Fast alle Marken verfügen für praktisch alle Modelle über eines der Energieeffizienzklasse A. Doch erst 15 % der Kundschaft entscheidet sich dafür. Noch dominieren Vorurteile wie „zu schwach für Familien mit Kindern und Gepäck“. Foto: iStock

Der generelle Trend zum „Downsizing“ gilt nicht nur für Handys und Computer: Auch moderne Automotoren werden immer kleiner und zugleich leistungsstärker, wie die Grafik veranschaulicht. Grafik: de Haan/EBP

Viele Kunden berücksichtigen beim Autokauf nicht, dass ein kleiner Motor mit moderner Technologie mehr Leistung bringt als der grössere im alten Auto. Sie kaufen daher unter Umständen überdimensionierte Motoren. Grafik: de Haan/EBP

Muss jedes Auto haben: die Energieetikette. Nur Neuwagen der Stufe A (Bild) sind besonders energieeffizient. Tabelle: BFE

Um einen Drittel sparsamer beim Benzin und im Preis erst noch günstiger: Autos der Energie-Effizienzklasse A, hier an einer Präsentation im HB Zürich. Bild: BFE

Studie: Käufer verschmähen effiziente Neuwagen – auch wenn sie günstiger sind

(AV/BFE) Neben Elektroauto stossen auch Benzin- und Dieselautos der Effizienzkategorie A in der Regel deutlich weniger CO2 aus als der Durchschnitt. Sie machen aber nur rund 15 % aller Verkäufe aus, obwohl sie oft günstiger sind als die weniger energieeffizienten Alternativen. Eine neue Studie untersucht die Gründe dafür.


Die Steigerung der Energieeffizienz neuer Personenwagen ist nicht nur eine Herausforderung der Technik, sondern auch der Konsumgewohnheiten. Zu fast allen Automodellen ist eine breite Motorisierungspalette lieferbar. Für ein gegebenes Automodell kann der Unterschied im Energieverbrauch zwischen effizientester und ineffizientester Motorisierung über 100% betragen. Oft wird in der Schweiz aber nicht die Motorisierungsvariante mit der höchsten Energieeffizienz gewählt.

Wer sich beim Autokauf fürs Energiesparen entschliesst, kann auch Geld sparen: Modelle der Effizienzkategorie A seien heute für fast alle beliebten Automarken und Modelle erhältlich und in punkto Kosten sogar mehr als nur konkurrenzfähig, sagt der Mobilitätsexperte Peter de Haan. Der Forscher des unabhängigen Ingenieur-, Planungs- und Beratungsunternehmens EBP Schweiz ergänzt: „Die Neuwagen mit dem niedrigsten Treibstoffverbrauch sind bereits im Kaufpreis meist die günstigsten. Später sparen die Käufer noch einmal Geld, dank tieferen Treibstoffkosten und – je nach Kanton – ermässigten Motorfahrzeugsteuern.“ Hierbei ist zu beachten, dass die Anschaffung von Fahrzeugen mit alternativen Antrieben und neuen Technologien (z.B. Hybrid) mitunter teurer ist.

Rund 15 Prozent Marktanteil

Es ist nicht unbedingt so wie bei den besonders energieeffizienten Kühlschränken, wo man beim Kauf etwas mehr zahlt, um das Geld beim Verbrauch wieder einzusparen. Die energieeffizientesten Autos sind in der Regel schon beim Kauf günstiger, weil sie beispielsweise kleinere Verbrennungsmotoren haben. Ihre Käufer haben also von Beginn weg einen finanziellen Anreiz, sich für diese Modelle zu entscheiden. Bloss geschieht das relativ selten: „Fahrzeuge der Effizienzklasse A machen nur gerade 15 Prozent des Neuwagenmarkts aus“, zeigt die vor kurzem erschienene Studie zur „Effizienzlücke beim Autokauf“ in der Schweiz.

Der Mobilitätsexperte Peter de Haan vom Büro EBP hat die Studie im Auftrag des Bundesamts für Energie (BFE) erstellt, gemeinsam mit der Psychologin Anja Peters vom deutschen Fraunhofer Institut für System- und Innovationsforschung und dem Psychologen Martin Soland von der Universität Zürich und der Fachhochschule Nordwestschweiz. Die drei Forschenden stützten sich bei ihrer Arbeit auf eine Langzeit-Erhebung, die 2005 an der ETH Zürich begonnen wurde und die seit 2014 von EBP in aktualisierter Form weitergeführt wird (im jährlichen 'Barometer Auto und Mobilität von morgen'). Jeweils mehrere Tausend Personen in der ganzen Schweiz werden dabei schriftlich zu Mobilität und Autokaufverhalten befragt.

Effizienz ist nur ein Kriterium

Die Analyse dieser Daten zeigt: Die Befragten finden durchaus, dass Treibhausgase die Klimaerwärmung verstärken und energieeffiziente Autos gefördert werden sollten. Doch ist „Energieeffizienz“ beim Autokauf nur ein Auswahlkriterium unter mehreren. Besonders wichtig für den Kaufentscheid sind laut der Umfrage ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis, Umweltfreundlichkeit, innovative Technik, Eignung für Einsatz im Alltag sowie Komfort und Eignung für Fahrten in die Berge. Während die ersten Attribute laut den Befragten gut zu energieeffizienten Autos passen, werden Komfort und die Eignung für Fahrten in die Berge als ungenügend erfüllt angesehen. Auch bei Sportlichkeit, Spassfaktor und attraktivem Image schneiden diese Autos eher schlecht ab.

