Die Schweizer Elektrizitätswerke und Energieversorgungsunternehmen unterstützen die Energiestrategie 2050 des Bundes. ©Bild: EY

Kontrovers diskutiert wird die vollständige Liberalisierung, die bereits einmal verschoben wurde und aktuell für 2018 vorgesehen ist. ©Bild: EY

Stromwirtschaft: Schaut skeptisch in die Zukunft

(PM) Die Schweizer Elektrizitätswerke und Energieversorgungsunternehmen schauen skeptisch in die Zukunft: Sie glauben mittelfristig nicht an steigende Strompreise und rechnen für 2016 bis 2018 mit einem mässigen Geschäftsgang. Sie unterstützen zwar die Energiestrategie 2050 des Bundes, die geplante vollständige Liberalisierung 2018 wird hingegen kritisch gesehen.


Die Notwendigkeit von Innovationen ist zwar erkannt. Unter dem Schlagwort Innovation findet jedoch oftmals nur eine Weiterentwicklung bestehender Themenfelder statt. Das Feld ist daher weiter ausbaufähig, wie eine aktuelle Umfrage von EY Schweiz bei den Entscheidern der relevanten Unternehmen zeigt.

Weniger optimistisch
Aufgrund des schwierigen wirtschaftlichen Umfelds beurteilen die befragten Elektrizitätswerke und regionalen Energieversorgungsunternehmen die wirtschaftlichen Aussichten für das laufende Jahr weniger optimistisch als noch im vergangenen Jahr: So erwarten nun 65 Prozent ein gutes oder sehr gutes laufendes Geschäftsjahr, im Vorjahr waren noch 78 Prozent dieser Ansicht. Die kommenden drei Jahre werden noch kritischer gesehen – weniger als 50 Prozent der Unternehmen rechnen mit einem guten oder sehr guten Geschäftsverlauf.

Kostendruck nimmt zu
70 Prozent der Unternehmen rechnen für die kommenden fünf Jahre mit gleichbleibenden oder gar weiter sinkenden Strompreisen. Dies erhöht weiterhin den Druck auf die Unternehmen, Kostenpositionen zu überprüfen und entsprechende Massnahmen einzuleiten. Dies zeigt sich auch in den Umfrageergebnissen: So verzeichnet bei den Themen von besonderer Bedeutung die Thematik «Restrukturierungsprojekte/Kostenoptimierung» den grössten Zuwachs im Vergleich zum Vorjahr. Rund zwei Drittel erachten Massnahmen hierzu als wichtig.

Trotz dem Kostendruck werden politische getriebene Unterstützungsmassnahmen für Wasserkraftbetreiber kritisch gesehen. Nur die Hälfte aller Unternehmen erachtet solche Massnahmen als sinnvoll. Vor allem der oft diskutierte «Wasserrappen» findet bei den Unternehmen wenig Anklang. Vielmehr bevorzugen sie - wenn überhaupt - individuell abgestimmte und auf die jeweilige wirtschaftliche Situation von Wasserkraftwerksbetreibern zugeschnittene Förderinstrumente.

Weiterhin schwierige Marktverhältnisse
«Die schwierigen Marktverhältnisse werden die Schweizer Energiebranche auch in den nächsten Jahren begleiten. Zahlreiche Kraftwerkstechnologien wie die Wasserkraft werden mittelfristig – ohne politische Eingriffe – weiterhin nicht rentabel wirtschaften. Die geplante Strommarktöffnung für alle Schweizer Endkunden wird zudem den Kostendruck auf der Vertriebsseite erhöhen», sagt Alessandro Miolo, zuständiger Partner für Power & Utilities bei EY Schweiz.

Liberalisierung wird skeptisch gesehen
Kontrovers diskutiert wird die vollständige Liberalisierung, die bereits einmal verschoben wurde und aktuell für 2018 vorgesehen ist. Nur ein Drittel der Unternehmen erachtet den Zeitpunkt als sinnvoll, ein weiteres gutes Drittel befürwortet zwar ebenfalls eine vollständige Strommarktöffnung auch für Privatkunden, findet aber 2018 zu früh. Ein Viertel der befragten Elektrizitätsunternehmen lehnt eine vollständige Liberalisierung gar komplett ab.

