Die Gefährdung ist noch höher, als nach Fukushima angenommen. Die Taktik der Betreiber, kostspielige aber sicherheitsrelevante Nachrüstungen möglichst bis zur Stilllegung aufzuschieben, finde eine erfolgreiche Fortsetzung. ©Grafik: SES

AKW-Erbebengefährdung: Gefährdung liegt noch höher als nach Fukushima angenommen

(ee-news.ch) Die Schweizer Atomkraftwerke sind stärker durch Erdbeben gefährdet als nach Fukushima behauptet. Trotz dieser Erkenntnis kommt die Atomaufsichtsbehörde ENSI den AKW-Betreibern entgegen, so dass diese Nachrüstungen auf die lange Bank schieben können. SES, die Schweizerische Energiestiftung, und Greenpeace Schweiz kritisieren diese Verzögerungstaktik scharf und fordern ein zügigeres Vorgehen.


Schweizer AKW müssen ihre Erdbebensicherheit neu beurteilen (siehe ee-news.ch vom 30.5.16 >>). SES, die Schweizerisch Energie-Stiftung, schreibt in ihrem Kommentar: „Seit 1999 werden Gefährdungsannahmen für Erdbeben in den Schweizer AKW revidiert. Das ENSI hat heute bekanntgegeben, dass die AKW-Betreiber erneut bis 2020 Zeit für die Sicherheitsnachweise erhalten. Nachgerüstet ist dann jedoch noch immer nicht. Wider besseren Wissens: Erdbeben sind mithin die grösste Gefahr für eine Kernschmelze in Schweizer AKW.“

Die publizierten Ergebnisse zeigten, dass die Gefährdung noch höher liege, als nach Fukushima angenommen. Die Taktik der Betreiber, kostspielige aber sicherheitsrelevante Nachrüstungen möglichst bis zur Stilllegung aufzuschieben, finde eine erfolgreiche Fortsetzung, kritisiert die SES.

Verschleppungstaktik
Die SES stösst sich daran, dass sich das Eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat ENSI rühme bei jeder Gelegenheit das hohe Niveau der Studien, die den Erdbebengefährdungsannahmen in Schweizer AKW zugrunde lägen zu unterstreichen. Viel entscheidender sei jedoch, dass den Worten bis heute kaum Taten folgen mussten. Die SES schreibt: „Das ENSI geht erneut auf die Forderungen der Betreiber ein und räumt ihnen insgesamt vier weitere Jahre für die Erbringung der Sicherheitsnachweise ein. Ein nun bereits 17-jähriges Verfahren wird damit weiter verschleppt. Zeit, die die wirtschaftlich klammen Betreiber bitter gebrauchen können, um kostspielige Nachrüstungen weiter hinauszuschieben.“

Schwierige Beurteilung der Gefährdungsannahmen
Immerhin liegen die Gefährdungsannahmen nun endlich in einer Verfügung vor. Deren Wert objektiv zu beurteilen ist schwierig: Stillschweigeklauseln oder die Abhängigkeit der involvierten Experten von den Auftraggebern verunmöglichen praktisch eine offene Debatte. Nils Epprecht, SES-Projektleiter Strom & Atom, meint dazu: «Wir haben nun nach 17 Jahren endlich eine Verfügung. Doch in der Frage ob sie etwas taugt, sind wir auf Gedeih und Verderben der Beurteilung des ENSI ausgeliefert.» Gerade der Fakt, dass Erdbeben mithin die grösste Gefahr für Schweizer AKW darstellen, würde ein hohes öffentliches Vertrauen in das Verfahren bedingen. Eine Bedingung, die mit der unzureichenden Kommunikation seitens des ENSI und der Übungsanlage mit den Betreibern als Studienauftraggebern nicht eingehalten wird.

Schleunigst Massnahmen ergreifen
«Die Betreiber müssen nun schleunigst Massnahmen ergreifen und ihre AKW gegen schwere Erdbeben absichern», fordert Florian Kasser, Atom-Experte von Greenpeace Schweiz. Doch anstatt solche Nachrüstungen schnell einzufordern, schlüge das ENSI ein gemütliches Tempo an. Greenpeace Schweiz kritisiert, dass die AKW-Betreiber bis 2020 Zeit hätten, um bloss die Sicherheitsnachweise zu erbringen. Bis dann die Werke tatsächlich nachgerüstet wären, würden wohl noch einmal etwa fünf Jahre ins Land ziehen. «Das ENSI schützt mit dieser Verzögerungstaktik eindeutig die Betreiber», hält Kasser fest.

Nachrüstungen werden auf die lange Bank geschoben
Die AKW-Betreiber hätten ein grosses Interesse daran, Investitionen in die Sicherheit auf die lange Bank schieben zu können, schreibt Greenpeace weiter. Um mit den heute schon defizitären Werken nicht noch grössere Löcher in die Kassen der kriselnden Energie-Konzerne zu reissen, würden sämtliche Kosten vermieden. «Die Verliererin ist einmal mehr die Bevölkerung in der Schweiz und dem grenznahen Ausland, die noch über viele Jahre einem untragbaren Risiko ausgesetzt wird», sagt Atom-Experte Kasser.

Text: ee-news.ch, Quelle: SES und Greenpeace Schweiz

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