Neu werden auch kombinierte Kraftwerke angedacht: Die Kombination CSP und Photovoltaik öffnen neue Möglichkeiten. ©Bild: DLR

Im chilenischen Projekt Atacama errichtet der spanische Konzern Abengoa Solar einen neuartigen Solarturm, bei dem hunderte Spiegel am Boden die Sonnenstrahlen auf einen Receiver in der Spitze des Turms bündeln. ©Bild: Abengoa Solar

Solarthermische Kraftwerke: Nur vorübergehend auf Eis

(©SR) Das Wüstenstromprojekt Desertec ist zwar gescheitert ist, doch halten Experten grundlastfähige Sonnenwärmekraftwerke langfristig für unverzichtbar. Die konzentrierende Solarthermie (CSP) spielt dabei eine Schlüsselrolle, auch Dank integrierter Wärmespeicher. Die Technik muss aber deutlich günstiger werden, denn Photovoltaik- und Windstrom sind heute deutlich billiger.


Von wegen – Deutschland ist Vorreiter beim Umstieg auf erneuerbare Energien. Marokko verfolgt einen noch ehrgeizigeren Energiewende-Plan: Bis 2020 sollen 42 Prozent des landesweit verbrauchten Stroms aus erneuerbaren Quellen stammen. 30 Prozent sind dank Wind- und Wasserkraft bereits geschafft, den Rest soll nun vor allem die Solarenergie beisteuern. „Der marokkanische Solarplan hat das Ziel, bis 2020 Solarkraftwerke mit einer Gesamtkapazität von 2000 Megawatt zu bauen“, erklärt Norbert Kloppenburg von der deutschen Förderbank KfW, die Solarprojekte in Marokko mitfinanziert.

500 MW CSP-Projekt im Bau
Die konzentrierende Solarthermie (CSP) spielt dabei eine Schlüsselrolle. Bei dieser Technik lenken Spiegel Sonnenlicht auf einen Wärmeträger, über einen nachgeschalteten Wärmetauscher wird Dampf erzeugt, der wiederum eine Turbine antreibt. Im Mai 2013 hat der saudi-arabische Kraftwerksbauer Acwa Power in der zentralmarokkanischen Stadt Ouarzazate mit dem Bau des Sonnenwärme-Kraftwerks Noor begonnen. Es soll bis 2017 in drei Abschnitten realisiert werden und mit einer Gesamtleistung von 500 Megawatt Strom für mehr als eine Million Menschen liefern. Im Oktober soll der erste Abschnitt mit 160 Megawatt ans Netz gehen.

Photovoltaik und Wind deutlich günstiger
Allerdings ist Noor nur eine der wenigen glänzenden Ausnahmen in einer ansonsten eher schwierigen Phase für die Solarthermie. Denn seit die Desertec-Industrieinitiative Dii im Vorjahr ihre Pläne fallen liess, im Naher Osten und in Nordafrika im grossen Stil CSP-Kraftwerke zu errichten, um die dortigen Länder sowie Europa mit sauberem Wüstenstrom zu versorgen, stockt der Ausbau der Technik. Derzeit sind weltweit solarthermische Kraftwerke mit vier Gigawatt Gesamtleistung in Betrieb. Wollten internationale Konzerne wie ABB, Eon und Siemens die Kapazität im Rahmen von Desertec bis 2020 auf 35 Gigawatt ausbauen, rechnet Robert Pitz-Paal vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) inzwischen nur noch mit zehn Gigawatt. „Die Technik hat sich nicht so schnell entwickelt wie die Photovoltaik und die Windenergie“, erklärt der Solarexperte das Scheitern Desertecs. Laut DLR kostet solarthermisch erzeugter Strom aktuell rund 13 Cent pro Kilowattstunde, während Solar- und Windstrom bereits für deutlich weniger als zehn Cent produziert werden können.

Grosser Vorteil Salzspeicher
Doch langfristig könnte sich das Blatt noch einmal für Sonnenwärme-Kraftwerke wenden. Die Internationale Energieagentur (IEA) geht in ihrer aktuellen Solarthermie-Roadmap davon aus, dass im Jahr 2050 CSP-Kraftwerke mit einer Gesamtleistung von 1000 Gigawatt rund elf Prozent des globalen Strombedarfs decken werden. Ihre positive Prognose begründet die IEA einerseits mit dem hohen Entwicklungspotenzial der Technik – langfristig soll der Solarthermie-Strom nur noch sechs Cent pro Kilowattstunde kosten – und andererseits mit der Vielseitigkeit der Kraftwerke: Dank integrierter Wärmespeicher können die Anlagen bis weit in die Nacht Solarstrom liefern – ein klarer Pluspunkt gegenüber Photovoltaikanlagen, die hierfür mit teuren Batteriespeichern kombiniert werden müssten. Aus diesem Grund hat sich auch Marokko bei Noor für die Solarthermie entschieden. Ist die Sonne untergegangen, soll Noor I dank seines Salzspeichers noch für sechs Stunden Strom liefern können.

