Der Elektrolyseur der Regio Energie Solothurn wandelt überschüssigen Strom in Wasserstoff um, der in Wasserstoffspeicherflaschen zwischengespeichert und dann dosiert ins Erdgasnetz eingeleitet wird. ©Bild: Elektrolyseur der Regio Energie Solothurn

Das System von Thüga: Mit einer intelligenten Steuerung können Power-to-Gas-Anlagen automatisch die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien mit dem Strombedarf abgleichen. Grafik: Thüga

So soll das Hybridwerk der Region Energie Solothurn funktionieren, das 2015 eingeweiht wurde. ©Bild: Elektrolyseur der Regio Energie Solothurn

Power-to-Gas: Welche technische Fragen gibt es beim Hoffnungsträger der Energiewende noch zu lösen?

(©SR) Power-to-Gas-Anlagen könnten die fluktuierende Einspeisung aus erneuerbaren Quellen wirksam abfedern. Doch die Umwandlung von Ökostrom in die speicherbaren Gase Wasserstoff und Methan ist noch zu teuer und es gibt noch einige technische Fragen zu lösen. Bei der Forschung vorn dabei sind auch Unternehmen und Institute aus der Schweiz.


Auf guten Wind folgt bei Windradbetreibern oft der Frust. Immer häufiger regeln Netzbetreiber ihre Turbinen ab, weil sonst zu viel Strom in die Leitungen drängen und die Balance im Netz gefährden würde. Allein im ersten Halbjahr 2015 konnten laut deutscher Bundesnetzagentur in Deutschland durch das sogenannte Einspeisemanagement fast 1500 Gigawattstunden Strom aus Erneuerbaren-Anlagen und Blockheizkraftwerken (BHKW) nicht produziert werden – das entspricht etwa dem Halbjahresverbrauch einer Metropole wie Hamburg. „Die Planung von Windenergieanlagen im Norden wird schwieriger, da der Absatz nicht gesichert ist“, erklärt Ove Petersen, Geschäftsführer des Erneuerbaren-Projektierers GP Joule aus dem nordfriesischen Reussenköge.

Ab 2017 Ein-Megawatt-Stacks
Ein neues Kombikraftwerk der Firma könnte Abhilfe schaffen. Herzstück ist eine Biogasanlage, die um einen sogenannten Elektrolyseur erweitert ist. Immer dann, wenn Windräder in der Umgebung zu viel Strom produzieren, wandelt dieser die Überschüsse per Elektrolyse in Wasserstoff (H2) um, der in Tanks gespeichert wird. Die dabei entstehende Wärme wird ins Fernwärmenetz eingespeist. Steigt der Strombedarf wieder, wird der Wasserstoff mit dem Biogas im BHKW der Anlage wieder verbrannt. „Auf diese Weise kann eine dezentrale Biogasanlage als Regelkraftwerk fungieren“, sagt Petersen. Soeben hat GP Joule den Elektrolyseur der Anlage in der letzten Ausbaustufe auf eine Gesamtleistung von 200 Kilowatt aufgestockt. Er besteht aus 40 einzelnen Einheiten (Stacks) mit jeweils fünf Kilowatt Leistung. Ab 2017 soll der „Stromlückenfüller“ dann auch als Industrieanlage mit deutlich leistungsstärkeren Ein-Megawatt-Stacks verfügbar sein.

