Die Nachbehandlung der Gärreste ist eine zentrale Fragestellung der aktuellen Forschung im Bereich Biomasse. ©Foto: Daniel Ammann

Das Schema zeigt, mit welchen Verfahren das Substrat von Biogas-Anlagen vorbehandelt werden kann, um die Vergärung und damit den Energieertrag zu erhöhen. ©Grafik: Schlussbericht 2012 'Massnahmen zur Optimierung der Vergärung'

Schweizer Biomassenpotential von ausgewählten Substraten (Stand 2012). Von jährlich 2.6 Mio. t Gülle und Mist könnten realistischerweise rund 1.4 Mio. t genutzt werden. ©Tabelle: Schlussbericht 2012 'Massnahmen zur Optimierung der Vergärung'

Die Tabelle zeigt Funktion und Wirkungsmechanismus von Enzymen, Mikroorganismen-Zusätzen und sonstigen Zusätzen, die bei der Vorbehandlung von Substraten zur Anwendung kommen. ©Tabelle: Schlussbericht 2012 'Massnahmen zur Optimierung der Vergärung'

Proben von Enzymprodukten und Zusätzen, die zur Vorbehandlung von Substraten eingesetzt werden, um die Vergärung zu intensivieren und damit den Energieertrag zu erhöhen. ©Foto: Schlussbericht 2012 'Massnahmen zur Optimierung der Vergärung'

Mit Enzymen und Enzymmischungen lassen sich Vergärungsprozesse intensivieren. Der Effekt hält aber nur kurze Zeit an: Bereits nach 30 Min. ist das Maximum der Freisetzung erreicht. ©Grafik: Schlussbericht 2012 'Massnahmen zur Optimierung der Vergärung'

Die Trennung des Gärguts erfolgt in drei Schritten: Ultrafiltration, Umkehrosmose und Separation. Von der Energie, die für die Trennung aufgewendet werden muss, gehen rund 2/3 in die Ultrafiltration. ©Grafik: Schlussbericht 2013 'Nachbereitung von Gärgut'

Die Grafik veranschaulicht das bisher ungenutzte Potenzial für die Produktion von Biogas aus Rindergülle mittels Wärme-Kraft-Kopplungsanlage. ©Grafik: Schlussbericht 2014, 'Mini Biogaz'

Swiss Farmer Power Inwil im Kanton Luzern verarbeitet Güllen und Landwirtschaftsabfälle aus der Region, Grüngut und biogene Abfälle aus kommunaler Sammlung, nahrungsmittelverarbeitender Industrie sowie von Gastrobetrieben und Gewerbe. ©Foto: SFPI

Aus der Ultrafiltration des Gärguts geht unter anderem eine feststoffreie Flüssigkeit hervor. Mit der Umkehrosmose wird die Nährstoffkonzentration dieser Flüssigkeit erhöht. ©Foto: Schlussbericht 2013 'Nachbereitung von Gärgut'

Biomasse: Schweizer Substrate optimal nutzen

(©BV) Die Energieausbeute von Biogasanlagen hängt wesentlich vom Standort ab. Die Rahmenbedingungen in der Schweiz unterscheiden sich deutlich von jenen in anderen Ländern. Schweizer Wissenschaftler verfolgen aktuell verschiedene Ansätze, um das hiesige Potenzial an Biogas voll auszuschöpfen. Die Forschung setzt bei der Vorbehandlung der Substrate an, aber auch bei der Nachbehandlung der Gärreste.


Deutschland hat über 8000 Biogasanlagen. Mit einer installierten Leistung von über 3.5 GWel produzieren sie im Vollbetrieb zusammen soviel Strom wie drei Kernkraftwerke vom Typ Gösgen. In Nachbarstaat hat sich die Zahl der Anlagen in den letzten 15 Jahren im Zuge der neuen Energiepolitik verzehnfacht. Auch in der Schweiz hat die Erzeugung von Strom und Wärme in Biogasanlagen in den letzten Jahren zugelegt, wenn auch auf einem tieferen Niveau.

100 landwirtschaftliche und 50 industrielle Anlagen
In der Schweiz sind heute rund 100 landwirtschaftliche Biogas-Anlagen in Betrieb. Hinzu kommt die Vergärung von Abfällen und Abwässern in rund 50 industriellen Biogas-Anlagen und den landesweit 465 Abwasserreinigungs-Anlagen (ARA). Viele kleinere Biogasanlagen werden von Bauern betrieben. Dabei ist das Potenzial an Schweizer Biogas noch lange nicht ausgeschöpft. Ein Grund liegt beim Hofdünger: Gülle und Mist fallen in der Schweiz aus der Nutztierhaltung in grosser Menge an und wäre im Grunde ein guter Rohstoff für die Herstellung von Biogas. Doch entgegen einer verbreiteten Meinung ist Hofdünger bis anhin nicht der zentinstallation de biogazrale 'Brennstoff' für Biogasanlagen. Denn Gülle vergärt weniger gut als andere Substrate wie Abfälle aus Feld und Garten, aus Restaurantbetrieben oder der Nahrungsmittelindustrie, die in Schweizer Biogasanlagen als sogenannte Co-Substrate zum Einsatz kommen.

