur Biogasanlage zeichnen im Zehn-Sekunden-Takt ihre Geruchswahrnehmung auf. ©Bild: Agroscope

Blick in einen Fermenter: Biogas hat eine sehr hohe Geruchsstoffkonzentration und wird als besonders unangenehm empfunden. Daher sind Leckagen und Gasaustritte wenn immer möglich zu vermeiden. Foto: B. Vogel

Agroscope: Biogasanlagen ohne Duftfahne

(©BV) Landwirtschaftliche Biogasanlagen gewinnen aus Biomasse 'sauberen' Strom. Allerdings kommt es immer wieder zu Klagen von Anwohnern, die sich über den Gestank der Anlagen beschweren. Ein Projekt des Instituts für Nachhaltigkeitswissenschaften von Agroscope in Tänikon hat nun die Grundlagen erarbeitet, um solche Konflikte künftig zu vermeiden oder zu entschärfen.


Ermensee ist eine bäuerlich geprägte 860-Seelen-Gemeinde im Luzerner Seetal. Der Bahnübergang ist hier noch unbewacht. Aus einem Stall im Dorfzentrum dringt der Geruch von geschnittenem Gras. Pferdemist liegt auf der Strasse. Einige Hundert Meter vom östlichen Dorfausgang entfernt liegt der Grundacher. Armin und Isabelle Müller bewirtschaften den Bauernhof, gelegentlich unterstützt von ihren Kindern Lars, Mike und Riana. Mit 44 Mutterkühen produziert Familie Müller Fleisch für Coop Naturaplan. Ein zweites Standbein ist seit zehn Jahren eine Biogasanlage. Durch Verwertung von Abfällen aus der Region produziert sie 1 Mio. kWh Strom im Jahr. Das entspricht etwa 30 % des Strombedarfs von Ermensee.

Armin Müller vergärt in seinem 1000 m3 grossen Fermenter Rinder- und Hühnermist von Bauernhöfen, Pferdemist von Reitställen, im Spätherbst auch Getreideabgang von Weizen und Gerste, daneben Gülle und Mist der eigenen Mutterkühe sowie Silagereste. Die Substrate werden – wie auch sonst üblich – offen gelagert. Unter dem Substratlager liegt der Fermenter. Zur Zeit besteht das Substrat aus Ross- und Rindermist, dazwischen ein heller Streifen verschmutztes Mehl. Ein leichter Geruch liegt in der Luft. „Wenn der Wind so geht wie jetzt, haben wir etwas Geruchsimmissionen in Richtung Dorf“, sagt Biogas-Produzent Müller, „aber Hundert Meter weiter nimmt man davon schon nichts mehr wahr.“

Geruchsentwicklung minimieren
Etliche Betreiber von Biogasanlagen sind wegen solcher Immissionen immer wieder mit Geruchsklagen aus der Nachbarschaft konfrontiert. Bei Müller war das noch nie der Fall. Sein Hof liegt genug weit vom Dorf entfernt, der Wind trägt die Gerüche in der Regel vom Dorf weg. Trotzdem hat Armin Müller von Beginn weg Vorkehrungen getroffen, um die Emissionen zu minimieren. Den Feststoffdosierer hat er aus eigenem Antrieb mit einem Deckel versehen. Das vermindert den Geruchsaustritt. Die Substrate schichtet er im Lager so, dass die Geruchsemissionen vermindert werden. Frisch angelieferten Hühnermist zum Beispiel bedeckt er mit Pferdemist, um die Geruchsentwicklung durch Sonneneinstrahlung einzudämmen. „Auch achte ich darauf, dass die Substrate nicht in zu grossen Einzelmengen, sondern auf kleinere Chargen verteilt angeliefert werden“, sagt Müller, „so kann ich die Substrate schnell im Fermenter weiterverarbeiten, was der Geruchsentwicklung bei der Lagerung entgegenwirkt.“ Eine Ausnahme bildet der Getreideabgang. Dieser ist nicht geruchsintensiv und bietet auch bei längerfristiger Lagerung keine Probleme.

