Die Gurtner AG: Jährlich werden hier rund 2500 Tonnen Rohfleisch zu Bündnerfleisch verarbeitet. ©Bild: EnAW

Gurtner: Energie sparen «Made In Bündnerland»

(PM) Die traditionsreiche Verarbeitung sorgt dafür, dass Bündnerfleisch zu seinem charakteristisch zarten und würzigen Geschmack kommt. Dass man nicht nur mit Geschmack, sondern auch mit einer kaum vergleichbaren Energieeffizienz punkten kann, dafür steht die Fleischtrocknerei Gurtner ein. In enger Zusammenarbeit mit der Energie-Agentur der Wirtschaft (EnAW) und der Firma Trockus ist der Betrieb zu einem Vorzeigeobjekt herangewachsen.


Bündnerfleisch ist ein geografisch geschütztes Produkt (IGP). Das Fleisch darf nur im Bündnerland und in einer Höhe zwischen 800 und 1800 Metern über Meer hergestellt werden. Ein Unternehmen, das sich mit der Herstellung dieses beliebten und schmackhaften Produktes rühmen darf, liegt im Dorf Trin: die Gurtner AG. Jährlich werden hier rund 2500 Tonnen Rohfleisch zu Bündnerfleisch verarbeitet und in seiner charakteristischen viereckigen Form für die Konfektionierung an Abnehmer im Handel vertrieben.

Familiensache
Seit drei Generationen liegt die 1963 gegründete Fleischtrocknerei in Händen der Familie Gurtner. Im Jahr 1983 übernahm Walter Gurtner die Zügel. Seither kümmert er sich um die Produktion sowie die Konkurrenzfähigkeit des Betriebs. Um diese zu gewährleisten, machte sich Gurtner als Erstes an eine detaillierte Kostenanalyse. «Gemeinsam mit meinem Bruder bin ich jeden einzelnen Punkt des Betriebs durchgegangen, um überhaupt zu verstehen, wo, was und wie viel gebraucht wird», meint der Geschäftsführer. Dabei kam auch der Kostenpunkt Energie zur Sprache, ein Thema, das Gurtner seit Beginn am Herzen liegt. «Ich will mit meinem Betrieb einfach so effizient wie möglich sein», so Gurtner.

Mit zahlreichen Anpassungen wurde der Bau aus den 1960er-Jahren dank Gurtners Engagement darum zu einem Vorzeigebeispiel für Energieeffizienz. Dies bestätigt auch Thomas Pesenti, der zuständige EnAW-Berater, der den Betrieb seit einigen Jahren unterstützt. «Die Gurtner AG ist geradezu ein Leuchtturmprojekt für effiziente Fleischtrocknung», so Pesenti. «Sie hat aus eigenem Antrieb, noch vor Inkrafttreten des CO2-Gesetzes, radikal umgestellt.»

Gemeinsam zum Ziel
Auch das beste Vorhaben kann nur dank geeigneten Partnern gelingen. Gurtner hat hier einen weiteren Trumpf im Ärmel: Mit Paul Tschalèr, Inhaber der Firma Trockus – die im Spezialbereich der Fleischtrocknungs- und Schwitzanlagen tätig ist – hat er einen Partner gefunden, der seine Leidenschaft für Energieeffizienz teilt. «Paul Tschalèr ist Spezialist sowohl für Kälte, Heizung als auch für Lüftung. Da er über Wissen in allen diesen Bereichen verfügt, muss ich nicht drei einzelne Fachkräfte engagieren. Ausserdem habe ich gemerkt, dass er genauso hungrig ist wie ich», resümiert Gurtner. Hungrig wohlgemerkt nicht in erster Linie auf Bündnerfleisch, sondern auf eine optimale Nutzung von Energie und Ressourcen.

Mit Tschalèr hat Gurtner einen langjährigen Dienstleistungsvertrag. Seit 1990 werden zusammen Erweiterungs- und Effizienzprojekte realisiert. Der heutige Erfolg des Betriebs liege nicht zuletzt darin, dass Gurtner spezielle und auf seinen Betrieb zugeschnittene Wünsche anbringen konnte. «Hier im Betrieb ist vieles Marke Eigenbau», stimmt Tschalèr zu. Genau das sei aber manchmal notwendig, damit Energie wirklich effizient genutzt werden kann. «Unsere gemeinsame Arbeitsweise besteht darin, dass wir immer wieder hinterfragen, was besser und effizienter gelöst werden kann. Wir geben uns längst nicht mehr mit einem trägen Status quo zufrieden», bestätigt auch Gurtner. «Aus diesem Grund sind wir froh, können wir mit der EnAW noch weitere Sparpotenziale ausloten», meint Tschalèr.

Kaum mehr fossile Energie
Ein erster Schritt bezüglich Energieeffizienz wurde 1990 mit dem Einbau mehrerer Rückkühler gemacht. Da vorher im Betrieb alles mit Wasser gekühlt wurde, ergab sich durch diesen Einbau eine Einsparung von beachtlichen 50‘000 Kubikmetern Wasser. Sechs Jahre später erfolgte der nächste grosse Coup im Betrieb der Gurtner AG. Die Aufteilung der Räumlichkeiten für den Herstellungsprozess wurde nochmals überdacht und bestmöglich auf den Energieverbrauch angepasst. Als erster fleischtrocknender Betrieb machte es die Gurtner AG möglich, den Kalt-, Schwitzund Trocknungsvorgang in einem einzigen Raum zu vereinen. Mit verschiedenen dieser Räume kann der Energieverbrauch deshalb an den Produktionsbedarf angepasst werden: Soll weniger Fleisch getrocknet werden, kann ein Raum auch einzeln abgestellt werden, womit der Energieverbrauch dort ganz entfällt.

