Die entsprechende Windenergie-Planung der Kantone schreite erfreulich voran, die Rede ist hier von 3‘000 Mio. kWh: Suisse-Eole-Präsidentin Isabelle Chevalley und Suisse-Eole-Geschäftsführer Reto Rigassi. ©Bild: Anita Niederhäusern

Erfahrung mit dem Spiessrutenlauf beim Realisieren von Windkraftprojekten: und Konrad Schleiss, Präsident Bau-, Planungs- und Umweltkommission Grenchen SO. ©Bild: Anita Niederhäusern

„1996 – also bereits vor 19 Jahren – zeigte das BAFU zum ersten Mal Interesse daran, in der Region von Sainte-Croix VD Windenergie zu produzieren“, erklärte Franklin Thévenaz, Gemeindepräsident von Sainte-Croix. ©Bild: Anita Niederhäusern

Pressekonferenz in Bern: Die Akzeptanz der Bevölkerung Windenergieanlagen gegenüber ist grundsätzlich gross und auch die Umweltverbände arbeiten teilweise konstruktiv mit Suisse Eole zusammen, vorneweg der WWF Schweiz. ©Bild: T. Rütti

Windenergie: Spiessrutenlauf der Gemeinden aufgrund Einsprachen

(©TR/AN) Viele Gemeinden und Kantone möchten mit Windenergieprojekten der Energiewende Schub verleihen. Neun von zehn der letzten von Gemeinden angenommenen Projekte werden jedoch insbesondere von der Stiftung Landschaftsschutz und von Pro Helvetia ausgebremst.


Rund 7-10% Windenergie soll gemäss der Energiestrategie 2050 aus Windenergie stammen. Wind ist damit gleich an dritter Stelle aller Erneuerbaren, hinter Wasser- und Solarstrom. Suisse Eole, die Vereinigung zur Förderung der Windenergie in der Schweiz, hat vorgerechnet, dass mit gleich vielen Anlagen von neuster Technologie bis notabene 2035 bereits 10% Windstromanteil möglich ist. Wie die Branchenorganisation an einem ausgesprochen gut besuchten Medienanlass am 31. August in Bern informierte, werden Windprojekte aber systematisch mit Einsprachen ausgebremst, einige seit über 15 Jahren!

Wichtige Ergänzung zu den Quellen Wasser- und Solarstrom
Suisse-Eole-Geschäftsführer Reto Rigassi bezeichnete Windenergie in seinen Betrachtungen als „Marktleader in Europa“. 10.2% des Strombedarfs stammt in Europa aus Windenergie und die Windenergiebranche geht davon aus, dass sich der Anteil bis 2030 auf 30% erhöhen wird. Zur Entwicklung in der Schweiz sagte Reto Rigassi: „Windstrom macht heute knapp 0.2% oder 106 Mio. kWh aus. Die Energiestrategie des Bundesrates sieht indessen bis 2050 4‘300 Mio. kWh an Windenergie vor. Windenergie ist eine wichtige Ergänzung zu den Quellen Wasser- und Solarstrom, die vor allem im Sommerhalbjahr von Bedeutung sind. Im Winterhalbjahr ist Windstrom zentral, weil die Turbinen zwei Drittel ihrer Produktion im Winter liefern, dann wenn Photovoltaik und Wasserkraft deutlich weniger produzieren.“ Laut Suisse-Eole-Geschäftsführer Rigassi „ist das Interesse der Elektrizitätswirtschaft an Windkraft beträchtlich“. Auch die entsprechende Planung der Kantone schreite erfreulich voran. Zudem haben viele Gemeinden baureife Projekte in den Schublaben.

