Projektleiter Ralf Grand im Zulaufrohr. Hier fliesst das Wasser zur Turbine. ©Bild: KWO

Die Peltonturbine in Innertkirchen wiegt elf Tonnen und hat eine Leistung von 150 Megawatt. ©Bild: KWO

Bauleiter Ralf Grand vor dem Beruhigungsbecken. Die Ausmasse der Baustelle beeindrucken auch ihn. ©Bild: KWO

Der Räterichsbodensee wurde während vier Monaten entleert, damit alle Anschlüsse zwischen dem neuen und alten System gemacht werden konnten. ©Bild: KWO

Überblick über die zwei neuen Kraftwerke. ©Grafik: KWO

5.5 Kilometer Tunnel für die Logistik entstanden zwischen Handeck und Räterichsbodensee. ©Bild: KWO

Kraftwerke Oberhasli KWO: Grossprojekt Tandem am Netz

(PM) 19 km Stollen, 280 MW mehr Leistung, dazu das grösste Beruhigungsbecken der Schweiz. Nach fünf Jahren Bauzeit ist das 305 Mio. Fr. Ausbauprojekt Tandem der Kraftwerke Oberhasli fertig. Insgesamt beträgt die zusätzliche Energie aus dem Ausbau 90 Mio. kWh pro Jahr. Am Samstag, den 3. September findet ein Publikumstag statt, die einen Einblick in die neuen Kraftwerksanlagen ermöglichen.


«Verrückt», nennt Chefbauleiter Ralf Grand die kurze Bauzeit. Am Anfang steht ein Problem. Für das Beruhigungsbecken mit 20'000 Kubikmetern Volumen sollen Spundwänd ein den Boden gerammt werden. Diese bis zu zwölf Meter langen Metallplattenverhindern das Eindringen von Wasser in die Baugrube. Doch sie lassen sich nichtversenken. «Nach zwei Wochen, in denen die Spundwände nicht in den Bodenwollten, stand das ganze Projekt infrage», sagt Ralf Grand. Er ist Bauleiter des Kraftwerkausbaus «KWO plus». Grand ist damit Chef einer riesigen, höchst komplexen Baustelle.

305 Millionen Franken investierte die KWO in das Projekt. Es entstand ein zweiter Triebwasserstollen zwischen dem Räterichsboden Stausee und Innertkirchen. Dadurch fliesst das Wasser langsamer. Das bringt 40 Megawatt mehr Leistung. Dazu kommen zwei neue Turbinen in den Kraftwerken Innertkirchen und Handeck. Diese schaffen zusammen 240 Megawatt Leistung. Insgesamt beträgt die zusätzliche Energie aus dem Ausbau 90 Gigawattstunden pro Jahr. Damit können rund 45‘000 Personen in der Schweiz versorgt werden.

Ein Erdbohrer als Retter
Mit dem Beruhigungsbecken soll künftig das Wasser aus den Kraftwerken umweltschonender in die Aare geleitet werden. Es ist das erste seiner Art in der Schweiz. Doch das Problem mit den Spundwänden bringt das Bauprojekt in Gefahr. Zum Glück ist ein Erdbohrer verfügbar. Mit ihm werden Löcher vorgebohrt und mit Sand gefüllt. Darin lassen sich die Wände schliesslich doch noch versenken. Drei Monate länger als geplant dauert der Vorgang. Doch der Unternehmer holt die Zeitwieder auf. Arbeitet parallel an mehreren Ebenen des Beruhigungsbeckens. Der Kraftwerksausbau nimmt Fahrt auf. Neue Stollen entstehen mit einer Tunnelbohrmaschine und Sprengungen.

Den Gau im Hinterkopf
«Das ist die interessanteste Arbeitsphase», sagt Chefbauleiter Ralf Grand. «Vor der Pike ist es dunkel. Man weiss nicht, was vor einem liegt». Das Wichtigste dabei sei eine gute Vorbereitung –und dass jeder mitdenkt. Ralf Grand und sein Team bereiten sich auf jede mögliche Komplikation vor. Denn parallel zur laufenden Kraftwerksanlage sprengen sie Löcher in den Berg. «Jede Sprengung ist ein künstliches Erdbeben», sagt Grand. Dabei ist man teilweise nur wenige Meter von wassergefüllten bestehenden Stollenentfernt.

