Die Projektkoordinatorin Katharina Aubele von der Munich School of Engineering der TUM spricht über die Vorteile dieser erneuerbaren Energieform und den noch bestehenden Forschungsbedarf. ©Bild: Andreas Heddergott/TUM

Geothermie-Allianz: Wärme aus der Tiefe für die Energiewende

(TUM) Im Erdinneren herrschen Temperaturen von mehreren tausend Grad Celsius. Die Geothermie macht sich diese Energie zunutze. Besonders in Bayern birgt die Erdwärme ein grosses Potenzial. Drei Universitäten haben nun eine Initiative der Bayerischen Staatsregierung aufgegriffen und gemeinsam die Geothermie-Allianz Bayern (GAB) gegründet. Koordiniert wird sie von der Technischen Universität München (TUM).


Im Interview spricht die Projektkoordinatorin Katharina Aubele von der Munich School of Engineering der TUM über die Vorteile dieser erneuerbaren Energieform und erklärt, in welchen Bereichen noch Forschungsbedarf besteht.

Gibt es eine einfache Definition für Geothermie?
Katharina Aubele: Der Begriff Geothermie kommt aus dem Griechischen, wörtlich übersetzt bedeutet er Erdwärme. Und das trifft es auch: Die Wärme, die im Inneren der Erde gespeichert ist. Aktuell herrschen im Erdinneren Temperaturen um die fünf- bis sechstausend Grad Celsius. Je weiter man nach aussen kommt, desto kühler wird es natürlich. Laut geothermischem Gradienten nimmt die Temperatur, ausgehend von der Erdoberfläche, im Mittel um drei Grad Celsius pro hundert Meter Tiefe zu. In der Nutzung unterscheidet man zwischen oberflächennaher und tiefer Geothermie. Die oberflächennahe Geothermie bezeichnet alles bis in die Tiefe von 400 Metern unter der Geländeoberkante. Ab da beginnt die tiefe Geothermie.

Welche Unterschiede gibt es?
Aubele: Die oberflächennahe Geothermie wird in der Regel in Einfamilienhäusern oder auch in Bürogebäuden zur lokalen Erzeugung von Warmwasser genutzt. Hier wird mit Wärmepumpen gearbeitet. Das heisst, es wird noch eine zusätzliche Energiequelle benötigt, um das relativ niedrige Temperaturniveau, das die Erdwärmekollektoren aufnehmen, auf ein Niveau zu bringen, das zum Beispiel den Warmwasserkreislauf in einem angeschlossenen Gebäude aufheizt. In der tiefen Geothermie ist es in der Regel so, dass Temperaturen erreicht werden, die direkt genutzt werden können. Bei Temperaturen von über 100 Grad Celsius reicht es auch für die Umwandlung in Strom. In der Geothermie-Allianz geht es ausschliesslich um die tiefe Geothermie.

Wie kam es zur Gründung der GAB?
Aubele: Die Geothermie-Allianz Bayern entstand als interdisziplinäres Forschungsvorhaben aufgrund einer Initiative der Bayerischen Staatsregierung. Das Konsortium besteht aus der Friedrich Alexander Universität in Nürnberg, der Universität Bayreuth und der TUM. Es gibt eine enge Zusammenarbeit mit den Anlagenbetreibern.

Warum ist die geologische Beschaffenheit in Bayern so geeignet für die Nutzung der tiefen Geothermie?
Aubele: In Bayern kommt vor allem die hydrothermale Geothermie zum Einsatz. Das bedeutet, man fördert vorhandene tiefe Grundwässer, die eine sehr hohe Temperatur aufweisen. In Bayern haben wir eine geologische Situation, die dieses Verfahren stark begünstigt. Es gibt im Untergrund Ablagerungen des süddeutschen Molassebeckens. Das Molassebecken bezeichnet das Vorlandbecken, welches vorgelagert zu dem Gebirgsgürtel der Alpen entstanden ist. Unterhalb der Ablagerungen des Molassebeckens gibt es einen tiefen Grundwasserleiter aus der Zeit des oberen Jura, Malm genannt.

Dieses Kalkgestein tendiert dazu, karstig zu verwittern, wodurch in der Regel sehr grosse Hohlräume entstehen. Das führt dazu, dass dieses Gestein eine sehr gute Wasserführung besitzt. Die Alpen drücken diese Schicht weiter nach unten. In der Tiefe ist wiederum die Temperatur höher. Das bedeutet also, in einer Tiefe von 3000 bis 5000 Metern gibt es eine grundwasserleitende Schicht. Wenn diese angebohrt und das heisse Grundwasser gefördert wird, kann man dieses direkt nutzen. Deutschlandweit gibt es 33 tiefe Geothermie-Anlagen, von denen 21 in Bayern stehen.

Wie wird diese Wärme gefördert und genutzt?
Aubele: Die hydrothermale Anlage funktioniert in der Regel über eine Dublette. Dublette deshalb, weil es zwei Bohrungen gibt. Die erste ist die sogenannte Förderbohrung, über die das heisse Grundwasser nach oben gebracht wird. In der Regel funktioniert das mit Hilfe von Tauchkreiselpumpen. Sobald das heisse Wasser an der Oberfläche ist, entscheidet sich, ob es heiss genug ist, um daraus Strom zu gewinnen. Wenn es nicht heiss genug ist, wird über Wärmetauscher Fernwärme erzeugt. Das abgekühlte Thermalwasser bringt man durch die Reinjektionsbohrung wieder ins Reservoir, sodass der Wasserhaushalt im Grundwasserleiter ausgeglichen ist. Das Thermalwasser wird an der Oberfläche in einem geschlossenen Kreislauf geführt und kommt nicht mit der Umgebung in Kontakt.

