Einen wesentlichen Schub erhielten die Frackingvorhaben, als die Industrie 2005 vom Trinkwasserschutz befreit wurde, was die Kosten zusätzlich senkte.

ASPO: Die Ingredienzien der Frackingblase in den USA

(©ASPO) Von 2005 bis 2013 stieg der Anteil der Schiefergasförderung an der US-Gasförderung von 3 auf 47 %. Die Ingredienzien dieses Booms: Die Aufhebung des Nachweises der Grundwasserneutralität von Frackingprojekten, die hohen Gaspreise, der technische Fortschritt und eine Änderung an der Börse, die Frackingunternehmen erlaubt, unkonventionellen Reserven als Funde in ihre Bücher aufzunehmen.


Dies steigerte ihren Wert. Innerhalb der letzten 12 Monate haben sich die Frackingstandorte indes in den USA um über 70 % reduziert.

Im letzten ASPO-Newsletter (siehe ee-news.ch vom 27.11.15 >>)haben wir über die Geschichte des Frackings berichtet. Diesen Newsletter nun widmen wir dem Frackingabenteuer der USA in den letzten 10 Jahren. Grundlage ist die von der Energy Watch Group im März 2015 veröffentlichte Studie mit dem Titel „Fracking – eine Zwischenbilanz“, die von Werner Zittel (ASPO Deutschland) verfasst wurde.

Infrastruktur von Erdöl geprägt
Die USA sind das einzige Land weltweit, das sich für eine solche Studie eignet, denn sie sind auch das einzige Land überhaupt, das Fracking im grossen Stil betreibt. Die Basis dafür bildet die lange Erfahrung mit der heimischen Gas- und Erdölförderung. Die Vereinigten Staaten, das geht oft vergessen, waren bis etwa in die 1960er Jahre das Saudi-Arabien des Westens. Seither nehmen die Förderraten von Gas und Erdöl stetig ab. Der Wohlstand und die Macht des Landes basieren jedoch auf den fossilen Energien. In den USA musste man sich, nachdem auch die Gasförderung deutlich rückläufig war, überlegen, ob gefrackt oder ob der steigende Bedarf bei fallenden Förderraten durch Importe gedeckt werden sollte. Da in den USA die Ölförderung den einheimischen Bedarf über Jahrzehnte übertraf, ist ihre Infrastruktur denn auch noch stärker als in Europa vom Erdöl geprägt. Der Frackingboom begann daher auch in Texas, wo sich grosse Teile der Gesellschaft mit der Erdöl- und Gasindustrie identifizieren. Auch heute noch sind dort mehrere Tausend Firmen, vom Kleinunternehmen bis hin zum Grosskonzern, als Erdöl- und Gasförderer gemeldet. Zudem besteht in Texas trotz der geringen Bevölkerungsdichte eine weit vernetzte und für die Fackingindustrie ideal nutzbare Infrastruktur.

Verflechtung des Ölsektors

Aufgrund des Förderbooms des letzten Jahrhunderts besteht nicht nur in Texas, sondern in den USA allgemein eine starke Verflechtung des Ölsektors mit anderen wirtschaftlichen Bereichen, insbesondere mit dem Finanzsektor. So konnte die Branche auch Einfluss auf die Politik nehmen. Mit Bohr-rechten zu handeln hat in den USA zudem Tradition, so dass es nicht der Genehmigung von Behörden bedarf: Das Geschäft zwischen Grundstückseigentümer und Lizenznehmer ist rein privatwirtschaftlich. Aufgrund der im Vergleich mit Europa geringen Bevölkerungsdichte sind auch Landnutzungskonflikte wesentlich seltener als bei uns. „Dass diese in den USA inzwischen jedoch stark zugenommen haben, zeigt, wie angespannt die Situation ist“, schreiben die Autoren der Energy Watch Group.

Steigende Erdgas- und Ölpreise und technische Fortschritte

Als zwischen 2003 und 2004 sowohl der Erdölpreis als auch die einheimischen Gaspreise stark stiegen, wurde das Fracking in den USA immer wirtschaftlicher und daher auch interessanter. Da gleichzeitig die ländliche Bevölkerung durch die steigenden Preise in hohem Masse betroffen war, wurde auch der Verkauf von Bohrrechten für wesentliche Teile der Bevölkerung immer attraktiver. In etwa derselben Zeit machte die Fracking-Fördertechnik einen deutlichen Innovationssprung: Die Bohrun-gen waren nun auch horizontal und zielgenauer möglich, was das Fracking deutlich wirtschaftlicher machte. Zudem gehören die Schiefergasvorkommen in den USA gemäss der Energy Watch Groupe zu den grössten weltweit.

Befreiung von Trinkwasserschutz und Finanztricks
Einen weiteren wesentlichen Schub erhielten die Frackingvorhaben, als die Industrie 2005 vom Trinkwasserschutz befreit wurde, was die Kosten zusätzlich senkte. Die Branche ebenfalls beflügelt hat eine neue Regelung für börsenkotierte Unternehmen: Diese durften ihre Schiefergas- und Thight-Oil-Reserven neu in die Bücher aufnehmen. Durch diese Beschönigung stiegen die Firmenwerte, so dass sie einerseits an wirtschaftlichem Gewicht gewannen und sich andererseits an den Kapitalmärkten leichter Geld beschaffen konnten. Das ist umso bedenklicher, da, wie in der Studie der Energy Watch Group zu lesen ist, nur gerade zwischen 3 bis 28 % der technischen Potenziale in den USA auch tatsächlich gefördert werden. Zudem war in verschiedenen Finanzkommentaren zu lesen, dass der Frackingboom nur aufgrund des tiefen Zinsniveaus in den USA überhaupt möglich war.

