Im Kanton fehlt ein Fürsprecher für die Nutzungsanliegen der Kleinwasserkraft, die eine Form von einheimischer, CO2 neutraler und erneuerbarer Energie ist. Im Bild: Kleinwasserkraftwerk Juramill. ©Bild: ISKB

Kleinwasserkraft: Wird vom Kanton St. Gallen unterschätzt

(ISKB/ADUR) Kantonsrat Felix Bischofberger hat am 27. April 2015 eine einfache Anfrage zur Bewilligung von Kleinwasserkraftprojekten und zu deren wirtschaftlichen Bedeutung eingereicht. Die Antwort der Regierung datiert vom 11. August und wurde Ende letzter Woche veröffentlicht. Sie zeigt, dass beim Kanton die Bedeutung und Zusammenhänge der Technologie nicht vollumfänglich bekannt und Projektentwickler in der Regel auf sich allein gestellt sind.


Im kantonalen Richtplan 2014 ist eine Beurteilungsmatrix enthalten, welche der Kanton in den Jahren 2012 und 2013 erarbeitete und welche eine einheitliche Beurteilung der Anliegen von Schutz- und Nutzung bei neuen Kleinwasserkraftwerken ermöglichen soll. Die vom Kanton in Zusammenarbeit mit verschiedenen Interessengruppen erarbeitete Matrix ist aber äusserst umstritten, wie die im vergangenen Jahr durchgeführte Anhörung zeigte. Obwohl der Richtplan noch nicht vom UVEK genehmigt ist, wird die Matrix seit dem 1. Dezember 2013 bereits angewandt. Die Regierung weist in ihrer Antwort darauf hin, dass die Matrix kein neues Recht setzt, sondern die Beurteilung einzelner Projekte in jedem Fall aufgrund der massgebenden Gesetze und Verordnungen vorbehalten bleibt.

Fürsprecher für Nutzungsanliegen fehlt
Bei neuen Kleinwasserkraftwerken wird von Gesetzes wegen eine Interessenabwägung zwischen Schutz und Nutzung angewendet. Die Schutzanliegen werden dabei durch die verschiedenen kantonalen Ämter beurteilt, zusammengefasst und Auflagen an das Projekt formuliert. Eine Vertretung der Nutzungsanliegen, welche sich für die Förderung dieser Form von einheimischer, CO2 neutraler und erneuerbarer Energie einsetzt, gibt es innerhalb des Kantons jedoch nicht. Der Interessenverband Schweizer Kleinkraftwerk-Besitzer ISKB bemängelt genau dies: Es findet keine eigentliche Interessenabwägung statt, welche diesen Namen auch verdient. Ein Projektentwickler ist in der Regel auf sich alleine gestellt, während die Schutzanliegen durch verschiedene Vertreter von Kanton und Umweltverbänden eingebracht werden. Dadurch fällt die Interessenabwägung in der Regel auch einseitig schutzlastig aus.

Wirtschaftliche Bedeutung nur ungenügend bekannt
Die dritte Frage fokussierte auf die wirtschaftliche Bedeutung der Kleinwasserkraft. Die Antwort der Regierung weist darauf hin, dass ca. 60% der elektromechanischen Ausrüstung aus dem Ausland bezogen wurde und dass seit dem Jahr 2000 aufgrund der Automatisierung von Anlagen ungefähr 30% der Stellen beim Betriebspersonal abgebaut wurden. Die Anzahl Stellen beim Betriebspersonal wird auf ca. 70 bis 80 Vollzeitstellen geschätzt, davon 20 bei den kleinsten Anlagen mit einer Leistung von weniger als 300 kW.

Der ISKB stellt fest, dass die Antwort der Regierung sich ausschliesslich auf die Betriebsphase bezieht und der Bau und die Erneuerung von Kleinwasserkraftwerken nicht berücksichtigt sind. Im Kanton St. Gallen waren Ende 2014 46 Kleinwasserkraftwerke in Betrieb, welche von der kostendeckenden Einspeisevergütung (KEV) profitieren und demzufolge im Zeitraum zwischen 2006 und 2014 in Betrieb genommen wurden. Im Jahr 2014 erhielten diese eine Vergütung in der Höhe von beinahe 8.4 Mio Franken1. Diese Vergütung wird über eine Dauer von 20 bis 25 Jahren ausbezahlt – insgesamt also ungefähr 190 Mio CHF. Mit diesem Ertrag kann die Investition, welche beim Bau oder bei der Erneuerung der Kraftwerke getätigt wurde, amortisiert werden.

Oder anders ausgedrückt: Zwischen 2006 und 2014 sind gegen 200 Mio. Franken in den Bau oder die Erneuerung von Kleinwasserkraftwerken investiert worden. Ungefähr die Hälfte davon dürfte in bauliche Massnahmen geflossen sein, welche in der Regel durch regionale Unternehmen erbracht werden2.

1 Quelle: Bundesamt für Energie BFE, Liste aller KEV Bezüger im Jahr 2014, gefiltert nach Wasserkraft und Kanton St. Gallen >>
2 Gemäss einer Studie des Bundesamtes für Raumentwicklung ARE erfolgt bei der Kleinwasserkraft ca. 45% der Wertschöpfung in der Region, und weitere 50% innerhalb der Schweiz. Link zur Studie >>

Link zur einfachen Anfrage 61.15.12 im Ratsinformationssystem >>

Text: ISKB/ADUR

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