Mit der teilweisen Öffnung des Strommarktes haben die Kunden und ihre Bedürfnisse an Bedeutung gewonnen. Entsprechend stehen Absatz, Marketing und Kundenbetreuung ganz oben auf der Agenda der Unternehmen. 81 Prozent werden sich damit stark oder sehr stark auseinandersetzen, im Vorjahr waren es noch 71 Prozent. Insbesondere die Vorbereitung auf den zweiten Schritt der Liberalisierung mit der Marktöffnung für den Privatkunden beschäftigt die Energiewirtschaft. So besitzen die Entwicklung neuer Produkte und Services sowie die Kundenbetreuung die höchste Priorität.

Energiestrategie 2050 wird befürwortet
Die vom Bundesrat beschlossene und vorangetriebene Energiestrategie 2050 zur langfristigen Sicherstellung der Energieversorgung erhält Rückendeckung aus der Energiewirtschaft: Über drei Viertel der befragten Gesellschaften unterstützen diese. Eine der zentralen Säulen der Energiestrategie 2050 erhält ähnlich viel Support: Gut 70 Prozent befürworten die Abschaltung der Schweizer Kernkraftwerke nach Ablauf der regulären Betriebsdauer.

Smart Metering und Smart Grid
Im Vergleich zum Vorjahr haben die Themen Smart Metering, Smart Grids und Netzintegration deutlich an Bedeutung hinzugewonnen. Waren es in 2014 noch 36 Prozent der Unternehmen, die sich mit diesen Fragestellungen in den kommenden zwei bis drei Jahren intensiv oder sehr intensiv auseinander setzen wollten, so ist der Anteil in diesem Jahr auf 58 Prozent angestiegen. Dazu hat sicherlich im starken Ausmass die im März 2015 vom Bund veröffentlichte Smart Grid Roadmap beigetragen. 70 Prozent der befragten Unternehmen unterstützen die vom Bund vorgestellte Smart Grid Roadmap.

Der hohe Stellenwert der Themen aus der Smart Grid Roadmap wird auch in der Prioritätssetzung der möglichen Innovationsbereiche deutlich. So arbeiten jeweils 79 Prozent der Unternehmen aktiv an Prozessinnovationen beim Management der Netze und der Messung. Im Bereich der Smart Grids sehen 72 Prozent ein hohes oder sehr hohes Innovationspotenzial, beim Smart Metering 63 Prozent.

Untergeordnete Rolle
Generell spielt das Thema Innovation bei den Energieversorgungsunternehmen aber noch eine untergeordnete Rolle, hat aber für die Schweizer Stromwirtschaft eine höhere Bedeutung als in Österreich und Deutschland: Zwei Drittel der Elektrizitätswerke und regionalen Energie­versorgungsunternehmen wollen sich in den kommenden Jahren intensiv mit Innovationen im Bereich der Geschäftsprozesse sowie bei Produkten und Services auseinandersetzen - und immerhin 56 Prozent suchen nach innovativen Geschäftsmodellen.

«Die Schweizer Energieversorger erachten die Energiestrategie des Bundesrates als sinnvoll und gehen davon aus, dass keine neuen Kernkraftwerke gebaut werden. Um die damit verbundenen Herausforderungen zu meistern und auch in Zukunft die Versorgungssicherheit zu gewährleisten braucht es einen Innovationsschub - nicht nur bei den Technologien und Netzen, sondern auch in Fragen der Organisation, des Vertriebs und der Produktgestaltung», schätzt Benjamin Teufel, Energiespezialist bei EY Schweiz, die Lage der Branche ein.

Erläuterungen zur Studie
Die Expertenbefragung bei Entscheidern (Geschäftsführer oder Verwaltungsratspräsidenten) von Elektrizitätswerken und Energieversorgungsunternehmen (EVU) der Schweiz fand im Mai und Juni 2015 statt. Befragt werden konnten 43 von 203 angefragten Unternehmen in der Schweiz. Anhand eines standardisierten Fragebogens wurden computergestütztes Telefoninterviews von durchschnittlich 40 Minuten Dauer durchgeführt. Umfragen mit einem Grossteil analoger Fragen wurden im selben Zeitraum auch bei der gleichen Zielgruppe in Deutschland und Österreich umgesetzt.

Text: Ernst & Young

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