Ohne abgeschlossene Ursachenanalyse besteht auch weiterhin keine Gewissheit, ob die Integrität der Schutzbarriere vollständig gewährleistet ist. Eine profunde Ursachenanalyse weitere Monate oder gar Jahre in Anspruch nehmen ©Grafik: SES

SES und Greenpeace: Trial and Error im AKW Leibstadt

(ee-news.ch) Das Ensi bewilligt das Wiederanfahren des AKW Leibstadt – obwohl die Ursachen für die Brennstab-Dryouts ungeklärt bleiben. Ob die heute vom Ensi verfügte Leistungsreduktion die Ursache tatsächlich bekämpft, bleibt offen. Die Schweizerische Energie-Stiftung SES schreibt: „Die Sicherheitsmassnahmen folgen damit dem Prinzip Trial and Error - auf Kosten einer reduzierten AKW-Sicherheit. Die SES fordert, dass das Kernenergiegesetz nachgebessert wird.“ Greenpeace Schweiz kommentiert: „Die Ursache der Oxidationschäden an den Brennelementen ist aber weiterhin nicht restlos geklärt.“


Die SES stellt fest: „Seit 2012 treten im AKW Leibstadt kritische Siedezustände (Dryouts) auf. Seit spätestens 2014 sind diese den Betreibern und dem Ensi bekannt. Seither fährt das AKW auf Sicht, sprich der Betreiber versucht die Dryouts im laufenden Betrieb in den Griff zu bekommen. Nur: Sämtliche bisher ergriffenen Massnahmen liefen ins Leere. Im Gegenteil: Die Dryouts häuften sich gar. Die von Betreiber und Aufsicht verwendeten Modellrechnungen, die die Effektivität der bisherigen Massnahmen hätten bezeugen sollen, erwiesen sich nachträglich als falsch.“

Beeinträchtigte Sicherheit
Im vergangenen Dezember ordnete das Ensi die anhaltenden Probleme auf der INES-Störfall-Skala der Stufe 1 zu. Konkret bedeutet dies, dass das Konzept der gestaffelten Sicherheitsvorsorge beeinträchtigt ist. Das Ensi bewilligt nun das Wiederanfahren unter einer kontinuierlichen Leistungsreduktion bis auf 88% zum Zyklusende des Brennstabseinsatzes. Die SES bemängelt: „Doch ohne abgeschlossene Ursachenanalyse besteht auch weiterhin keine Gewissheit, ob die Integrität der Schutzbarriere vollständig gewährleistet ist. Gemäss Informationen des Betreibers in der SRF-Rundschau vom 1.2.2017 würde eine profunde Ursachenanalyse weitere Monate oder gar Jahre in Anspruch nehmen.“

Ungenügendes Kernenergiegesetz
Gemäss Ensi zeigen spezifisch auf das AKW Leibstadt zugeschnittene Modellrechnungen, dass die Integrität des AKW gewährleistet werden könne. Da bisher gemäss Ensi keine Grenzwerte überschritten wurden, sei die Wiederinbetriebnahme legal. Die SES kommentiert, jede Modellrechnung, die die Ursachen für ein Problem nicht kenne, beruhe auf unsicheren Annahmen. Nils Epprecht, SES-Projektleiter Strom & Atom kritisiert: «Das Kernenergiegesetz ist für unsere alten Reaktoren zu lasch. Es lässt zu, dass das AKW Leibstadt mit ungeklärten Problemen wieder ans Netz kann.» Die SES fordert Bundesrat und Parlament auf, das Kernenergiegesetz zu revidieren und die bestehenden Sicherheitslücken für den Weiterbetrieb des ältesten AKW-Parks der Welt zu schliessen. Ein AKW mit ungeklärtem Vorkommnis 1 auf der INES-Skala gehört nicht ans Netz.

G
egen besseres Wissen
Greenpeace kommentiert, das ENSI handle gegen besseres Wissen und verstosse gegen die eigenen Grundsätze. Die Aufsichtsbehörde selbst habe gefordert, dass eine Überhitzung der Brennelemente («kritische Siedezustände») ausgeschlossen werden könnt en». Im ENSI-Originalton: „Das ENSI hat das KKL aufgefordert, die Kernauslegung und den Reaktorbetrieb so zu konfigurieren, dass kritische Siedezustände im Normalbetrieb (Sicherheitsebene 1), bei Betriebsstörungen (Sicherheitsebene 2) sowie bei Auslegungsstörfällen (Sicherheitsebene 3) der Störfallkategorien 1 und 2 gemäss Verordnung des UVEK (SR 732.112.2) ausgeschlossen werden können. (Quelle: www.ensi.ch/de/2016/12/19/kkl-befunde-an-brennelementen-verstaerkte-oxidation-an-huellrohren-von-brennstaeben-vom-12-august-2016/)“

Bereits im Jahr 2015 wurden solche Brennelementschäden erkannt. Das ENSI gab damals trotzdem das Wiederanfahren frei. Mit den getroffenen Massnahmen glaubten sich Ensi und Leibstadt auf der sicheren Seite, um weitere Oxidationsschäden auszuschliessen. Das Gegenteil war der Fall: Im Sommer 2016 wurden erneut Schäden, sogar von grösserem Ausmass, festgestellt.

«Wenn das ENSI nun wiederum ähnlich vorgeht, heisst das ein JA zum freien Experiment und ein Verstoss gegen jegliche Sicherheitsgebote», so Füglister. Die heute mit 16'000 Unterschriften eingereichte Petition «AKW Leibstadt soll nicht ans Netz» und die Sicherheitsbedenken in der Bevölkerung werden dadurch mit Füssen getreten.

Text: ee-news.ch, Quelle: Schweizerische Energie-Stiftung SES und Greenpeace Schweiz

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