Ein guter Plan bringt dreifache Sicherheit für Bund, Betreiber und Bevölkerung: Planungssicherheit, Investitionssicherheit und Sicherheit vor radioaktiver Verstrahlung. ©Bild: Allianz Atomausstieg

Energiezukunft: Planung statt Blindflug

(Allianz Atomausstieg) Die bundesrätliche Doktrin für AKW lautet «laufen lassen solange sicher». Sie birgt für die AKW-Betreiber grosse unternehmerische, für die Bevölkerung persönliche Risiken und blockiert Investitionen in den Ausbau Erneuerbarer Energien. Abhilfe bereitet ein geregelter Atomausstieg. Was der Bundesrat schon im letzten Jahrhundert wusste, sollte endlich umgesetzt werden.


Das älteste Atomkraftwerk (AKW) der Welt, Beznau I, bescherte der Betreiberfirma Axpo in den letzten Monaten nur Probleme. Zuerst passte der neue Deckel für den Reaktordruckbehälter nicht. Kurz darauf wurde die Wiederinbetriebnahme nach der Revision um mehrere Monate verzögert, weil Unregelmässigkeiten im Reaktordruckbehälter – die notabene seit Inbetriebnahme 1969 bestehen – entdeckt wurden. Ein Versagen des Druckbehälters, dem Herzstück des AKW, hätte katastrophale Folgen.

Weder Einsicht noch Weitsicht
Bis «im ersten Quartal 2016» produziert das AKW laut Nuklearsicherheitsinspektorat (ENSI) keinen Strom und bringt kein Geld ein. Zusätzlich sind Investitionen in die Sicherheit nötig – eine enorme finanzielle Belastung. Trotzdem sträuben sich die AKW-Betreiber in der Schweiz dagegen, die unwirtschaftlichen Kraftwerke ausser Betrieb zu nehmen, geschweige denn deren Laufzeiten zu definieren. Auch im politischen Prozess deutet alles daraufhin, dass entgegen dem 2011 vom Parlament grundsätzlich beschlossenen Atomausstieg, die AKW noch lange laufen werden. Der Nationalrat hatte 2014 wenigstens das vom ENSI empfohlene Langzeitbetriebskonzept im Gesetz verankert und damit zumindest eine minimale Verbesserung des Status Quo beschlossen. Doch die Energiekommission des Ständerats kippte dieses Konzept mit 7 zu 6 Stimmen wieder, wie am 12. August bekannt wurde [1]. Es ist nun am Ständeratsplenum, dies in der Herbstsession wieder zu korrigieren.

Gleichzeitig herrscht auf dem Markt ein Überangebot, das die Rentabilität der Stromproduktion erodieren lässt. Im August waren zeitweise gar alle fünf Reaktoren wegen Revision oder Unregelmässigkeiten abgeschaltet – und alles lief bestens, die Schweiz exportierte sogar Strom.

Mit einem Plan zu mehr Investitionssicherheit
Was sowohl der Politik wie auch den Stromkonzernen fehlt, ist eine verbindliche Planung. Mit heute festgelegten Abschaltjahren für die AKW könnte der vom Volk gewollte Weg [2] in eine erneuerbare und sichere Energiezukunft geregelt umgesetzt werden. Denn aktuell steht dem Ausbau sauberer Stromproduktion die fehlende Planungs- und Investitionssicherheit im Wege. Thomas Schmid, Vorsitzender Geschäftsleitung und Verwaltungsrat bei Fontavis Clean Energy Investments, spricht aus Erfahrung: «Die momentane Ungewissheit zur Energiestrategie 2050 betreffend Massnahmen, Umfang und Zeitplan sorgt derzeit noch für Zurückhaltung mit Investitionen, insbesondere in den Stromsektor.» Diese Situation liesse sich verbessern: «Fixe Abschaltdaten würden für die Branche und insbesondere auch für Investoren die langfristige Planbarkeit von möglichen Alternativen potentiell erleichtern», so Schmid.

Entscheid der BKW
Die BKW ist diesen Schritt bereits gegangen. 2013 gab sie bekannt, das alte und mit gravierenden Sicherheitsmängeln belastete AKW Mühleberg per 2019 stillzulegen. Die dadurch verbesserte Planbarkeit war mit ein wesentlicher Grund für diesen Entscheid: «Planungssicherheit ist für ein Unternehmen wie die BKW wichtig», stellt Tobias Fässler, Leiter Media Relations bei der BKW, fest. «Die Investitionen für einen Langzeitbetrieb hätten für die BKW hohe Kosten zur Folge gehabt, deren Amortisation in der restlichen Laufzeit der Anlage unter den gegebenen wirtschaftlichen, regulatorischen und politischen Rahmenbedingungen zu unsicher gewesen wären.»

Die Vorteile von Laufzeitbefristungen hielt der Bundesrat bereits 1992 in seiner Entscheidung [3] zum Antrag der BKW auf unbefristete Betriebsbewilligung von Mühleberg fest: «Westliche KKW sind grundsätzlich auf eine Betriebsdauer von 40 Jahren ausgelegt», und weiter: «Eine Befristung der Betriebsbewilligung schafft für den Betreiber, die Sicherheitsbehörde und die Öffentlichkeit eine klare Situation, ohne die Rechte des Betreibers wesentlich zu beeinträchtigen.»

Ungeplante Ausserbetriebnahme: teuer und gefährlich
Nach aktueller Gesetzeslage hingegen dürfen alle fünf Reaktoren unbefristet weiterbetrieben werden. Vehement kämpfen die Betreiber dafür, dass die bundesrätliche Energiestrategie sowie ein fixiertes Abschaltdatum im Parlament und allenfalls auch vor dem Volk Schiffbruch erleiden. Dies obwohl die Unwirtschaftlichkeit atomarer Anlagen unbestritten, ja durch die massive britische Subvention des Reaktors in Hinkley Point gar bewiesen ist. Geradezu grotesk scheint diese Unternehmensstrategie, bedenkt man, wie ungleich grösser das finanzielle und sicherheitstechnische Risiko für die Konzerne in der aktuellen Situation ist. Bei unvorhergesehenen Ereignissen wie kürzlich bei Beznau I, muss ein AKW sicherheitsbedingt vom Netz – vorübergehend oder permanent. Solch abrupte Ausserbetriebnahmen kosten Millionen, das Risiko nur zufällig auf Unregelmässigkeiten zu stossen ist hoch und gefährdet die Bevölkerung massiv. Eine sinnvolle Strategie sieht anders aus. Weitsicht und verantwortungsvolles Unternehmertum scheinen hier von krampfhaftem Bewahren einer längst überholten Technologie überschattet zu sein.

«Laufen lassen solange sicher» entpuppt sich als elegant verbrämter Blindflug. Ein Vorgehen, das sich kein Land in der Energiepolitik leisten sollte. Ein guter Plan bringt hingegen dreifache Sicherheit für Bund, Betreiber und Bevölkerung: Planungssicherheit, Investitionssicherheit und Sicherheit vor radioaktiver Verstrahlung unseres Landes.

[1] Medienmitteilung UREK-S >>
[2] Universität St. Gallen: 4. Kundenbarometer Erneuerbare Energien >>
[3] Entscheid des Bundesrates vom 14. Dezember 1992 zum Gesuch der Bernischen Kraftwerke AG vom 9. November 1990 um Erteilung einer unbefristeten Betriebsbewilligung und um Leistungserhöhung von 10% für das Kernkraftwerk Mühleberg (KKM) >>

Text: Allianz Atomausstieg

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