Potenzial von 125‘000 Haushalten blockiert
Während zum Beispiel der WWF konstruktiv bei der Entwicklung von Windparks mitarbeitet, blockieren gemäss Suisse Eole allen voran die Stiftung Landschaftsschutz und Pro Helvetia die Windprojekte systematisch. Und dies obwohl die letzten 9 von 10 konkreten Windprojekten in den Gemeinden angenommen wurden (siehe Tabelle unten)! Doch warum werden die Anlagen nicht gebaut?Die Akzeptanz der Bevölkerung und der Wille der Gemeinden ist grundsätzlich gross und auch die Umweltverbände arbeiten teilweise konstruktiv mit Suisse Eole zusammen, vorneweg der WWF Schweiz“, erklärt Suisse-Eole-Präsidentin Isabelle Chevalley. „Doch Einsprachen von Privaten und unter anderem von der Stiftung Landschaftsschutz Schweiz blockieren derzeit 11 Projekte mit einer Leistung von über 190 MW. Gemeinsam könnten diese Windanlagen erneuerbaren Strom für 125‘000 Haushalte produzieren!“, so die Waadtländer Nationalrätin. Das sei viermal so viel Windstrom, wie 2014 in der Schweiz produziert wurde! „Bisher wurde noch kein Projekt infolge von Einsprachen eingestellt oder grundlegende geändert“, konstatierte Nationalrätin Chevalley. Alles in allem gab sie sich den Medienvertretern gegenüber zuversichtlich. Eines müsse man jedoch wissen: „Die Verwirklichung von Windenergie-Projekten ist in der Schweiz kein Sprintrennen, sondern vielmehr ein Marathonlauf. Doch wir sind gut trainiert und verfügen über die nötige Kondition und Ausdauer.“ Auf die Frage, was sich denn noch ändern müsse, nannte Isabelle Chevalley folgende Anliegen und Forderungen:

  • Aufruf an Umweltschutzorganisationen zur Mitarbeit; bitte keinen Missbrauch des Verbandsbeschwerderechts
  • Aufruf an die Opposition, bitte die Mehrheitsentscheide respektieren
  • eine raschere Beurteilung durch die Gerichte
  • Weiterführung der Planung in den Kantonen; eine bessere Koordination und die Beschleunigung der Planung ist dringend erwünscht
  • Die Ziele der Energiestrategie des Bundes nie aus den Augen verlieren.

9 der 10 letzten Projektentscheide positiv

Kanton Neuenburg

65% Ja

Charrat VS

60% Ja

Tramelan BE

60% Ja

Saicourt BE

59% Ja

St. Croix VD

53% Ja

Behörden Grenchen, Premier, Vaulion + Vallorbe

Ja

Saxon VS

60% Nein


Die Einsprachen – einige blockieren baureife Projekte seit über 15 Jahren – missachten den positiven Entscheid der Gemeinden und die Planung der Kantone für die Windenergie. Zudem stehen sie im Widerspruch zu den Zielen der Umweltverbände, die die Energiewende auf ihre Fahnen geschrieben haben: Die Umweltallianz (Bern) hat in ihren Zielen den Windstrom bis 2035 auf jährlich 1.5 Mrd. Kilowattstunden festgeschrieben, wofür Anlagen mit einer Leistung von etwa 750 MW nötig sind.

Crêt
Meuron seit 1998 blockiert
Das Beispiel von Crêt Meuron zeigt exemplarisch, dass die Projekte oft auch so lang verzögert werden, dass die Projekte neu aufgelegt werden müssen, da die Turbinen nicht mehr lieferbar sind.

1998

Vorstudie Kt. Neuenburg von 20 Standorten

2001

Crêt Meuron wird in Richtplan Neuenburg aufgenommen

2001-2003

Der vom Departement für Raumplanung des Kantons Neuenburg erstellte Kantonale Richtplan für den Windparks Crêt-Meuron wird vom Staatsrat Ende 2001 gutgeheissen und im Januar 2002 in die Vernehmlassung geschickt. Einsprachen, in erster Linie von Anwohnern, werden im Februar 2003 zurückgewiesen, diese ziehen den Entscheid an die nächst höhere Instanz weiter.

2005

Einsprachen Nutzungsplan vom kantonalen Verwaltungsgericht gutgeheissen

2006

Bundesgericht aufgehoben Urteil des kantonalen Verwaltungsgerichts

2007

Neubeurteilung durch Verwaltungsgericht

2009

Neuauflage Nutzungsplan, da Anlagen nicht mehr lieferbar (Gesamthöhe neu 99 statt 93 m bei erster Projektplanung)

2012

Einsprachen gegen Neuauflage vom Verwaltungsgericht gutgeheissen

Mai 2014

Die Stimmbürger des Kantons Neuenburg stimmen einem kantonalen Windenergie-Konzept mit 65.05 % zu und lehnen eine Initiative zur Erschwerung des Windenergieausbaus mit 60.84% ab. Die Gegner ziehen den Entscheid ans Bundesgericht weiter.

Juli 2015

Das Bundesgericht weist den Rekurs zurück.


