Knapp ein Viertel des 1400 m2 grossen Solardachs auf der Lintharena sind PVT-Module, die Strom und Warmwasser erzeugen (auf der linken Bildseite das hintere Kollektorfeld). ©Foto: Riget AG

Jürg Rohrer, Professor an der ZHAW in Wädenswil, vor dem braun gestrichenen Grundwassertank, in dem das Grundwasser mit der Wärme aus den PVT-Kollektoren erwärmt wird, bevor das erwärmte Wasser den Wärmepumpen zugeführt wird. ©Foto: B. Vogel

Funktionsschema der Solaranlage auf dem Dach der Lintharena sgu: Der Strom aus den PV-Modulen (Mitte oben) wird ins Netz eingespeist. Die PVT-Kollektoren (links oben) produzieren Strom und Wärme. ©Illustration: ZHAW Wädenswil

Der Wärmetauscher (blau) nimmt die Wärme aus dem Solar-Kreislauf auf und führt sie dem Grundwasser zu, das im Grundwassertank (braun) gespeichert ist. ©Foto: B. Vogel

Aufzeichnung des Verlaufes der thermischen und der elektrischen Leistung über einen Tag. Die Schwankungen der thermischen Leistung stammen von unterschiedlichen Vorlauftemperaturen, verursacht durch den Betrieb der Wärmepumpen. Grafik: ZHAW Wädenswil

Der Vergleich der DC-Leistungen zwischen einem PV- und einem PVT-Strang mit gleicher Anzahl Module und somit gleicher elektrischer Nennleistung zeigt im Tagesverlauf eines schönen Tages im August. Grafik: ZHAW Wädenswil

Vergleich der Temperaturen im Tagesverlauf eines schönen Tages im August zeigt, dass sich die PV-Module im Maximum bis auf knapp 60 °C aufheizen. Die PVT-Module hingegen erreichen eine Maximaltemperatur von rund 35 °C. Grafik: ZHAW Wädenswil

Schematische Darstellung der Funktionsweise von PVT-Kollektoren. Dabei handelt es sich um die Standard-Anwendung von PVT-Kollektoren nach dem 2Sol-Konzept von Meyer Burger, nicht um das Konzept der Lindtarena sgu. Illustration: Meyer Burger

Das auf der Lintharena sgu verbaute Hybridmodul des Technologieunternehmens Meyer Burger aus Schweizer Produktion hat eine elektrische Nennleistung von 270 Wp und eine thermische Nennleistung von 900 W. ©Foto: Meyer Burger

P+D-Projekt: Messkampagne des PVT-Solardachs der Lintharena

(©BV) Hybridmodule (PVT-Module), die Strom und Wärme produzieren, versprechen eine besonders hohe Energieausbeute. Trotz vielfacher Anstrengungen werden sie bisher erst für Spezialanwendungen genutzt. Ein Solardach in Näfels erprobt die Technologie nun in einem neuen Setting. Das Konzept eignet sich für Verbraucher mit einem grossen Warmwasserbedarf auch im Sommer.


Das Glarnerland ist ein Gebirgskanton. Wer von Ziegelbrücke in Richtung Kantonshauptort Glarus fährt, wird auf beiden Talseiten von stolzen Bergkämmen begleitet. Zwar mag hier im Talboden die Sonne etwas später auf- und etwas früher untergehen. Dafür gibt es weniger Nebel als mancherorts im Schweizer Mittelland. So hat auch hier die Nutzung der Sonnenenergie ihre Chance. Der Verein Energieallianz Linth hat sich entschieden, diese Chance zu nutzen. Der Verein will die Eigenversorgung der Region mit erneuerbarer Energie erhöhen. Auf seine Initiative und mit finanzieller Unterstützung von BFE, Kanton Glarus, Service 7000, Meyer Burger, glarnerSach und Glarner Kantonalbank ging im März 2015 auf dem Dach der Lintharena – einem Sport-, Hotel- und Freizeitkomplex am Rande von Näfels – eine grosse Solaranlage in Betrieb. 880 Solarmodule mit einer Fläche von 1400 m2 und einer Spitzenleistung von 237 kWp erzeugen pro Jahr rund 225’000 kWh Strom, genug, um den Strombedarf von 75 energieeffizienten Haushalten zu decken.

165’000 kWh Energie in Form von Warmwasser
Dies allein wäre allerdings noch nicht Grund genug, um aus der Anlage ein Pilot- und Demonstrationsprojekt des Bundesamts für Energie zu machen. Diese Auszeichnung erhielt die Anlage deshalb, weil sie mit einem neuartigen Solarkonzept neben Strom auch Warmwasser bereitstellt: Knapp ein Viertel der Module (178 Stück mit 285 m2 Fläche) sind nämlich hybride PVT-Module, die Strom und Warmwasser erzeugen. So liefert die Anlage bei einer thermischen Leistung von 160 kW im Jahr auch noch ca. 165’000 kWh Energie in Form von Warmwasser.