Welche Vorteile hat die Geothermie gegenüber anderen Energieformen?
Aubele: Sie kann zu den erneuerbaren Energieformen gezählt werden. Natürlich entnehmen wir der Erdkruste auf lange Zeiträume gesehen Wärme. Wenn man jetzt aber überlegt, dass die Erde 4.6 Mrd. Jahre alt ist und die Temperatur im Erdkern immer noch mehrere tausend Grad Celsius beträgt, ist das ein Auskühlungsprozess, der im grossen Massstab in unserer Lebenszeit und auch in der unserer Enkel noch keine Auswirkungen zeigen wird. Ein weiterer Vorteil der Geothermie ist, dass sie unabhängig ist von Tageszeiten oder Jahreszeiten, im Gegensatz zu Photovoltaik oder Windenergie.

Die GAB soll offene Fragen bei der Nutzung der Geothermie erforschen. Könnten Sie Beispiele für geplante Projekte nennen?
Aubele: Ein Beispiel für ein Forschungsthema ist die sogenannte Scaling-Bildung. Wir haben hier in Bayern sehr kalkhaltige Wässer. Wenn man diese aus der Tiefe an die Oberfläche fördert, kühlen sie zum einen ab und zum anderen kommt es auch zu einem Druckabfall. Das führt dazu, dass sich die im Wasser vorher gelösten Mineralien ablagern. Das sind hier im Molassebecken vor allem Kalkablagerungen, die sich dann in der ganzen Anlage breit machen. Diese sind natürlich schädlich für Dichtungen, die Steigrohre und die Pumpen. Die Entkalkung dauert lange und ist sehr kostspielig für die Anlagenbetreiber. In der GAB werden die Bildungsmechanismen der Scalings erforscht, um diese erfolgreich zu vermeiden. Vom Umweltbundesamt haben wir ausserdem vor kurzem den Zuschlag für ein Projekt erhalten, in dem untersucht werden soll, wie Strom aus Geothermie in den Strommarkt integriert werden kann.

Es ist ein Studiengang zur Geothermie geplant. Wie soll dieser genau aussehen?
Aubele: Der Studiengang Geothermie/Geoenergie wird im Rahmen der GAB eingerichtet. Er beginnt voraussichtlich im Wintersemester 2017/18. Hier übernimmt die Friedrich Alexander Universität die Koordination. Sie wird auch die meisten Lehrveranstaltungen betreuen. Der Studiengang richtet sich ganz klar an Ingenieure und Geowissenschaftler. Er soll aber zusätzlich Kompetenzen vermitteln, die speziell für die Geothermie und für die erneuerbaren Energien wichtig sind. So etwas gibt es momentan relativ selten in Deutschland. Neben den naturwissenschaftlichen und geowissenschaftlichen Disziplinen werden den Studierenden Kompetenzen in BWL, rechtliche Grundlagen im Bereich erneuerbare Energien und auch Aspekte der Bürgerbeteiligung nahegebracht.

Bürgerbeteiligung spielt auch bei der GAB eine Rolle ...
Aubele: So eine Technologie lässt sich nur etablieren, wenn man die Leute auf seiner Seite hat. Es gibt immer wieder Ängste. Die Menschen fragen sich zum Beispiel: Was passiert da im Untergrund, wird mein Grundstück absacken oder mein Haus durchbrechen? Das sind Ängste, die man ernst nehmen muss. Es kommt schliesslich auch immer wieder zu Zwischenfällen im Zusammenhang mit Geothermiebohrungen. Eine andere Angst ist etwa, ob Erdbeben ausgelöst werden. In Bayern haben wir das Glück, in einer Region zu leben, die wenig geologische Vorspannung im Untergrund aufweist. Auch gibt es Pläne, ein Monitoring Netz für den städtischen Raum aufzubauen, das dieser Sorge begegnen soll. Allgemein habe ich die Erfahrung gemacht, dass sich viele Ängste klären lassen, wenn man alles offen und ehrlich erklärt.

Text: Technische Universität München (TUM)

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1 Kommentare

Klaus Ruptich

Nun ja - das hört sich alles so toll an mit der Geothermie. Aber was immer ignoriert wird: Geothermie in unseren Regionen mit max. 150 °C Heißwassertemperatur (d.h. 140 °C nach dem Wärmeübertrager) erlaubt eine Stromerzeugung mit einem Wirkungsgrad von max. 12 - 15%, d.h. 85% der gewonnenen Wärme gehen die meiste Zeit des Jahres ungenutzt verloren.
Und wenn man jetzt noch ehrlich ist, dann muss man eingestehen, dass von dem gewonnenen Strom rund 50% (oder mehr) für die Pumpenergie und für die Rückkühlung draufgeht, d.h. der Netto-Wirkungsgrad liegt bei mageren 6-7%; 93% der Energie sind verloren.
Last not least: Mit den höchsten Subventionen aller Erzeugungsarten vergütet wird selbstverständlich der Brutto-Strom, d.h. auf den netto ins Netz gelieferten Strom sind die Subventionen doppelt so hoch.

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