Die Biogasanlage der Familie Müller war Gegenstand eines Projekts der eidgenössischen Forschungsanstalt Agroscope. Dieses hat die Ausbreitung der Geruchsimmissionen von Biogasanlagen wissenschaftlich untersucht. Um herauszufinden, wie stark der Geruch rund um die Anlage ist, stellten sich jeweils sechs Testpersonen in unterschiedlicher Distanz zur Biogasanlage auf und zeichneten während zehn Minuten im Zehn-Sekunden-Takt auf, wie sie den Geruch der Anlage wahrnahmen: „nicht wahrnehmbar“, „sehr schwach“, „schwach“, „deutlich“, „stark“, „sehr stark“, „ausserordentlich stark“.

Mindestabstände individuell festlegen
In Ermensee und sieben weiteren Biogasanlagen führten die Forscher jeweils rund 20 solcher Zehn-Minuten-Messungen am Nachmittag und am Abend durch. Die Erhebungen erfolgten von März bis Oktober. In diesen Monaten ist temperaturbedingt mit den grössten Geruchsemissionen zu rechnen, und die Gerüche werden auch am stärksten wahrgenommen, weil sich die Menschen oft draussen aufhalten. Agroscope-Projektleiterin Dr. Margret Keck fasst das Hauptresultat der Studie so zusammen: „Die Geruchsintensität nimmt bei den untersuchten Betrieben mit zunehmender Distanz nach einem einheitlichen Muster ab. Aufgrund der Vielfalt der Betriebe und Standortsituationen ist es nicht möglich, eine einzelne Zahl als Mindestabstand zu nennen, an dem keine Geruchsbelästigung mehr besteht. Wie gross der Abstand zwischen einer Biogasanlage und dem benachbarten Wohngebiet sein muss, ist vielmehr im Einzelfall unter Einbezug vieler Kriterien wie beispielsweise Tierbestand, Lagerflächen und Substrattyp zu ermitteln.“

Die gewonnenen Ergebnisse fliessen nun in die Mindestabstandsempfehlung ein, die eine Arbeitsgruppe gegenwärtig im Auftrag der Bundesämter für Landwirtschaft und Umwelt erarbeitet. Die Empfehlungen sollen Grundlage für künftige Entscheide in den Baubewilligungsverfahren darstellen. Die Arbeitsgruppe will ihre Empfehlungen laut Keck im Jahr 2016 vorlegen.

Relevante Geruchsquellen bestimmt
Die meisten Landwirtschaftsbetriebe mit Biogasanlagen verfügen gleichzeitig über eine Tierhaltung. Die Stall- und Auslaufflächen, Futter- und Hofdüngerlager tragen wesentlich zu den Gesamtflächen und damit Geruchsemissionen bei. „Ihr Einfluss kommt zu jenem der Biogasanlagen hinzu“, stellt Forscherin Dr. Sabine Schrade fest. Zu diesem Befund gelangte das Team um Keck und Schrade, als sie die Geruchsquellen auf acht (der insgesamt 96) Schweizer Höfen mit Biogasanlagen untersuchten. „Zu den geruchsintensiven Quellen zählten Festmist von Geflügel, Rind und Pferd, Rasenschnitt, Gemüserüstabfälle, Sickersaft, Gärreste und Biogas“, fassen die Forscherinnen ihre Erkenntnisse in einer wissenschaftlichen Publikation zusammen. Gülle ist hier nicht erwähnt, weil die Untersuchungen dazu noch nicht abgeschlossen sind.

Biogas wird als besonders unangenehm empfunden
Um festzustellen, welche Stoffe besonders in die Nase stechen, nahmen die Forscher vor Ort in Nalophanbeuteln Geruchsproben. Anschliessend bestimmten geschulte Testpersonen an einem Olfaktometer die Geruchsstoffkonzentration der Proben. So fanden die Wissenschaftler heraus, welche Emissionsflächen besonders relevant sind. Getreideabgang oder Festmist vom Rind beispielsweise haben eine geringere Geruchsstoffkonzentration als Gemüserüstabfälle oder Geflügelmist. Besonders hoch – nämlich um einen Faktor 10 bis 100 höher als bei den übrigen Substraten – ist die Geruchsstoffkonzentration von Biogas. Leckagebedingtes Austreten von Biogas führt somit zu einer vergleichsweise starken Geruchsemission. Kommt hinzu, dass Biogas von Menschen als besonders unangenehm empfunden wird. Auf der Grundlage ihrer Messungen haben die Forscher Empfehlungen formuliert, wie sich Geruchsemissionen wirksam mindern lassen (vgl. Textbox).