Die Frage ist, was wollen wir erreichen?...
Die Technik könnte für die Energiewende unverzichtbar werden. Denn mit Power to Gas können grosse Speicherkapazitäten erschlossen werden, ohne die sich die steigende Zahl der fluktuierenden erneuerbaren Quellen in Zukunft nicht mehr in den Griff bekommen liesse. Die Kapazität der zum Austarieren von Stromerzeugung und Verbrauch bisher eingesetzten Pumpspeicherkraftwerke in Deutschland ist begrenzt, Batterien wiederum können Stromüberschüsse nur vorübergehend aufnehmen. Wasserstoff hingegen kann elektrische Energie langfristig speichern und bringt nicht nur dem Stromsektor Nutzen. Er lässt sich auch als Rohstoff in der chemischen Industrie einsetzen, etwa zur Entschwefelung von Treibstoff, als Sprit für Brennstoffzellenfahrzeuge verwenden oder in Methan umwandeln, den Hauptbestandteil von natürlichem Erdgas. Das Methan könnte problemlos in das vorhandene Erdgasnetz eingespeist werden, das Heizungen, Kraftwerke und Tankstellen versorgt. „Die Frage ist, was wollen wir erreichen? Wenn die Energiewende im Wärmemarkt und in der Mobilität Fahrt aufnehmen soll, werden wir Power to Gas schon bald brauchen“, sagt Michael Specht von Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW) in Stuttgart.


Power-to-Gas im Hybridwerk Aarmatt von Regio Energie Solothurn
Die Regio Energie Solothurn eröffnete im Juni 2015 das Hybridwerk Aarmatt, das Teil des Leuchtturmprogramms des Bundesamtes für Energie BFE ist. Im Hybridwerk – an der Schnittstelle vom Solothurner Strom-, Wasser-, Gas- und Fernwärmenetz – kommt die Power-to-Gas-Technologie zum Einsatz.

Technische Daten des Elektrolyseur

Aufnahmeleistung

350 kW

El. Output Wasserstoff

60 Normkubikmeter pro h

Wirkungsgrad

50-60 %

Modell

Hogen C30 (Proton onsite)


Weitere Informationen zum Hybridwerk Aarmatt >>


Schwankungen schnell folgen
Allerdings sind bei Power to Gas noch viele technische Fragen zu lösen. Da die Ökostromproduktion witterungsbedingt stark schwankt, müssen die Anlagen auf ständige Lastwechsel reagieren. Die herkömmlichen alkalischen Elektrolyseure eignen sich hierfür nur bedingt, da sie für einen relativ konstanten Lastbereich ausgelegt sind. Neuartige PEM-Elektrolyseure (PEM steht für Polymer Electrolyte Membrane) können Schwankungen schneller folgen. Beim PEM-Verfahren wird statt Alkalilauge destilliertes Wasser als Elektrolyt verwendet und über eine spezielle, protonenleitende Membran durch Strom in Wasserstoff und Sauerstoff gespalten – das geschieht dank der sehr guten Leitfähigkeit der Membran in Millisekunden. Allerdings muss die Technik für den grosstechnischen Einsatz noch kompakter und langlebiger werden. Ein weiteres Manko ist die Effizienz des Power-to-Gas-Verfahrens. Elektrolyseure wandeln Strom mit einem Wirkungsgrad von maximal 80 Prozent in Wasserstoff um. Schaltet man die Methanisierung nach, fällt der Wert auf 50 Prozent. Wird am Ende wieder elektrische Energie erzeugt, sinkt die Effizienz auf weniger als 40 Prozent.

Grössere Mengen an CO2
Ein weiteres Problem dabei: Die Methanisierung funktioniert nur mit Kohlendioxid (CO2), das mit Wasserstoff im sogenannten Sabatier-Prozess in Methan und Wasser umgewandelt wird. Bei einigen Pilotprojekten wird das CO2 noch in Flaschen angeliefert. Doch wenn das Verfahren künftig im grossen Stil Anwendung finden soll, sind weitaus grössere Mengen nötig. Nur woher sollen diese kommen? Das CO2 aus Kohlekraftwerken zu verwenden wäre eine Möglichkeit, wird aber aus ökologischen Gründen kritisch gesehen. Erwogen wird deshalb unter anderem, das Gas direkt vor Ort aus der Luft zu gewinnen. Bei dem Verfahren der Schweizer Firma Climeworks etwa wird es in einen Filter mit speziellen Molekülen gesogen, an denen sich die CO2-Moleküle sammeln können. Allerdings benötigt auch dieser Prozess Energie, etwa um das CO2 aus dem Filter zu lösen und für die Methanisierung nutzbar zu machen.

