Unsere Häuser bekommen integrale Energieversorgungen und werden übers Internet gemanagt. Der Wandel ist schon im Gang. ©Bild: Technikwissen.ch

Gebäudeautomation: Internet of Things steuert Gebäude

(PM) Die Energiewende steht schon länger auf dem Programm, doch jetzt macht die technische Entwicklung die nachhaltige Energieversorgung möglich. Der Markt treibt diese Dynamik an – rasch und umfassend. Haus bleibt Haus, doch zwei entscheidende Funktionen kommen hinzu: Energieerzeuger und Energieverbraucher – zunehmend auch Energiespeicher – wachsen zu einer integralen Haus- und Mobilitätsversorgung zusammen.


Elektrizität als gemeinsamer Energieträger von Heizung und Wassererwärmung, Geräten und Beleuchtung, E-Bikes und Elektroauto schafft diese Verbindung. Das zweite Merkmal: Die Vernetzung der Komponenten vollzieht sich – als Internet of Things – auch auf der Kommunikationsebene. Für Gebäude bedeutet dies die nächste Stufe der Automation. Wer diese Töne als Zukunftsmusik versteht, liegt falsch: Das Haus 2020 wird hier und heute geplant und gebaut – oft als Erneuerung eines Gebäudes.

All-electric-House
In der Konsequenz geht es um die Verbindung der beiden Fachbereiche Automation und Bautechnik zu einem All-electric-House. Dieses Ziel setzt sich der Zertifikatskurs „Elektrische Energie am Bau 2017“ der Fachhochschule Nordwestschweiz. Das Institut Energie am Bau der FHNW konnte dafür die beiden prominenten Professoren Jürg Bichsel und Urs Muntwyler gewinnen. In ihren Spezialgebieten Automation und Photovoltaik gelten sie als international anerkannte Experten (siehe Interview und Kasten).

Internet bietet Plattform
Fachleute aller Baufachdisziplinen wundern sich über die rasante Entwicklung. Denn Eigentümerschaften und Verwaltungen von Immobilien verstehen sich immer mehr als Prosumer, die Energie produzieren und konsumieren. Dabei kommt der Effizienz der eingesetzten Systeme eine weit höhere Bedeutung zu – schliesslich sind die Produktions- und Speicherkapazitäten beschränkt. Ebenso wichtig sind der Komfort und die Sicherheit in Gebäuden. Diese Ziele lassen sich mit bewährten IT-Angeboten wie Ethernet, WLAN, Cloud respektive Internet of Things sehr viel einfacher erreichen.

Der Einsatz von Elektro-Mobilität stärkt die Stellung der Elektrizität im Gebäude zusätzlich. Ganz abgesehen davon, dass sich mit einem Elektrofahrzeug die Speicherkapazität des Gesamtsystems Haus-Mobilität deutlich vergrössert. Intelligent konzipierte Bauten verfügen allerdings in der Primärstruktur (Böden und Wände), im Wärmespeicher einer Raumwärmeversorgung und im Warmwasser-Behälter sozusagen über „natürliche“ – also technisch bedingte – Kapazitäten zur Pufferung von Energie. Das Beispiel zeigt aber auch, dass die Installation von Systemen nicht genügt. Es sind darüber hinaus Informationen notwendig, um diese Speicher im Betrieb zu koordinieren. Hier kommt das Internet of Things (IoT) ins Spiel. Merke: Bei komplexen Objekten sind die IoT-Potenziale noch viel grösser. Typisch dafür sind Spitäler, Heime, Mehrfamilienhäuser und Bürobauten. Denn die Technik ist breit einsetzbar.

Mit Politik kompatibel
Der Markttrend korreliert mit der bundesrätlichen Energiestrategie 2050, den Zielsetzungen der Kantone zur Reduktion der CO2-Emissionen und den EU-Vorgaben 20-20-20. Denn die Politik will durch Steigerung der Energieeffizienz und durch verstärkte Nutzung erneuerbarer Energien den Weg in eine decarbonisierte und AKW-freie Zukunft ebnen. Die Botschaft ist angekommen: Auftraggeber und Investoren, Planende und Bauunternehmen nutzen diese neuen Chancen.

Gut gerüstet für den Wandel
Bichsel und Muntwyler sind zwei der insgesamt elf Dozenten am Zertifikatskurs „Elektrische Energie am Bau“ der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW). Es sind Experten mit starkem Praxisbezug, die an den 16 Unterrichtstagen den Stoff vermitteln. Im Zentrum stehen die Optimierung und die Vernetzung von gebäudetechnischen Funktionen unter Einbezug von Kommunikationsinstrumenten, auch und vor allem des Internets of Things. Das CAS beginnt am 21. Februar und endet Ende Mai 2017. Einer viertägigen Einstiegswoche folgen einzelne Unterichtstage, jeweils ein Tag pro Woche. Studienort ist der FHNW-Campus Olten, unmittelbar beim Bahnhof. Das Angebot ist für Baufachleute mit Hochschulabschluss besonders geeignet, also für Architekten, Gebäudetechnikingenieure und Energieplaner. Weitere Infos >>


Da führt kein Weg vorbei
Kurzinterview mit den Professoren Jürg Bichsel und Urs Muntwyler zum Stand des Internet of Things im All-electric-House

Werden unsere Häuser schon bald übers Internet gesteuert?
Urs Muntwyler: Das energieeffiziente, mit erneuerbaren Energien versorgte Haus wird seit Jahren von den kantonalen Energiedirektoren gefordert. Jetzt zieht der Markt nach. Das überrascht mich nicht. Mit dem Internet of Things wird die Umsetzung konsequenter.

Jürg Bichsel: An diesem Mega-Trend der Digitalisierung führt kein Weg vorbei. In der Umsetzung bleiben uns aber enorme Spielräume – gefragt sind Kreativität und Wissen. Die Vermittlung dieses Knowhow betrachten wir als unsere Aufgabe.

Sie erkennen auch eine energiepolitische Relevanz des vernetzten Hauses?
Bichsel: Unbedingt! Ein vernetztes Haus mit einer intelligenten Steuerung hat einen höheren Eigenversorgungsgrad. Das entlastet Versorgungsnetze und Speichersysteme. Nicht nur die Kapazitäten zur Stromerzeugung sind dezentral, auch die Intelligenz für das Management der Versorgung ist Teil des einzelnen Hauses.

Muntwyler: Erweitern Sie die Systemgrenze! E-Bikes und Elektroauto werden auch künftig für unsere Alltagsmobilität unverzichtbar sein. Der elektrische „Schlitten“ passt haargenau ins All-electric-House.

Text: Technikwissen.ch

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