Internationale Investoren verbrennen sich die Finger
In der zweiten Phase ab 2009 nach der Finanz- und Wirtschaftskrise, so schreibt Werner Zittel in seiner Studie, und die gesunkenen Energiepreise kein rentables Fördern mittels Fracking mehr erlaubten, investierten insbesondere internationale Investoren aus dem asiatischen Raum in die Branche.

Möglich war das nur aufgrund von Meldungen über erhöhte Vorkommen und Erfolgsmeldungen, die auf wackligen Füssen standen. Doch die Branche befand sich in einer Art Goldrausch, der spätestens Ende 2014 aufgrund des Preiszerfalls von Erdöl ein jähes Ende nahm: „In den Jahren bis 2013 sorgten auch steigende internationale Investitionen für den notwendigen Kapitalfluss“, ist in der Studie zu lesen. „Im Jahr 2010 lagen diese in den USA bei 195 Mrd. USD, fast doppelt so hoch wie im Vorjahr. Doch bereits 2011 fielen sie auf 75 Mrd. USD und 2012 gingen sie sogar um 90 % zurück. 2013 wurden sie nochmals auf ca. 3.4 Mrd. USD halbiert.“

US-amerikanische Wirtschaftsförderung
Auch in Europa hofften und hoffen die Erdölwirtschaft sowie viele Regierungen immer noch auf ein Frackingzeitalter. Getrieben wurden diese Hoffnungen insbesondre auch von der US-amerikanischen Wirtschaftsförderung: Eine wesentliche Grundlage dieser Strategie war die Veröffentlichung einer Studie zu den weltweiten Schiefergaspotenzialen durch das US-Energieministerium im Jahr 2011. Diese ebnete mit schwindelerregenden Prognosen den US-Erdölfirmen in Europa den Weg. Die Investoren, darunter die US-Firmen ExxonMobil, Marathon, Talisman und Chevron, haben sich zum grossen Teil schon wieder aus Europa verabschiedet, wie die Lektüre der Studie der Energy Watch Group zeigt: „Die potenziellen Schiefergasvorkommen sind vermutlich bedeutend weniger mächtig und ergiebig als in den USA. Die vor einigen Jahren in Polen oder der Ukraine hochgejubelten Ressourcenangaben – und diese Vorkommen galten als die in Europa ergiebigsten – erweisen sich in der Realität als unhaltbar und deutlich überhöht.“

Industrialisierung der Landschaft
Die hohe Nutzungskonkurrenz, die von staatlichen Behörden beaufsichtigte Vergabe von Bohrrechten und die weit tieferen finanziellen Anreize für die Landbesitzer sind weitere Hürden für die Frackingindustrie in Europa. Zudem sind die Konflikte im dicht besiedelten Europa vorprogrammiert: Geht doch im Gleichschritt mit Frackingprojekten eine Industrialisierung der Regionen einher. Strassen müssten gebaut werden und der Schwerverkehr nähme erheblich zu. Gar nicht zu sprechen von den Problemen mit Wasserressourcen. Denn es gibt kein Fracking ohne den Einsatz grosser Mengen Wasser. Dazu kommt der Giftcocktail, der mit dem Wasser in den Untergrund eingepresst wird. Experten sprechen von über 100 giftigen Chemikalien, die beim Fracking mit dem Wasser vermischt in den Boden gelangen.

Höchst spekulative Investitionen
„Vermutlich geht es den Akteuren der Kohlewasserstoffindustrie vor allem darum, Politik, Öffentlichkeit (Kunden) und Investoren zu zeigen, dass der fossile Weg weitergeht und der Rückgang der konventionellen Öl- und Gasvorräte durch neue Fördertechniken ausgeglichen werden kann“, schreibt die Energy Watch Group in ihrer Zusammenfassung. Sowohl in Europa wie auch in Deutschland sehen die Verfasser der Studie aus den oben genannten Gründen kaum eine Entwicklung, wie sie in den USA möglich war.

Wer sich für das Phänomen Fracking interessiert, dem sei die Studie wärmstens empfohlen. Zu hoffen ist, dass die Verfasser Recht behalten und wir in Europa nicht die gleichen Fehler machen wie am anderen Ende des grossen Teichs. Denn neben den grossen Verwüstungen der Landschaften bringt Fracking auch einen hohen Ausstoss an Methan, das um ein Mehrfaches klimaschädlicher ist als CO2: „So dürfte heute die Bandbreite der Schätzungen zu den Methanemissionen über unkonventionellen Erdgasbohrungen zwischen 4 und 17 % des geförderten Gases liegen“, ist in der Studie zu lesen.

Zur Studie der Energy Watch Group „Fracking – eine Zwischenbilanz“ >>

Text: Anita Niederhäusern, ASPO Vorstand und leitende Redaktorin ee-news.ch

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