Ab 2020 mit Multimegawatt-Systemen
Trotz der Hürden glauben die Experten an einen Erfolg von Power to Gas. Es gebe noch grosses Entwicklungspotenzial, sagt Wissenschaftler Specht. So können nach einer Studie der Beratungsunternehmen E4tech und Element Energy die Kosten noch deutlich sinken. Massgeblich hierfür seien Skaleneffekten durch die zunehmende Grösse der Elektrolyseure. Liegt ihre Leistung heute meistens noch unter einem Megawatt, rechnen die Experten ab 2020 mit Multimegawatt-Systemen. Ausserdem steige durch optimierte Elektrolysezellen die Effizienz des Verfahrens. Schliesslich ist davon auszugehen, dass dank technischer Fortschritte bei den Erneuerbaren auch die Kosten für Solar- und Windstrom weiter sinken werden. Wird die Elektrolyse günstiger, dürften auch die Wasserstoffpreise nachgeben. Abgesehen davon lässt sich der Gesamtwirkungsgrad von Power to Gas durch geschickte Anlagenkonfiguration deutlich erhöhen. Wird zum Beispiel die Abwärme der Elektrolyse und der Methanisierung für die Heizung oder die Prozesswärme genutzt, steigt die Effizienz, weil die Wärme nicht wirkungslos verpufft.

Um das Potenzial von Power to Gas zu heben, erproben Industrie und Forschung die Technik in zahlreichen Projekten und entwickeln neue Geschäftsmodelle in diesem Bereich. So will GP Joule die PEM-Technik als eines der ersten Unternehmen im grosstechnischen Massstab anbieten. Der hierfür vorgesehene Ein-Megawatt-Stack wird derzeit von Firmentochter H-Tec entwickelt. GP Joule-Specher Timo Bovi veranschaulicht den Vorteil der Neuentwicklung: Die Fünf-Kilowatt-Stacks der Pilotanlage in Reussenköge hätten jeweils die Grösse eines Schuhkartons, die neue Ein-Megawatt-Einheit sei bei 200-facher Leistung nur etwa doppelt so gross. „Durch Materialeinsparungen und eine konsequente Weiterentwicklung der Technologie können wir so die PEM-Elektrolysestacks immer kompakter bauen und den Raumbedarf für die Anlagen damit sehr gering halten“, erklärt Bovi. Auch die Schweiz beteiligt sich an der PEM-Forschung. Hier arbeitet das Paul Scherrer Instituts aus Villigen an der Optimierung der Technik. Dazu nutzen die Wissenschaftler ein Elektrolysesystem der Firma Siemens.

Im Verbund
Der ostdeutsche Energieversorger Thüga verfolgt mit seinem Power-to-Gas-Projekt in Frankfurt ein anderes Ziel. Im vergangenen Herbst hat er seinen Elektrolyseur virtuell in ein Smart Grid, ein intelligentes Stromnetz, integriert, das aus Windturbinen, Solaranlagen, einem BHKW und Stromverbrauchern besteht (siehe ee-news.ch vom 15. Dezember >>). Bis 2016 will das Unternehmen nun mit Hilfe einer im Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme in Freiburg entwickelten Steuerungssoftware herausfinden, ob die Technik Erzeugung und Verbrauch der Energielandschaft austarieren kann. Bei der Thüga ist man nach den ersten Eindrücken zuversichtlich, dass das klappt. Power to Gas könne Unterschiede auf die Minute genau automatisch aussteuern, heisst es. „Das haben wir bereits bewiesen“, entgegnet Jörg Müller vom Ökostromanbieter Enertrag. Das Unternehmen betreibt in Prenzlau seit 2011 ein Hybridkraftwerk, das aus drei Windturbinen, zwei BHKW, einer Biogasanlage und einem Elektrolyseur besteht. Überschüssiger Strom dient der Produktion von H2, das in das Erdgasnetz fliesst. Bisher wird der Wasserstoff vom Ökoenergieanbieter Greenpeace Energy abgenommen, der es als Prowindgas verkauft. Müller hofft allerdings auch auf die Mobilitätsbranche – und auf stärkere politische Unterstützung. „Die Wasserstofftechnologie ist ausgereift, Wasserstoff könnte locker mit herkömmlichem Sprit konkurrieren. Was fehlt, sind die Tankstellen und die Brennstoffzellenfahrzeuge, die das Gas nutzen könnten“, sagt Müller.