Sainte
-Croix: fürchtet euch nicht!
„1996 – also bereits vor 19 Jahren – zeigte das Bundesamt für Umwelt (BAFU) zum ersten Mal Interesse daran, in der Region von Sainte-Croix VD Windenergie zu produzieren“, erklärte Franklin Thévenaz, Gemeindepräsident von Sainte-Croix im Kanton Waadt, anlässlich der Pressekonferenz in Bern. 2012 hat Bevölkerung sich mit 53% für das Windprojekt ausgesprochen. Die Gemeinde und Romandie Energie räumen eine Hürde nach dem anderen aus dem Weg. „Letztendlich schreiten die Projekte trotz ihrer Langsamkeit voran, wird Unterstützung und werden Anstösse gegeben. Der Kanton Neuenburg hat sich für ein kantonales Windenergiekonzept ausgesprochen. Im Kanton Waadt werden gerade neue Projekte entwickelt, sie wurden von den Einwohnern von Premier, Vallorbe und Vaulion bereits angenommen. Tramelan und Saicourt im Jura haben ebenfalls mit einem Ja gestimmt. Wir haben weiterhin Vertrauen und wir müssen weiterhin Vertrauen haben. Ausserdem müssen wir alle zusammen unsere Anstrengungen verdoppeln, denn 2050 rückt mit grossen Schritten näher“, so Gemeindepräsident Thévenaz, und fügt an: „Johannes Paul der II hätte gesagt: fürchtet euch nicht!“ Er stellt einen zunehmenden „égoisme de société“ fest, alle wollten Energie, aber keiner wolle sie bei sich produzieren.

Projekte seit 2012

Seit 2012 wurden in der Schweiz lediglich 5.3 MW gebaut, und das bei Projekten mit 212 MW Leistung:

Total

15 Projekte mit 212 MW

Realisiert

2 Projekte, 5.3 MW

Bewilligt, aber noch nicht realisiert

1 Projekt, 7 MW

Verzögert durch Einsprachen

11 Projekte, 194 MW

Das Projekt Charrat muss neu aufgelegt werden, da zwei betroffene Gemeinden unterschiedlich abgestimmt haben.

Appell an die Umweltverbände

„Suisse Eole appelliert an die Umweltverbände, das Beschwerderecht nicht zu missbrauchen“, erklärt Isabelle Chevalley. Suisse Eole reicht den Umweltverbänden die Hand für eine noch intensivere Zusammenarbeit und setzt sich dafür ein, dass juristische Verfahren beschleunigt werden können. Die in den Zielen der Umweltallianz angestrebten Windenergieanlagen sollten so rasch wie möglich gebaut werden. Denn damit können gleich drei Fliegen auf einen Schlag geschlagen werden: der Volkswille wird umgesetzt, die nachhaltige Windenergieproduktion erhöht der CO2-Ausstoss gesenkt.

Anwohner sind zufrieden mit Windenergieanlagen
Tatsache ist aber auch, dass die Schweizer Bevölkerung mehrheitlich der Windenergie gegenüber sehr positiv eingestellt ist. Konkrete Projekte werden jedoch in den betroffenen Gemeinden sehr genau unter die Lupe genommen und nicht selten formiert sich lautstarker Widerstand. Umso erfreulicher ist, dass sich die lokale Bevölkerung in der Regel deutlich für die Realisierung der umsichtig geplanten Projekte ausspricht. Ist die Zustimmung der Bevölkerung erreicht, so ist zumindest die grösste Hürde bei der Realisierung von Windparks genommen. Doch nicht selten dreht sich danach der Wind, wie Untersuchungen des Bundesamts für Energie zeigen, und Einsprachen machen den Projektverantwortlichen das Leben schwer. „Dabei vertragen sich Windparkprojekte und die Anliegen von Natur- und Tierschutz absolut. Dank neuerster Windenergietechnologie würde sich uns die einmalige Möglichkeit bieten, ein Zeichen zu setzen“, sagte Konrad Schleiss, Präsident Bau-, Planungs- und Umweltkommission Grenchen SO. Angemerkt sei, dass in der Schweiz über drei Viertel der Anwohner von Windenergieanlagen Windenergie grundsätzlich befürworten und angeben, die Anlagen hätten keinerlei oder höchstens geringfügige Auswirkungen auf ihr Wohlbefinden. Diese Tatsache steht leider im krassen Widerspruch zum Spiessrutenlauf, der bei der Realisierung von Windkraftprojekten absolviert werden muss, wie auch die Schilderungen von Konrad Schleiss aus Grenchen SO zeigen. Neuester Stand: Im Juni 2015 hatte der Grenchner Gemeinderat Einsprachen gegen das Projekt Grenchenberg abgelehnt, doch leider ist jetzt beim Regierungsrat eine Beschwerde gegen diesen Entscheid hängig.

©Text: Toni Rütti und Anita Niederhäusern, Redaktion ee-news.ch


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