Schwierig einzuschätzen

Auch finden Kaufinteressierte es oft schwierig einzuschätzen, welche Autos denn speziell energieeffizient sind, oder sie gehen von Anfang an davon aus, dass es in ihrem Autogrössen-Segment – speziell wenn man einen Kombi für Familie und Haustiere braucht – keine effizienten Fahrzeuge gibt. „Nahezu jedes Automodell gibt es auch mit einer Motorisierungsvariante der Effizienzkategorie A“, betont dagegen Peter de Haan. Beim Autokauf entscheiden sich aber viele Kunden und Kundinnen für eine Stufe irgendwo in der oberen Mitte, für C zum Beispiel, in der Annahme, damit seien sie energiemässig immer noch gut unterwegs. „Dem ist nicht so“, widerspricht der Co-Autor der Studie zum Autokaufverhalten, „nur A-Fahrzeuge sind heute wirklich energieeffizient.“

Misstrauen gegenüber Herstellerangaben

Ein signifikanter Teil der Befragten äussert Misstrauen in die Angaben der Hersteller zum spezifischen Treibstoffverbrauch eines Fahrzeugs, was den Kauf eines effizienten Autos hemmt. Wenn die Konsumenten sich nur ungern auf die angegebenen Verbrauchsdaten oder damit verbundene Informationen (wie die Effizienzetikette oder Listen effizienter Fahrzeuge) verlassen, dürfte es für sie schwierig sein, die Effizienz eines Fahrzeuges zu beurteilen.

Hohe Treueraten beim Kaufentscheid

Ein weiterer Grund für den Kauf wenig energieeffizienter Autos liegt in der Komplexität des Kaufentscheids. Um das riesige Angebot an Neuwagen auf dem Markt einzugrenzen, orientieren sich Kundinnen und Kunden oft am Vorgängerauto. So entstehen die für den Autokauf typischen hohen „Treueraten“: Markentreue, Treibstoffart-Treue, Getriebetyp-Treue, Hubraumklassen-Treue und Autogrössenklasse-Treue. Gemäss Studie haben zum Beispiel mehr als 40 Prozent der Autokäufer den genau gleich grossen Motor (bzw. die gleiche Hubraumklasse) wie beim Vorgängerauto gewählt. Ein Drittel kaufte gar einen grösseren Motor, nur bei 25 Prozent aller Käufe war der neue Motor kleiner als sein Vorgänger. Das aber ist problematisch. Denn in der Motoren-Technologie herrscht ein Trend zum „Downsizing“ – viel Leistung aus immer kleinerem Hubraum: Ein kleiner 1.2-Liter-Motor in einem Neuwagen bringt heute mehr Leistung als ein 1.6 -Liter-Motor, der in einem zehnjährigen Auto steckt. Die Kunden kaufen unter Umständen aus reiner Gewohnheit ein Auto, das mehr Leistung bringt als sie es eigentlich wünschen. Damit erhöht sich der CO2 Ausstoss, denn je grösser ein Motor, desto höher in der Regel auch der Treibstoff-Verbrauch pro Kilometer.

Die Autoren zeigen, dass die Orientierung an der Vergangenheit zu einer Effizienzlücke von ca. 3% führt: Für das Jahr 2013 hätte der mittlere gCO2/km-Wert 141 betragen, wenn es keine Treueraten gegeben hätte. In der Realität lag der Wert bei 145 gCO2/km und damit 2.8% höher. Der gCO2/km-Wert bezeichnet, wie viel Gramm Kohlendioxid ein Auto pro Kilometer ausstösst.

Aufklärung ist zentral

Was muss geschehen, dass die Kundschaft künftig bei neuen Personenwagen vermehrt auf die energieeffizienteste Technik setzt? Der Schlüssel zum Erfolg liege in der Kommunikation, lautet Peter de Haans Fazit. „Es reicht ganz offensichtlich nicht, energieeffiziente Technik anzubieten und sie durch Steuerrabatte finanziell attraktiv zu machen. Man muss auch reden über die Technik und einer kaufkräftigen Kundschaft, wie es Neuwagenkäufer und-käuferinnen sind, erklären, warum die Rabatte Sinn machen“, so der Spezialist für Energieeffizienz und Kaufverhalten. „Wenn ich zehn Millionen zur Verfügung hätte, um Autos der Effizienzkategorie A finanziell zu vergünstigen, würde ich die Hälfte in die Vergünstigungen selbst stecken und die andere Hälfte in verständliche Broschüren, Quartierevents und Probefahrten.“

Klarer kommunizieren

Wieviel Geld künftig in Kommunikationsmassnahmen fliessen und was konkret kommuniziert werden soll – das müssen letztlich die politischen Gremien und Akteurinnen und Akteure entscheiden. Einige Vorschläge machen die Forschenden aber: „Es wird empfohlen, Massnahmen zu ergreifen, um den technischen Downsizing-Trend (mehr Leistung aus weniger Hubraum) vermehrt bekannt und bewusst zu machen, zum Beispiel durch entsprechende Medienartikel“, schreiben sie. Auch regen sie mehr Information zur Energieetikette an. Es müsse klar kommuniziert werden, was die Abstufungen der Energieetikette bedeuten.

Effizient und berggängig

Und wie bekommt man die Vorstellung aus den Köpfen, im Alpenland Schweiz brauche man für Bergfahrten grosse Motoren und Allradantrieb? Peter de Haan: „Man könnte mit Autos der Effizienzklasse A zum Beispiel ein Bergrennen mit Schneematsch durchführen. So würde anschaulich klar, dass diese Autos den Aufstieg sogar unter schwierigen Bedingungen gut schaffen.“

Schlussbericht zum Projekt >>

©Text: Anita Vonmont, im Auftrag des Bundesamts für Energie (BFE)

0 Kommentare

Kommentar hinzufügen

Top

Gelesen
|
Kommentiert