DLR-Wissenschaftler wollen das Absorber-Flüssigsalz durch Keramikpartikel ersetzen, die sich bis auf 1000 Grad Celsius aufheizen lassen und die Wärme länger speichern können. ©Bild: DLR

Qualifizierung von Solarnalgen per Quadrocopter. Die "Qualifizierung von Solarkraftwerken" war am 6. Juli 2016 das Schwerpunktthema des 19. Sonnenkolloquiums des DLR in Köln. ©Bild: DLR

Die Firma Frenell aus Karlsruhe hat ein Kraftwerk entwickelt, das an guten Standorten Strom für umgerechnet 4.5 bis sechs Eurocent pro Kilowattstunde liefern soll. ©Bild: Frenell

Solarthermische Kraftwerke: Backups für die Erneuerbaren

(©SR) Um den Ausbau erneuerbarer Energien zu ermöglichen, setzen immer mehr Staaten auf solarthermische Kraftwerke als grundlastfähige Begleiter für Photovoltaik und Wind. Denn die Technik verspricht niedrigere Kosten als Kohle. Experten sehen erhebliches Entwicklungspotenzial der Technologie, die Forschung hilft tatkräftig mit.


Der weltweit grösste Kohleproduzent, der chinesische Staatskonzern China Shenhua Energy, schwenkt zur Sonne. Das Unternehmen, das mit Kohlelieferungen im Jahr 2015 einen Umsatz von umgerechnet rund 24 Milliarden Euro erzielt hat, will in den kommenden Jahren solarthermische Kraftwerke mit einer Gesamtleistung von 1000 Megawatt in China bauen. Zu diesem Zweck hat Shenhua kürzlich eine Grundsatzvereinbarung mit dem US-Spezialisten Solarreserve getroffen, der die Blöcke mit jeweils rund 100 Megawatt Leistung errichten soll. „Wir wollen ein weltweit führendes Unternehmen bei sauberen Energien werden“, sagte Shenhua-Chef Ling Wen bei der Unterzeichnung des Memorandums im Mai.

Sauber Lösung um Schwankungen auszugleichen
Dass der Kohlekonzern auf die konkurrierende Solarthermie setzt, hat einen guten Grund. Um seinen internationalen Klimaschutzverpflichtungen nachzukommen und seine immensen Kohlendioxid-Emissionen zu verringern, plant China den massiven Ausbau von Photovoltaik und Windenergie. Doch die schwankende Erneuerbaren-Einspeisung lässt Probleme erwarten. Woher kommt der Strom, wenn Solarzellen und Windturbinen witterungsbedingt ausfallen und die Kohle zurückgefahren wird? Sonnenwärmekraftwerke bieten eine saubere Lösung: Sonnenlicht erhitzt einen Wärmeträger, je nach Technik wird über einen Wärmetauscher oder direkt Dampf erzeugt, der wiederum eine Turbine antreibt. Speicher können die tagsüber erzeugte Wärme aufnehmen, um diese nach Sonnenuntergang zur Stromproduktion zu nutzen. So können grundlastfähige solarthermische Kraftwerke anstelle von fossilen Kraftwerken zum Beispiel Lastspitzen am Abend decken.

Klare Aufwärtsbewegung
Nicht nur Shenhua will die Solarthermie deshalb im grossen Stil nutzen. Die chinesische Staatsregierung plant, bis 2020 eine solarthermische Leistung von insgesamt 10000 Megawatt im Land zu errichten. Verschiedene Kraftwerksvarianten und Anbieter für eine 1000-Megawatt-Pilotprojektrunde werden derzeit sondiert. Kohleriese Indien will bis 2022 sogar eine Solarleistung von 100000 Megawatt installieren, kombiniert aus Photovoltaik- und solarthermischen Kraftwerken. Daneben spielt die Solarthermie nach Angaben der internationalen Organisation Solarpaces auch in der Energiestrategie Chiles, Südafrikas, der Staaten Nordafrikas und des Nahen Osten (Mena-Staaten) sowie der USA eine zentrale Rolle. Das Land betreibt bereits Sonnenwärme-Kraftwerke mit einer Gesamtleistung von 1743 Megawatt, weitere 1650 Megawatt sind laut Solarpaces in Planung. Trotz des Scheiterns der Pläne der Desertec-Industrieinitiative Dii vor zwei Jahren, die 35000 Megawatt solarthermische Gesamtleistung in der Mena-Region vorsahen und das weltweite Initial für die Solarthermie markieren sollten, schreitet damit der Ausbau der Technik voran. „Es gibt eine klare Aufwärtsbewegung, es wird einiges gebaut“, sagt Lars Amsbeck vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR).