«Für mich hat der Verbrauch von Erdöl nie zu unserem Naturprodukt Bündnerfleisch gepasst», meint Gurtner. Auch aus diesem Grund wird seit dem Jahr 2000 Energierückgewinnung grossgeschrieben. Sämtliche Anlagen wurden an eine Wärmerückgewinnung angeschlossen. Durch die Gleichzeitigkeit von Trocknen in den einen Räumen und Schwitzen in anderen Räumen kann die gesamte Abwärme der Kältekompressoren wiederverwendet werden.

Wärmepumpen statt Erdöl
Heute verwendet die Gurtner AG zahlreiche Wärmepumpen. «Durch einen kontinuierlichen Umbau der Anlagen wurde der Heizölverbrauch von 100 Litern auf einen Liter pro Tonne Rohfleisch reduziert», sagt Pesenti. 2013 resultierte durch eine geringfügige Änderung des Prozesses, bei dem die Schwitztemperatur erhöht wurde, eine Steigerung des Ölverbrauchs. Gemeinsam mit der EnAW hat man sich zum Einbau einer weiteren Wärmepumpe entschieden, um den gestiegenen Wärmebedarf im Prozess aufzufangen. Gurtners Wunsch nach einem Naturprodukt ohne Erdölverbrauch ist man damit schon fast gänzlich nahegekommen.

Einsparungen lohnen sich finanziell
Durch die konsequente Optimierung der Infrastruktur auf die Anforderungen der Produktionsprozesse konnte der Heizölverbrauch auf praktisch Null und der Frischwasserverbrauch erheblich reduziert werden. Die Befreiung von der CO2-Abgabe hat für die Gurtner AG nur noch symbolischen Wert, wird doch kaum mehr Heizöl eingesetzt. Finanziell interessant ist die dank der EnAW gleichzeitig erreichte Befreiung von den Netzzuschlägen auf Elektrizität, die ab 2017 bereits 1.5 Rappen pro Kilowattstunde ausmachen wird.



Interview mit Walter Gurtner (Inhaber Gurtner AG) und Paul Tschsaèr (Inhaber Trockus)
Die Zusammenarbeit der Gurtner AG und der Firma Trockus besteht seit über 30 Jahren. Was ist so speziell an dieser Zusammenarbeit?

WG: Wir sind sehr ähnlich gestrickt, was Energieeffizienz betrifft. Wir beide wollen immer einen Schritt weitergehen und Verbesserungen vornehmen, wo diese möglich sind. Zudem habe ich mit Paul Tschalèr das Glück, dass ich ihm alle meine Wünsche angeben kann und er mit Individuallösungen zurückkommt.

PT: Mir ist es wichtig, dass ich nicht einfach Geräte verkaufe. Es ist mir ein Anliegen, die Gurtner AG bestmöglich auszurüsten. Dazu gehört auch, dass wir den Betrieb laufend überprüfen und mit geeigneten Lösungen eine Steigerung hervorrufen.

Ein solches Engagement eines Handelspartners ist aussergewöhnlich.

PT: Das mag sein. Aber für mich käme nichts anderes infrage. Ich hatte hier aber auch die Möglichkeit, etwas zu tüfteln. Das hat auch grossen Spass gemacht.

Die Einsparungen an Heizöl sind in Ihrem Betrieb sehr hoch. Wie haben Sie das bewerkstelligt?

WG: Das ist einer der Punkte, der mir besonders am Herzen liegt. Bündnerfleisch ist ein Naturprodukt. In meinen Augen passt da ein solch hoher Ölverbrauch von bis zu 250‘000 Litern pro Jahr nicht dazu.

PT: Die Einsparung ist grösstenteils durch drei Massnahmen möglich geworden: die Prozessoptimierung, das Anschliessen sämtlicher Anlagen an eine Wärmerückgewinnung und den Einsatz von Wärmepumpen. So beschränkt sich der jährliche Ölverbrauch auf knapp 1000 Liter.

Seit 2013 sind Sie Teilnehmer der EnAW im Energie-Modell. Wie sieht diese Zusammenarbeit aus?

WG: Wir sind sehr froh um die Inputs von Herrn Pesenti. Er hilft uns bei der Umsetzung von Massnahmen zur Steigerung unserer Energieeffizienz. So haben wir gemeinsam mit der EnAW beispielsweise eine weitere Wärmepumpe eingebaut, um die höheren Schwitztemperaturen auszugleichen.

PT: Ein weiteres Projekt bestand im Ersatz der Leuchtstoffröhren durch effizientere LED-Streifen.

WG: Dank der Teilnahme bei der EnAW profitieren wir ausserdem von der Rückerstattung der Netzzuschläge auf die Elektrizität. Es ist die Summe aller Beteiligten an diesem Projekt, die unseren Betrieb heute nicht nur wirtschaftlich, sondern auch energieeffizient gemacht hat.

Text: Energie-Agentur der Wirtschaft (EnAW)

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