Neuartiger Solarturm
Wegen der Aussicht auf grundlastfähigen Ökostrom köchelt die Solarthermie auch in anderen Länder weiter. Nach einer Übersicht der internationalen Organisation Solarpaces, die Forschung und Bau der Technik koordiniert und unterstützt, haben vor allem die USA, der Nahe Osten, Nordafrika, China und Chile noch Pläne mit CSP. Chile zählt zu den grossen Hoffnungsträgern der Branche, da es in den kommenden Jahren insgesamt 870 Megawatt Solarthermie-Leistung realisieren und dabei neueste Technik einsetzen will. Bisher kommen meist sogenannte Parabolrinnen-Kraftwerke zum Einsatz, deren gekrümmten Spiegel die Sonnenstrahlen auf ein in der Brennlinie der Rinnen verlaufendes Absorberrohr bündeln. Im chilenischen Projekt Atacama hingegen errichtet der spanische Konzern Abengoa Solar einen neuartigen Solarturm, bei dem hunderte Spiegel am Boden die Sonnenstrahlen auf einen Receiver in der Spitze des Turms bündeln. Auf diese Weise werden höhere Temperaturen als bei den Parabolrinnen erreicht und das Kraftwerk lässt sich effizienter fahren. 2018 will Abengoa Solar den 110-Megawatt-Turm in Betrieb nehmen.

Trend zu grösseren Receivern
Damit auch andere Länder Solarthermie-Projekte wieder forciert angehen, suchen Firmen und Forscher nach Wegen, die Kosten schnell zu senken. „Wir sehen Potenzial auf mehreren Ebenen“, sagt Nikolaus Benz, Geschäftsführer von Schott Solar CSP. Das Unternehmen hat sich auf die Produktion von Receivern für Parabolrinnenkraftwerke spezialisiert. Sie enthalten als Wärmeträger bisher Thermoöl, das sich durch die konzentrierte Sonnenstrahlung auf 400 Grad erhitzt. „Künftige Solarfelder werden Salzschmelze verwenden, um den Kraftwerksprozess bei über 500 Grad Celsius und dadurch mit höheren Wirkungsgraden betreiben zu können“, erklärt Benz. Ab 2016 will ein aus elf Partnern bestehendes Konsortium unter Beteiligung von Schott und dem DLR den Wärmeträger erstmals in einer neuen Versuchsanlage in Portugal testen. Ihr Bau soll nach DLR-Informationen noch dieses Jahr anlaufen. Ausserdem sieht Schott-Experte Benz einen Trend zu grösseren Receivern. Diese seien für Kollektorstrukturen mit grösseren Abmessungen und insgesamt niedrigeren flächenspezifischen Kosten erforderlich. „In dieser Optimierung des Solarfelds, also dem Zusammenwirken von Receiver, Spiegeln und Tragekonstruktionen, sehen wir noch enormes Verbesserungspotenzial.“

Von Thermoöl über Salzschmelze zu Keramikpartikel
Das DLR widmet sich unterdessen der Weiterentwicklung der Turmtechnik. Bisher kommt in den Receivern in über hundert Metern Höhe ein Salzfluid als Wärmeträger zum Einsatz. Es kann zwar auf fast 600 Grad erhitzt werden und erreicht damit höhere Temperaturen als das in Parabolrinnen verwendete Thermoöl. Dennoch reicht den DLR-Wissenschaftlern die Temperatur noch nicht aus. Ihr Ansatz: Sie ersetzen das Salz durch eigens entwickelte Keramikpartikel, die bis auf 1000 Grad Celsius aufgeheizt werden und die Wärme zudem über einen längeren Zeitraum speichern können. „Das Partikelsystem könnte sich als wichtiger Baustein künftiger Turmkraftwerke erweisen und zu einer Reduktion der Gesamtkosten von zehn bis 20 Prozent führen“, erklärt DLR-Forscher Reiner Buck. Noch ist das System aber nicht reif für die industrielle Anwendung. Erst 2016 sollen die Tests beginnen, frühestens in zehn Jahren sei dann mit einem Einsatz in einem konventionellen 100-Megawatt-Turm zu rechnen, so Buck.

Kombination von CSP und Photovoltaik
Andreas Bett, Experte für konzentrierende Photovoltaiksysteme am Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (Ise) in Freiburg, sieht einen weiteren Weg, Sonnenwärme-Kraftwerken zum Durchbruch zu verhelfen. „CSP und die Photovoltaik können in Turmkraftwerken miteinander kombiniert werden“, erklärt Bett. So liesse sich neben dem solarthermischen Receiver ein zweiter photovoltaischer Receiver in den Turmkopf einbauen, der mit Hochleistungs-Solarzellen bestückt wird. Sie erzeugen bei Sonnenschein günstigen Photovoltaikstrom, bei Bewölkung und nachts springt die Solarthermie ein. Die für den Photovoltaikpart geeigneten Tandemzellen, die aus mehreren Zellen mit verschiedenem Material bestehen, sind bereits kommerziell verfügbar und können konzentrierte Sonnenstrahlen mit einem Wirkungsgrad von bis zu 40 Prozent in Strom umwandeln.

Mehr Dampf
Die Crux an der Sache: Derartige Kombikraftwerke existieren bisher nur auf dem Reissbrett. Ausserdem müsste ihr wirtschaftlicher Nutzen in Kostenstudien erst noch nachgewiesen werden – noch ist dies reine Theorie. Das technische Potenzial der Solarthermie hingegen ist unbestritten immens, und die IEA sieht in ihr wohl nicht zu unrecht eine Schlüsseltechnik, die in sonnenreichen Staaten konventionellen Kraftwerken Paroli bieten kann. Doch damit diese Prognose eintritt und sich die Länder wieder stärker auf CSP fokussieren, müssen die Entwickler mit kostensenkenden Innovationen im wahrsten Sinne mehr Dampf geben.

©Text: Sascha Rentzing

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