Erst am Anfang der Lernkurve
Voraussetzung für den dauerhaften Durchbruch der Kraftwerke ist allerdings, dass solarthermisch erzeugter Strom noch günstiger wird. Dieser kostet nach Branchenangaben je nach eingesetzter Technik, Standort und Sonnenintensität aktuell zwischen zehn und 16 Eurocent pro Kilowattstunde und ist damit noch teurer als Kohlestrom, der je nach Land auf acht bis zehn Cent taxiert wird. Ein Grund für die hohen solarthermischen Erzeugungskosten ist, dass erst relativ wenige, kleine Blöcke mit einer durchschnittlichen Leistung von jeweils 50 Megawatt realisiert wurden. Ausserdem kommen bisher meist sogenannte Parabolrinnen-Kraftwerke zum Einsatz, deren Effizienz begrenzt ist. Denn ihre Absorberrohre, die das durch gekrümmte Spiegel gebündelte Sonnenlicht einfangen, enthalten als Wärmeträger Thermoöl, das sich durch die konzentrierte Sonnenstrahlung nur auf maximal 400 Grad Celsius erhitzt – zu wenig, um einen hocheffizienten Kraftwerksprozess mit geringen Erzeugungskosten zu ermöglichen.

Doch Experten sehen noch erhebliches Entwicklungspotenzial. Zum einen könnten künftig grössere, leistungsstärkere Blöcke günstigeren Strom liefern, zum zweiten liessen sich neue Wärmeträger wie Salzschmelze verwenden, die mehr Sonnenwärme aufnehmen und somit effizientere Prozesse ermöglichen, und zum dritten könnten neuere solarthermische Kraftwerkstechniken die bisherigen Parabolrinnen-Kraftwerke ersetzen. So hat die Firma Frenell aus Karlsruhe ein Kraftwerk entwickelt, das an guten Standorten Strom für umgerechnet 4.5 bis sechs Eurocent pro Kilowattstunde liefern soll. Denn zur Bündelung der Solarstrahlen verwendet Frenell keine gekrümmten Parabolspiegel, sondern einfache flache Spiegel. Diese seien in der Herstellung um 30 Prozent günstiger, erfüllten aber die gleiche Funktion wie die Parabolrinnen, indem sie ebenfalls dem Verlauf der Sonne folgten, sagt Geschäftsführer Martin Selig. Ausserdem spart sich die Firma das Thermoöl und führt stattdessen Flüssigsalz als Wärmeträger durch das Solarfeld. Dieses biete zwei wesentliche Vorteile: Es ermögliche höhere Temperaturen von 550 Grad Celsius und damit einen um bis zu 30 Prozent höheren Turbinenwirkungsgrad. Und es lasse sich in Zeiten geringen Strombedarfs leicht in speziellen Tanks speichern, sodass rund um die Uhr Wärmeenergie zur Stromproduktion zur Verfügung gestellt werden könne.

Hoffen auf chinesischen Markt
Bisher habe Frenell noch kein Kraftwerk verkauft, ist aber zuversichtlich, dass dies in absehbarer Zeit gelingt. „Wir sind im Prozess und führen Gespräche“, sagt Selig. Er hofft vor allem auf China, wo im Rahmen der Pilotrunde 300 Megawatt solarthermische Kraftwerksleistung in Form der sogenannten Fresnel-Technik realisiert werden soll, wie sie das Karlsruher Unternehmen anbietet. „Hierfür wollen wir uns qualifizieren“, sagt Selig. Allerdings muss sich Frenell gegen starke internationale Konkurrenz behaupten. Selbst bei den klassischen Parabolrinnen-Kraftwerken gibt es noch Hebel für Kostensenkungen. So zielt der saudi-arabische Kraftwerksbauer Acwa Power mit seinem Sonnenwärme-Kraftwerk Noor in Marokko auf Skaleneffekte durch schiere Grösse. Es wird bis 2017 in drei Schritten realisiert – die beiden ersten als Parabolrinne, der dritte als neuartiger Solarturm – und soll im Endausbau auf eine Gesamtleistung von 580 Megawatt kommen. Die Anlage Noor 1, die im Februar ans Netz ging, soll Strom für zwölf Cent liefern, für die für 2017 geplanten Teile Noor 2 und Noor 3 sind schon 15 bis 20 Prozent niedrigere Kosten avisiert.

