Die SES fordert ein Sachplan-Timeout. Zuerst müssen die ungeklärten konzeptionellen und technischen Fragen von unabhängiger Seite wissenschaftlich fundiert gelöst werden. Grafik: SES

SES: Auf sicherem Weg zu unsicherem Atommülllager

(SES) Trotz der Reduktion auf zwei mögliche Standorte, liegt die Lösung des Atommüllproblems in weiter Ferne. Nach dem heutigen Entscheid von Nagra und BFE bleiben nur Bözberg (Jura Ost, AG) und Zürcher Weinland (Zürich Nordost, ZH und TG) im unbeliebten Atommüllrennen. Die SES fordert, dass die ungelösten konzeptionellen und technischen Fragen vor der Standortwahl beantwortet werden. Ausserdem müssen alle potentiellen Regionen auf den gleichen Untersuchungsstand gebracht werden, bevor eine qualifizierte Ausscheidung stattfinden kann.


Die Nationale Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle (Nagra) informierte heute anlässlich einer Medienkonferenz des Bundesamtes für Energie (BFE), dass die Standortsuche für Atommülllager von bisher sechs Regionen auf die zwei Standorte Bözberg (Jura Ost) und Zürcher Weinland (Zürich Nordost) reduziert wird (siehe ee-news.ch vom 30.1.15 >>).

Lagerkonzept nicht ausgereift

Mit der Reduktion von sechs auf zwei Standorte gaukelt die Nagra der Bevölkerung vor, sie sei einen wichtigen Schritt weiter und habe die Lösung des Atommüllproblems in greifbarer Nähe. „Das Problem ist nicht gelöst!“, warnt Atomexpertin Sabine von Stockar und erklärt: „Es wird verschwiegen, dass grundlegende konzeptionelle und technische Fragen noch immer nicht beantwortet sind.“ So ist zum Beispiel keine langfristige Rückholbarkeit vorgesehen, was die Situation für kommende Generationen unberechenbar und gefährlich macht. Es ist zudem unklar, wie die Standorte für die nachfolgenden 30’000 Generationen gekennzeichnet werden sollen, um unsere Nachfahren vor der Gefahr zu warnen.

Standorte auf der Strecke lassen ist heikel
Nicht nur die konzeptionellen Fragen, sondern auch die ungleich gut untersuchten Standorte, lassen den heutigen Vorschlag der Nagra eigenartig wirken: Von allen sechs Regionen wurde bisher nur im Zürcher Weinland mit gezielten Bohrungen und 3D-Seismik der Untergrund eingehend untersucht. „Zu diesem Zeitpunkt Standorte abzuschreiben ist fahrlässig“, sagt Sabine von Stockar. „Alle Standorte haben ihre Nachteile und die Eignung ist weder für das Weinland noch für den Bözberg abschliessend geklärt“. 

Sachplan-Timeout
Die Standorte einzuengen, bevor das Konzept ausgereift und der Untergrund untersucht ist, führt nicht zu einem möglichst sicheren Lager. Die SES fordert ein Sachplan-Timeout. Zuerst müssen die ungeklärten konzeptionellen und technischen Fragen von unabhängiger Seite wissenschaftlich fundiert gelöst werden. Daraufhin soll die Nagra die Geologie aller Standorte eingehend untersuchen. Erst anschliessend macht eine Eingrenzung der Standorte Sinn.


Atlantik – Wellenberg – Zürcher Weinland – Sibirien?
Bis 1982 hat die Schweiz ihren Atommüll unbekümmert im Nordostatlantik versenkt. Erst als der internationale Druck zu gross wurde, kamen Bund und AKW-Betreiber zum Konsens, ein geologisches Endlager sei die sicherste Entsorgungsmöglichkeit. Die Nagra reichte schliesslich 1994 beim Bund für das Gebiet Wellenberg ein Rahmenbewilligungsgesuch für ein Atommülllager ein. Auch wenn es noch viele offene Fragen gab, wollte man das Verfahren voranbringen. Nur dank dem mehrmaligen, klaren „Nein“ der Nidwaldner Bevölkerung ist das Endlager für schwach- und mittelradioaktive Abfälle damals nicht zu Stande gekommen. Heute schneidet der Wellenberg im sicherheitstechnischen Vergleich mit den anderen Standorten schlecht ab und fällt längst überfällig aus dem Verfahren. Mit diesem Hintergrund zweifelt man zu Recht daran, ob die Verantwortlichen heute mit offenen Karten spielen und nicht noch immer die günstigste und schnellste Standortwahl vorziehen. Das Gesetz lässt jedoch eine Hintertüre offen, denn der Abfall muss nur „grundsätzlich“ in der Schweiz entsorgt werden. Es würde nicht verwundern, wenn die zahlungspflichtigen AKW-Betreiber nach jahrelangem Scheinverfahren in der Schweiz trotzdem auf eine günstigere Lösung im Ausland zurückgreifen würden.


Text: Schweizerische Energiestiftung SES

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