Energiebedarf nach Sektoren. Der jährliche Gesamtenergiebedarf Brasiliens im zeitlichen Vergleich zwischen Referenzsenario und Energy [R]evolution Szenario in Petajoul. ©Bild: DLR (CC-BY3.0)

Das progressive Szenario sieht den Ausbau der Transportkapazitäten vor, um Windparks im Nordosten des Landes mit den Verbrauchszentren im Südosten zu verbinden. ©Bild: Meire Mieco Maruyama/CC BY-SA 3.0

Unterschied zwischem konventionellem Referenzszenario und progressivem Energy [R]evolution Szenario hinsichtlich den installierten Kapazitäten für die Stromgewinnung in Gigawatt im zeitlichen Verlauf. ©Bild: DLR (CC-BY3.0)

DLR-Studie: Wege zur 100 % erneuerbaren Energieversorgung Brasiliens

(DLR) Forscher des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) haben im Auftrag von Greenpeace International untersucht, wie die Energieversorgung Brasiliens bis ins Jahr 2050 durch den Ausbau erneuerbarer Energien und Effizienzmassnahmen nachhaltig umgestaltet werden kann. Dazu zeigt die Studie Entscheidern in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft Wege und Handlungsoptionen auf.


Die Energieversorgung könnte zu einhundert Prozent auf erneuerbare Ressourcen umgestellt werden zustellen, der damit verbundenen Ausstoss von Kohlenstoffdioxid könnte auf null gesenkt werden.

Progressives und konventionelles Szenario
Für die Studie entwickelten und verglichen die Energiesystemanalytiker des DLR-Instituts für Technische Thermodynamik zwei Szenarien: Das progressive Energy [R]evolution Szenario und das konventionelle Referenzszenario. Das Energy [R]evolution Szenario ist zielorientiert. Am Ende steht ein möglichst nachhaltiges Energiesystem, das komplett auf Energie aus Kernkraft und fossilen Rohstoffen verzichtet. Im Vergleich dazu schreibt das Referenzszenario aktuelle Entwicklungen in Politik und Wirtschaft fort. Beide Szenarien gehen von einem Bevölkerungswachstum von heute 200 Millionen auf mehr als 230 Millionen Einwohner im Jahr 2050 aus. Gleichzeitig rechnen sie mit einem Wirtschaftswachstum von durchschnittlich zwei Prozent.

Energy [R]evolution Szenario
Erster zentraler Unterschied der beiden Szenarien sind ihre Annahmen zum zukünftigen Gesamtenergiebedarf, den das Energieversorgungssystem zuverlässig bereitstellen muss. „Im Referenzszenario erwarten wir bis 2050 einen Anstieg des Energiebedarfs um 43 Prozent. Im Energy [R]evolution Szenario sinkt dieser Bedarf im gleichen Zeitraum um 24 Prozent, vor allem aufgrund konsequent umgesetzter Effizienzmassnahmen“, fasst Studienleiterin Sonja Simon zusammen.

Besonders der Ausbau von Wind- und Solarenergie erfolgt im progressiven Szenario sehr dynamisch. Dieser Trend kompensiert den Verzicht auf Strom aus Kernkraft und fossilen Ressourcen, so dass am Ende des Untersuchungszeitraums Energie zu 99 Prozent aus erneuerbaren Quellen stammt. Beachtlich dabei ist, wie schnell der Stromsektor umgestellt werden kann. Ausgehend von heute 73 Prozent, vorwiegend aus Wasserkraft, wächst der Anteil trotz zunehmendem Bedarf sehr schnell: Schon für das Jahr 2020 liegt der Anteil der Erneuerbaren bei 83 Prozent, im Jahr 2030 bereits bei 92 Prozent. Auch die Sektoren Wärme und Verkehr werden bis 2050 auf erneuerbare Energien, vorwiegend auf Basis von Biomasse und erneuerbarem Strom umgestellt.

Ausbau Versorgungsnetz
Unter den installierten Kraftwerken macht Wasserkraft 2050 noch ein Drittel der Gesamtkapazität aus, Photovoltaik und Windkraft je rund ein Viertel. Biomasse und Solarthermie stellen rund sechs beziehungsweise acht Prozent der Leistung. Einen systembedingten Bedarf an elektrischen Speichern sehen die DLR-Forscher nicht. Allerdings gehen sie davon aus, dass das Versorgungsnetz ausgebaut werden muss, um die Transportkapazitäten um ein Drittel zu erhöhen. Auf diese Weise werden die vor allem im Nordosten entstehenden Windkraftanlagen mit den Verbrauchszentren im Südosten des Landes verbunden, wo mehr als die Hälfte des nationalen Bedarfs anfällt. „Der Stromtransport zwischen den brasilianischen Regionen ist im progressiven Szenario ein wichtiger Aspekt. Fast 40 Prozent des Stroms wird über mindestens eine Region transportiert, weil Bedarfs- und Erzeugungsstruktur deutlich auseinanderfallen“, bilanziert DLR-Wissenschaftler Hans Christian Gils.

Die Stromkosten sehen die Forscher bei 8.5 US-Cent pro Kilowattstunde im Jahr 2050. Durch den kompletten Verzicht auf fossile Energieträger kommt das im Energy [R]evolution Szenario beschriebene Energiesystem am Ende des Betrachtungszeitraums komplett ohne Kohlenstoffdioxidemissionen aus. Im Referenzszenario steigen die Emissionen hingegen um zehn Prozent an.

Methode und Modellierungsansatz
„Unsere Szenarien sind keine Vorhersagen, sondern Werkzeuge. Sie sollen Entscheidern einen möglichst umfassenden Überblick geben, Entwicklungswege und Alternativen aufzeigen“, erklärt Christoph Schillings, der am DLR-Institut für Technische Thermodynamik in Stuttgart die Abteilung Systemanlyse und Technikbewertung leitet. Für die Studie setzten die Wissenschaftler unter anderem das am DLR entwickelte Energiesystemmodell Remix (Renewable Energy Mix for Sustainable Electricity Supply) ein: Mit seiner Hilfe können die Forscher herausfinden, welche Kombination an Technologien zur Energieerzeugung aus erneuerbaren Ressourcen sich am besten eignet, um einen gegebenen Strombedarf – auch in den Sektoren Verkehr und Wärme – möglichst kostengünstig zu decken.

In das Modell fliessen dazu Daten zu den unterschiedlichen Technologien ebenso ein wie zu Speichersystemen, den Möglichkeiten der Lastensteuerung (demand side management), Stromtransporten und den verbleibenden konventionellen Kraftwerkskapazitäten. Zeitlich und räumlich hoch aufgelöste Daten zum länderspezifischen Klima, Wetter und den technisch-wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sowie weitere Szenariodaten kommen hinzu. Für die Anwendung des Remix-Models auf Brasilien arbeiteten die DLR-Energiewissenschaftler dafür mit dem Energy Planning Program (Coppe) der Universidade Federal do Rio de Janeiro zusammen. Zwischen Coppe und dem DLR besteht bereits seit November 2015 eine enge Kooperation mit dem Ziel, den wissenschaftlichen Austausch zwischen Energiesystemanalytikern aus Brasilien und Deutschland zu fördern.

Text: Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)

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