Einfachere Kraftwerksprozesse
Innovationen zielen bei den Parabolrinnen in erster Linie auf den Wärmeträger und einfachere Kraftwerksverfahren. So plant das DLR gemeinsam mit Partnern aus Deutschland in Portugal eine Versuchsanlage mit einer thermischen Leistung von 1.8 Megawatt, in der statt Thermoöl Flüssigsalz verwendet werden soll. Dieses ermögliche höhere Temperaturen und dementsprechend verbesserte Wirkungsgrade bei der Energieumwandlung, könne zweieinhalb Mal mehr Energie aufnehmen als Öl und lasse sich zudem leicht speichern, sagt DLR-Experte Klaus Hennecke. Bereits jetzt wird in den Wärmespeichern solarthermischer Kraftwerke Flüssigsalz als Speichermedium verwendet. Das Be- und Entladen erfolgt über einen Wärmetauscher, dieser kann entfallen, wenn Salzschmelze auch im Kollektorfeld als Wärmeträgermedium verwendet und unmittelbar in die Tanks gepumpt wird. Denn sie speichert die Energie aus dem Solarfeld direkt und wird unmittelbar in Tanks gepumpt, von wo aus die Sonnenwärme an den Turbinenkreislauf abgegeben wird. Durch das höhere Temperaturniveau kann dann in demselben Volumen zweieinhalb mehr Energie gespeichert werden als heute. „Das Verfahren ermöglicht Kostensenkungen von 25 Prozent“, sagt Hennecke. Um die Solarenergie künftig noch effizienter nutzen zu können, betreibt das DLR in Köln zudem eine Salzspeichertestanlage, die als Plattform zur Untersuchung neuer Speicherkonzepte und Flüssigsalzkomponenten gedacht ist (siehe ee-news.ch vom 14.7.16 >>). Die Wissenschaftler entwickeln dort unter anderem Salze mit einem geringeren Schmelzpunkt, um Einfrierungen in den salzführenden Systemen der Kraftwerke zu vermeiden und thermische Verluste zu reduzieren.

Turmkraftwerk kombiniert mit Photovoltaik
Auch Turmkraftwerke versprechen günstigeren Solarstrom. Bei dieser Technik wird Solarenergie nicht auf ein Absorberrohr in der Brennlinie von Parabolrinnen gebündelt, sondern auf einen Receiver in der Spitze eines mehr als hundert Meter hohen Turms. So sollen sich langfristig Temperaturen von bis zu 1000 Grad Celsius und noch höhere Kraftwerkseffizienzen erreichen lassen. Zu den ersten Projekten dieser Art zählt das chilenische Projekt Atacama, im Rahmen dessen der spanische Konzern Abengoa Solar einen Solarturm mit einer Leistung von 110 Megawatt und einem 14-Stunden-Speicher realisiert. Das Besondere bei diesem Projekt: Die Solarthermie wird mit einer 100-Megawatt-Photovoltaikanlage kombiniert, um Solarstrom jeweils zum günstigsten Preis anbieten zu können: Tagsüber liefert die Photovoltaik den günstigsten Strom, bei höherer Nachfrage und während der Abend- und Nachtstunden kann der regelbare Strom aus dem solarthermischen Kraftwerk eingespeist werden. Die Kilowattstunde wird bei Atacama mit umgerechnet elf Eurocent je Kilowattstunde vergütet. Auch Kohlekonzern Shenhua und Kraftwerksbauer Solarreserve haben die Turmtechnik für ihre Projekte in China ins Auge gefasst.

Keramikpartikel als Absorber
Um die Türme weiter zu verbessern, arbeiten die Wissenschaftler unter anderem an der Optimierung der Receiver, die die Sonnenstrahlen einfangen. Bisher kommt darin ein Salzfluid als Absorber zum Einsatz, das zwar auf fast 600 Grad Celsius erhitzt werden kann und damit höhere Temperaturen erreicht als Öl, die Forscher aber noch nicht zufrieden stellt. DLR-Wissenschaftler wollen das Flüssigsalz deshalb durch Keramikpartikel ersetzen, die sich bis auf 1000 Grad Celsius aufheizen lassen und die Wärme länger speichern können. Erste Tests im DLR-Technikum seien bereits viel versprechend gelaufen, sagt DLR-Experte Amsbeck. „Wir gehen davon aus, dass das Partikelsystem die Gesamtkosten eines Kraftwerks um bis zu 20 Prozent reduzieren kann.“

Forschungsprojekte wie dieses zeigen: Das technische Potenzial der Solarthermie ist immens, Verbesserungen bei Wärmeträger, Speicher und Receiver ermöglichen auf hohe Kosteneinsparungen im zweistelligen Bereich. Die Kohle dürfte in den Sonnenstaaten der Erde Konkurrenz bekommen.

©Text: Sascha Rentzing

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