Dieses wird in der Lintharena ganzjährig für Duschen, Hotellerie, Hallenbad und weitere Zwecke genutzt. Grundsätzlich hätte das gesamte Solardach mit PVT-Modulen bestückt werden können. Doch sie wurden nur für eine Teilfläche herangezogen, um die Warmwasserproduktion auf den tatsächlichen Bedarf abzustimmen – und um die Mehrkosten durch die PVT-Kollektoren zu beschränken.

Neues PVT-Konzept mit Grundwassernutzung
An PVT-Modulen wird seit Jahrzehnten gearbeitet. Sie haben sich am Markt bisher nicht breit durchgesetzt, vor allem weil sie noch vor den Preissenkungen für PV-Module und vorwiegend für die thermische Produktion entwickelt wurden, ohne die Stromproduktion gleichzeitig zu erhöhen (durch Modulkühlung). Erprobt ist der Einsatz von PVT-Modulen bisher in Systemen, die Solarwärme zur Regeneration von Erdwärmesonden-Feldern nutzen. Hier wird die Solarwärme über den Sommer in tieferen Erdschichten gespeichert, wo sie in den Wintermonaten dann mittels Wärmepumpe abgerufen wird (vgl. dazu das BFE-Leuchtturmprojekt im Reka-Feriendorf Blatten (VS), beschrieben im Fachartikel 'Von der Sonne doppelt verwöhnt', verfügbar unter www.bfe.admin.ch/ct/solar). Das PVT-Projekt in Näfels geht einen neuen, in der Schweiz bisher einzigartigen Weg: Das von den Hybridkollektoren gewonnene Warmwasser wird nicht saisonal eingelagert, sondern direkt für die Deckung des Warmwasserbedarfs der Lintharena genutzt (vgl. Textbox 1).

Unmittelbaren Verbrauch der Wärme
Die PVT-Anlage in Näfels ist somit für den unmittelbaren Verbrauch der Wärme konzipiert. Das System ist zugeschnitten auf Einrichtungen, die im Sommer einen nennenswerten Warmwasserbedarf haben. „Ich bin persönlich überzeugt, dass PVT-Module für ausgewählte Anwendungen wie Sport- und Freizeitanlagen sowie Hotels oder in Verbindung mit Erdwärmesonden bei grösseren Mehrfamilienhäusern bzw. Gewerbebauten eine sinnvolle Lösung sind. Für Einfamilienhäuser entwickeln wir zusammen mit Meyer Burger derzeit eine Lösung als Alternative zu Luft-Wasser-Wärmepumpen. Wir haben das Glarner Projekt gezielt mit prominenter Beteiligung öffentlicher Akteure aus der Region realisiert, um nicht nur heimische Energie zu nutzen, sondern auch die Wertschöpfung in der Region zu halten“, sagt Jürg Rohrer, Präsident der Energieallianz Linth und Professor für Ecological Engineering an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) in Wädenswil.

Bisher rund 5% mehr Strom dank PVT
Die Erfahrungen aus dem ersten Betriebsjahr haben Jürg Rohrer in seiner positiven Einschätzung der Hybridtechnologie bestärkt: „Die Installation der PVT-Kollektoren durch die Solarteure verlief problemlos und konnte durch die selbe Firma vorgenommen werden, die die PV-Module aufstellte. Die Hybridkollektoren sind technisch ausgereift und arbeiten tadellos. Die bisherigen Auswertungen bestätigen, dass PVT-Kollektoren dank der Kühlung durch das Thermofluid mehr Strom erzeugen als PV-Module. Nach bisherigen Messungen beträgt der Mehrertrag rund 5%, was genau unserer Simulation für ein typisches Klima-Jahr entspricht. Mit einer Optimierung der Anlagensteuerung hoffen wir diesen Betrag noch um 3 bis 4 Prozentpunkte erhöhen zu können.“ Der Mehrertrag wirkt sich günstig auf die Wirtschaftlichkeit der PVT-Kollektoren aus. Die PVT-Module waren im Fall der Lintharena etwa doppelt so teuer wie die auf dem Dach ebenfalls verbauten PV-Module. Dank der Vorerwärmung des Grundwassers kann bei den Wärmepumpen zudem pro Jahr ca. 25'000 kWh Strom eingespart werden. Dieser Effekt ist bei der Demo-Anlage wesentlich grösser als der Mehrertrag der PVT-Module durch Kühlung. Ob die PVT-Kollektoren den PV-Modulen auf lange Sicht in einer wirtschaftlichen Betrachtung ebenbürtig sind, soll die vom BFE unterstützte Messkampagne in den kommenden Jahren zeigen.