Substrate angemessen vorbehandeln
Der Einsatz von Gülle zur Biogasproduktion wird durch die Kostendeckende Einspeisevergütung (KEV) gefördert, bisher allerdings ohne durchschlagenden Erfolg. Die Forschung untersucht deshalb zur Zeit, wie Rindergülle durch geeignete Vorbehandlung 'veredelt' werden könnte. Mit der Vorbehandlung soll der Energieertrag bei der Vergärung in Biogasanlagen erhöht werden. Diese Fragestellung ist einer der aktuellen Forschungstrends im Bereich Biomasse.

Exemplarisch für diesen Forschungsansatz ist eine Studie von Urs Baier, Professor an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) in Wädenswil. Baier hat in der Untersuchung verschiedene Stoffe und Verfahren zur Vorbehandlung von Substraten untersucht, nämlich 29 biochemisch aktive Zusätze (z.B. Enzyme), die auf dem Markt zur Behandlung von Substraten angeboten werden. Hinzu kamen fünf chemisch-physikalische Vorbehandlungsmethoden. Seine Haupterkenntnis: Die auf dem Markt verfügbaren Zusätze sind auf deutsche Anwendungen ausgerichtet und in der Regel nicht für die Vorbehandlung der Substrate geeignet, wie sie in der Schweiz verwendet werden (Rindergülle, Grüngut, Klärschlamm). Das gilt zum Beispiel für jene Enzyme, die in deutschen Biogasanlagen bei der Vergärung der Energiepflanze Mais zugegeben werden, um den Gasertrag zu erhöhen.

Verbesserungen bei Rindergülle
Zwar stiess der ZHAW-Forscher auch auf Zusätze, die bei Schweizer Substraten zu einem Mehrertrag an Biogas führten. Allerdings haben sie ihre stimulierende Wirkung nur für 90 bis 120 Minuten entfaltet – eine sehr kurze Zeit im Vergleich zu den durchschnittlich 35 Tagen, die ein Vergärungsprozess normalerweise dauert. Vor dem Hintergrund dieser ernüchternden Ergebnisse hat Urs Baier einen neuen Weg der Vorbehandlung ausprobiert: Im Labor erhitzte er das Substrat über die gängigen Betriebstemperaturen (35/37 °C bzw. 55/57 °C) hinaus auf 120 °C – und konnte dadurch tatsächlich den Gasertrag erhöhen. Offen bleibt vorläufig aber die Frage, ob die mit der Temperaturerhöhung verbundene Energiezufuhr die Energiebilanz der Anlagen insgesamt positiv beeinflusst und damit auch wirtschaftlich sinnvoll ist.

In einem aktuell laufenden Anschlussprojekt richtet Urs Baier sein Augenmerk nun auf das Substrat Rindergülle. Er untersucht verschiedene Verfahren, die in Zukunft dazu beitragen könnten, dass Gülle in Biogas-Anlagen mit einem höheren Ertrag vergärt werden kann. Untersucht wird eine Aufteilung des Fermentationsprozesses, aber auch die Zugabe von Insekten. Hinzu kommen neuere chemisch-physikalische Verfahren der Vorbehandlung etwa durch Einsatz eines Elektronenstrahls, wie bereits in Deutschland praktiziert. Solche Verfahren könnten in Zukunft die heute bereits eingesetzten Vorbehandlungsverfahren – mechanisches Zerkleinern oder UV-Bestrahlung in ARAs – ergänzen.

Viel Energie für Nachbehandlung der Gärreste
Urs Baier hat seine neusten Resultate zur Vergärung von Rindergülle an der Biomasse-Tagung vorgestellt, die das Bundesamt für Energie kürzlich in Ittigen organisiert hat. Zu Reden gab an der Tagung auch ein zweites Thema, das bei den Forschungsbemühungen rund um die Biomasse ganz oben steht: die Nachbehandlung der Gärreste. Dazu gehört insbesondere die Trennung in feste und flüssige Bestandteile. Diese Trennung wird zum Beispiel von der Swiss Farmer Power Inwil AG, einer 2008 in Betrieb genommenen industriellen Biogas-Anlage in Inwil (LU), praktiziert. Die Gärreste können hier nicht lokal ausgebracht werden, weil die Weiden wegen hohem Viehbestand keinen zusätzlichen Nährstoffeintrag verkraften. Daher werden die Gärreste über weite Strecken in nährstoffarme Gebiete transportiert. Um das Transportgewicht (und damit die Energiekosten für den Transport) zu verringern, werden die flüssigen Bestandteile vorgängig aufbereitet und somit aufkonzentriert (über Verfahren wie mechanische Grobseparierung, Ultrafiltration, Umkehrosmose).