Konflikte bei der Planung vermeiden
Geruchsemissionen lassen sich verringern, meistens aber nicht ganz vermeiden. Ein Konflikt zwischen der Energiegewinnung aus Biogas und dem Anspruch nach störungsfreiem Wohnkomfort kann im Einzelfall immer wieder auftreten. Margret Keck sieht hier allerdings kein grundsätzliches Argument gegen Biogas. „Die Geruchsemissionen stellen keine Einschränkung für den weiteren Ausbau der Biogasnutzung dar“, ist die Forscherin überzeugt, „doch nicht jeder Standort ist für eine Anlage geeignet. Bei der Planung neuer Anlagen ist die Geruchsproblematik sorgfältig zu prüfen, um Konflikte mit der Nachbarschaft zu vermeiden.“

Von solchen Konflikten ist Armin Müller in Ermensee bisher glücklicherweise verschont geblieben. Als nach dem ersten Betriebsjahr nach einer Panne (Absturz der Biologie im Fermenter) Faulgas austrat und das Dorf einige Tage mit widerlichem Gestank überzog, informierte der Betreiber die Bevölkerung umgehend aktiv und konnte so das Vertrauen in seine Energieproduktion letztlich wieder herstellen. Was nicht heisst, dass er auch heute bisweilen noch unter Verdacht gerät. Immer mal wieder, wenn über Ermensee ein unangenehmer Geruch liegt, heisst es dann schnell: „Das wird der Müller sein!“. Doch in aller Regel ist es nicht der Müller. Vielmehr hat dann ein Bauer Hühnermist auf seinen Feldern ausgebracht. Oder der Gestank rührt von den Algen aus dem Dorfbach.


Empfehlungen zur Geruchsminderung

Auf der Basis ihrer Forschungsresultate haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler von Agroscope Empfehlungen zur Geruchsverminderung bei landwirtschaftlichen Biogasanlagen erarbeitet. Die wichtigsten Erkenntnisse:

  • Zur Geruchsminderung gilt es, vor allem bei geruchsintensiven Flächenquellen (wie z.B. Festmist von Geflügel/Rind/Pferd, Rasenschnitt, Sickersaft) anzusetzen
  • Oberflächen, die Gerüche freisetzen, sind möglichst gering zu halten.
  • Schutz von Substraten und Gärresten vor Sonne, Regen und Wind ist anzustreben.
  • Flächen mit Sickersaft sind zu vermeiden (z.B. durch Überdachung); wo er doch entsteht, ist er mit Gefälle rasch abzuleiten.
  • Bei geruchsintensiven Substraten empfiehlt sich allenfalls ein Vermischen mit weniger geruchsintensiven Substraten oder Abdecken.
  • Materialbewegungen sind auf das Nötigste zu reduzieren.
  • Um den Austritt von Biogas zu verhindern, muss das Speichervolumen hinreichend gross dimensioniert sein; ausserdem ist der Prozess zu optimieren (z.B. bei Art und Menge der Substrate, Managment von Substrateintrag und Rühren). Biogasverluste über die Membran oder Leckagen sind durch regelmässige Kontrollen, Wartung und ggf. Reparaturen zu vermeiden.

Quellenangabe zu den Grafiken links betreffend des Geruchssinns: Keck M., Keller M., Frei M., Schrade S., 2014: Odour Concentration of Agricultural Biogas Facilities: Substrates and Biogas. International Conference of Agricultural Engineering, 6-10 July 2014, Hrsg. AgEng, Zurich.

Text: Benedikt Vogel, im Auftrag des Bundesamts für Energie (BFE)

01_Karte.jpg

Die Biogasanlage von Armin Müller liegt etwas ausserhalb von Ermensee (LU). Dank der Randlage und der Windverhältnisse gibt es nach Auskunft Müllers praktisch keine Geruchsklagen aus der Ortschaft. Grafik: geo.admin.ch

02_Geruchskonzentration

Die Geruchsintensität nimmt mit wachsendem Abstand zur Geruchsquelle ab. Die Grösse der Dreiecke steht für die Windgeschwindigkeit. Grafik: Keck M., Keller M., Frei M., Schrade S.

03_Geruchskonzentration

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