HSR: Forscht mit EU-Partnern an grosstechnischen Langzeit-Energiespeichern
27 Forschungspartner aus sechs europäischen Ländern wollen der Power-to-Gas-Technologie aus den Kinderschuhen helfen. In den nächsten vier Jahren soll mit einem Budget von insgesamt 28 Millionen Euro erforscht werden, wie die europäischen Erdgasnetze als riesige Batterie für klimaneutral erzeugtes Methangas genutzt werden können.

Die HSR Hochschule für Technik Rapperswil koordiniert die Schweizer Aktivitäten im Rahmen des EU-Grossprojektes. 5.7 Millionen Euro des Gesamtbudgets entfallen auf die sechs beteiligten Schweizer Forschungspartner: HSR Hochschule für Technik Rapperswil, Regio Energie Solothurn, Schweizer Verband des Gas- und Wasserfachs, EPFL, EMPA, und das Unternehmen Climeworks.

Siehe ee-news.ch-Beitrag vom 30.1.16 >>



Für den Treibstoffmarkt

Auch die Firma Sunfire aus Dresden zielt mit ihrem Produkt „Blue Crude“ vorrangig auf den Treibstoffmarkt. Dabei handelt es sich jedoch nicht um Wasserstoff, sondern um einen flüssigen Kohlenwasserstoff, aus dem sich nach Unternehmensangaben Benzin, Diesel, Kerosin und Wachse für die Industrie herstellen lassen. Sunfires Verfahren: Zunächst wird Wasserdampf mit Ökostrom bei 800 Grad Celsius in Wasserstoff und Sauerstoff gespalten. Nach der Hochtemperatur-Elektrolyse wird ein Teil des Wasserstoffs mit CO2, das von aussen zugeführt wird, zu Kohlenmonoxid (CO) reduziert. Es wird mit dem restlichen Wasserstoff vermischt und bildet die Basis für das sogenannte Fischer-Tropsch-Verfahren, bei dem schliesslich das energiereiche Blue Crude entsteht. Es sei sehr hochwertig und ermögliche gegenüber herkömmlichen Treibstoffen deutliche CO2-Einsparungen, heisst es bei Sunfire. Audi, das in einer Power-to-Gas-Anlage im emsländischen Werlte bereits synthetisches Methan für seine Erdgasflotte herstellt, beteiligt sich deshalb an dem Pilotprojekt. Der Nachteil: Die aufwendige Produktion treibt die Kosten des Ökosprits in die Höhe. Mit einem bis 1.20 Euro pro Liter ist es derzeit noch fast doppelt so teuer wie Rohdiesel.

Damit steht Sunfire vor dem gleichen Problem wie alle Power-to-Gas-Akteure in Deutschland: Die Technik ist auf den Weg gebracht, Innovationen laufen, Sprit aus Solar- und Windstrom ist verfügbar. Doch um die Kosten für die Langzeitspeicher Wasserstoff, Methan und Kohlenwasserstoff weiter senken zu können, sind Investitionen in neue und grössere Anlagen notwendig. Die Frage ist nur: Wann steigen Investoren ein?

©Text: Sascha Rentzing, Beiträge in den Kästen: ee-new.ch

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