Zwischen der Handeck und dem Räterichsbodensee entsteht der neue Druckwasserstollen im Sprengvortrieb –teilweise in mühsamer Handarbeit. Im Talboden arbeitet die Tunnelbohrmaschine zwischen Innertkirchen und dem Wasserschloss Kapf. Das Zwischenstückzwischen Handeck und Kapf des neuen Stollensystems existiert bereits. Es entstand in den Jahren 2002 bis 2007. Am Ende misst der neue Triebwasser stollen insgesamt 19 Kilometer. Zudemwurden rund 5,5 Kilometer Tunnel für die Logistik, vor allem zwischen Handeck und dem Räterichsbodensee, in den Berg gesprengt. Die Mineure tauften den Tunnel auf den Namen «LiselotteStollen», zu Ehren der Tunnelpatin, der ehemaligen Wirtin vom Gasthaus Bärenin Guttannen.

Die Spannung steigt
Für den Zusammenschluss des alten und neuen Stollensystems entleert die KWO im November 2014 den Räterichsbodensee. Kein Wasser fliesst mehr durch die Kraftwerksanlagen. Vier Monate haben die Bauarbeiter nun für die Verbindungen Zeit. Vorsichtig, Meter für Meterarbeiten sie sich durch den Fels vor. Der Zeitplan ist tagesscharf vorgegeben. «Das war die intensivste und herausforderndste Zeit», sagt Ralf Grand. Wenn das Wasser Ende Februar 2015 wieder in den alten Stollen dringt, müssen die Anschlüsse stehen und fest verschlossen sein, um den Rest des neuen Kraftwerks zu bauen. Täglich werden die Vortriebe überprüft. Doch an der Handeck kommtes plötzlich zum Malheur. Beim Zusammenschluss der beiden Druckleitungen wird eine Delle in das bestehende Panzerrohr gesprengt. Der Zeitplan steht auf der Kippe. Nun macht sich die gute Vorbereitung bezahlt. «Wir haben extra mehr Rohre bestellt, weil wir wussten, dass wir im Fall eines Schadens nicht lange auf ein neues Panzerrohr warten können», sagt Grand.

Der Schaden kann behoben werden. Weitere Komplikationen bleiben aus. Dazu kommt den Bauarbeitern der milde Winter entgegen. Nur eine Woche müssen sie ihre Arbeiten unterbrechen. Am Ende sind Ralf Grand und sein Team zwei Tage früher fertig als vorgesehen. Das Wasser fliesst wieder durch das bestehende Kraftwerk. Und das neue wird nun installiert.

Ein Hochhaus im Fels
Es ist dunkel, feucht und stickig. Etwa fünf Meter hoch ist der Tunnel, durch den man zur neuen Kraftwerkskaverne Handeck fährt. Hier durch zwängten sich auch die Schwertransporter mit den Kraftwerksteilen – allen voran der Generator, der zwar in Einzelteilen kommt, am Ende aber mehrere Hundert Tonnen wiegt. Durch eine Tür betrittman die hell erleuchtete Halle. Sieben Stockwerke hoch. 125 Meter unter dem Fels. Unscheinbar leuchtet in rot die Generatorabdeckung. Darunter hängt der Rotor und das Pelton-Turbinenrad. Hier schiesst das Wasser mit 46 bar auf die Schaufeln und treibt die Turbine an. Aus einem Wasserhahn kommen im Schnitt drei bar.

«Wenn der neue Stollen sich das erste Mal füllt und das ganze System ächzt und knackt, wird man sich der Kräfte des Wassers bewusst, und man begreift, was 46 bar Druck bedeuten», sagt Ralf Grand. «Wenn das Ganze dann noch dicht ist, hat man die Bestätigung, dass alles funktioniert, was man über Jahre geplant und gebaut hat.»

«Verrückte» Bauzeit
Sechs Jahre dauerte die Planung, drei Jahre nur die Bauzeit der neuen Kraftwerke. «Es ist verrückt, in welcher kurzen Zeit wir das Projekt umgesetzt haben», findet Grand. Zwei neue Kraftwerke sind entstanden. Viele Kilometer Stollen. Dazu das Beruhigungsbecken und der Unterwasserstollen. 80'000 Kubikmeter Wasser können in beiden zurückghalten werden, bevor es kontrolliert in die Aare abfliesst. Auf dem mit blauem Gletscherwasser gefüllten Becken glitzert die Sonne. Kaum vorstellbar, dass hier vor drei Jahren das gesamte Projekt vordem Aus stand. Bauleiter Ralf Grand betrachtet das Werk. «Sieht doch schön aus, oder?», sagt er und lächelt.

Text: Kraftwerke Oberhasli (KWO)

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