Zum Beispiel auch für Freibäder
Nach Auskunft von Jürg Rohrer gibt es gerade aus dem Kreis der Schweizer Gemeinden immer wieder Anfragen für die Nutzung der PVT-Technologie. So haben die Hybridtechnologie-Experten der ZHAW Wädenswil beispielsweise mehrere Projekte durchgerechnet, die PVT-Wärme für die Beheizung ihrer Freibäder vor und nach der Badesaison oder sogar im Winter nutzen wollten. Die Studien zeigten allerdings, dass die Wärmeproduktion für einen Ganzjahresbetrieb nicht ausreicht und die Verlängerung der Badesaison unbedingt durch eine nächtliche Abdeckung der Schwimmbecken ergänzt werden muss. Gemeinden bleiben für Jürg Rohrer eine wichtige Zielgruppe für die Kombination von PVT-Kollektoren und Grundwassernutzung: „Ob der Einsatz sinnvoll ist, muss die Prüfung des jeweiligen Einzelfalls zeigen.“


Das Geheimnis der optimalen Steuerung

PVT-Module sind PV-Module, die auf der Rückseite mit einem Absorber bestückt sind. Dieser wird von einem Thermofluid durchströmt, der die Wärme aus dem Kollektor abführt. An einem heissen Sommernachmittag erreicht ein PV-Modul auf dem Dach der Lintharena sgu eine Temperatur von typischerweise 54 °C. Das PVT-Modul ist zur gleichen Zeit nur etwa 35 °C warm, weil ein Teil der Wärme durch das Thermofluid abgeführt wird. Diese Kühlung ist dafür verantwortlich, dass PVT-Module eine höhere Stromausbeute vorweisen als PV-Module, deren Leistung bei steigender Modultemperatur abnimmt. Der Ertrag der PVT-Module soll im Projekt in Zukunft noch verbessert werden.

Auf der Lintharena in Näfels kommen unabgedeckte Hybridmodule der Firma Meyer Burger aus Schweizer Produktion zum Einsatz. Sie erzeugen Niedrigtemperaturwärme mit hohen Erträgen. Mit steigender Temperatur des produzierten Warmwassers nehmen die thermischen (und elektrischen) Erträge ab. Vor diesem Hintergrund wird in Näfels auf die direkte Nutzung für die Warmwasserproduktion verzichtet. Vielmehr wird die Wärme über einen Wärmetauscher zur Erwärmung von Grundwasser genutzt, das anschliessend in zwei Wärmepumpen zur Herstellung des Warmwassers für die Lintharena verwendet wird. So lassen sich hohe thermische Erträge erzielen.

Drei Kreisläufe
Die PVT-Anlage verfügt über drei Kreisläufe: erstens den Thermofluid-Kreislauf der Solarkollektoren, zweitens den Grundwasserkreislauf der Wärmepumpen, und drittens den Warmwasserkreislauf. In den ersten Betriebsmonaten liefen die Wärmepumpen wie üblich bedarfsgesteuert: Sie gingen dann in Betrieb, wenn die Tanks des Warmwasserkreislaufs leer waren; damit wurde ein möglichst kontinuierlicher Betrieb der Wärmepumpen erreicht. Diese Betriebsart ist aus Sicht der PVT-Anlage suboptimal; die Betreiber der PVT-Anlage sind nämlich daran interessiert, dass möglichst viel Wärme aus den PVT-Kollektoren abtransportiert wird, was dann möglich ist, wenn der Zulauf im Thermofluid-Kreislauf möglichst kühl ist. Je höher die Zulauftemperatur des Thermofluid-Kreislauf ist, desto schlechter können die PVT-Module heruntergekühlt werden, was die Effizienz bei der Stromerzeugung vermindert. Um dies zu vermindern, muss die Wärmepumpe dann anspringen, wenn die Kollektoren viel Wärme erzeugen.

„Wir wollen die Wärmepumpe in Betrieb nehmen, wenn das Wasser im Grundwasserspeicher einen Wert von 25 °C erreicht“, skizziert Rohrer das neue Betriebskonzept, das im Zuge der auf fünf Jahre angelegten Mess- und Testperiode evaluiert werden soll. Der Spielraum für Korrekturen ist allerdings eingeschränkt. Das Grundwasser ist nämlich wärmer als bei der Planung der Anlage angenommen: 10 bis 12 °C statt 5 bis 13 °C. Davon profitieren zwar die Wärmepumpen, da die höhere Zulauftemperatur die in der Jahreszahl ausgedrückte Effizienz verbessert. Allerdings wird es damit schwieriger, die PVT-Module so zu kühlen, dass sie ihre Vorzüge bei der Stromproduktion voll ausspielen können. BV


©Text: Benedikt Vogel, im Auftrag des Bundesamts für Energie (BFE)

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