Ein Forschungsprojekt unter der Leitung des Beratungsbüros Engeli Engineering (Neerach, ZH) hatte bereits 2013 Energiebilanz und Wirtschaftlichkeit des in Inwil praktizierten Trennverfahrens untersucht. Der Befund: Die Nährstoffaufbereitung (unter den gegebenen Voraussetzungen) benötigt gut doppelt so viel Endenergie wie das direkte Ausbringen von flüssigem Gärgut. Dies gilt für die aktuellen durchschnittlichen Transportdistanzen von 55 bzw. 50 km beim Transport der Produkte (Konzentrat und festes Gärgut bzw. flüssiges Gärgut). Das ist allerdings nur die eine Seite der Medaille der energetischen Betrachtung. Beim direkten Abführen von Gärgut müsste nämlich zusätzliches Lagervolumen für flüssiges Gärgut bereitgestellt werden, da während des Winterhalbjahres kein Bedarf an Gärgut in der Landwirtschaft besteht. Hierfür bedarf es auch eines gewissen energetischen Zusatzaufwandes. Ausserdem müsste zusätzliche Infrastruktur zum Transport und zum Ausbringen angeschafft werden. „Das Projekt hat bewusst gemacht, dass Nachbereitung der Gärreste Energie in erheblichem Umfang braucht“, sagt BFE-Expertin Dr. Sandra Hermle, „damit gab das Projekt Anstoss für betriebsinterne Optimierungen, aber auch für weitere Forschungsbemühungen“. Gefragt sind nämlich einfachere Nachbereitungs-Methoden, die weniger Energie benötigen und auch für Kleinanlagen nutzbar sind, zum Beispiel über den Einsatz von Sieben oder Filtern oder das Eindampfen zu dickflüssiger Gülle oder gar Granulat (welche dann ausgebracht werden können).

Wertschöpfung für Kleinanlagen
Ein dritter Trend in der Biomasse-Forschung kreist um die Frage, wie Betreiber insbesondere kleiner Biogas-Anlagen eine hinreichende Wertschöpfung erzielen können. Leider sind gerade kleine Biogas-Anlagen (< 6 kWel), die ausschliesslich auf die Verwertung/Nutzung der hofeigenen Substrate ausgelegt sind, auf dem Markt oft gar nicht erhältlich, wie eine Studie des Planungsbüros erep (Aclens, VD) gezeigt hat. „Das ist eine wichtige Erkenntnis, denn um das volle Potenzial an Biogas auszuschöpfen, braucht man in der Schweiz gerade auch die kleinen Anlagen“, sagt Hermle. Aktuell werden in landwirtschaftlichen Biogas-Anlagen rund 10 000 t Hofdünger genutzt, 0.7 % Prozent des Potenzials (1.4 Mio. t). Würde dieses Potenzial ausgeschöpft, könnte Energie im Umfang von 5 944 GWh erzeugt werden, was ungefähr soviel Energie ist, wie die Einwohner der Stadt Lausanne im Jahr verbrauchen.

Auch wenn die Nutzung der Biomasse in der Schweiz noch lange nicht am Ziel ist, bleibt BFE-Expertin Hermle zuversichtlich. „Ich begegne immer wieder Betreibern auch kleiner Anlagen, die innovative Ideen umsetzen und so zusätzliche Wertschöpfung für ihre Anlagen erzielen.“ Exemplarisch dafür steht ein Pilot- und Demonstrationsprojekt, das zur Zeit mit finanzieller Unterstützung des BFE in einer Zürcher Gemeinde geplant wird. Hier soll aus Biogas mit einer Aufbereitungsanlage Biomethan hergestellt und zur Betankung von Erdgas-Autos verwendet werden. Die zentrale Fragestellung dieses bis 2017 dauernden Projekts liegt in der Frage, ob mit der geplanten Produktionsmenge von 6 (oder ggf. 12) Normkubikmetern Biomethan pro Stunde und einer Jahresbetriebsdauer von 6000 Stunden ein wirtschaftlicher Betrieb der Biomethan-Tankstelle erreicht werden kann. Durch spezielle Anpassungen und Optimierungen sollen Kosten und Energiebedarf für die Aufbereitung deutlich reduziert werden.

  • Weitere Auskünfte zum Thema erteilt Dr. Sandra Hermle (Sandra.Hermle@bfe.admin.ch), Leiterin des BFE-Forschungsprogramms Biomasse.

©Text: Benedikt Vogel, im Auftrag des Bundesamts für Energie (BFE)

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