Ein Beispiel für Grossbatterien ist das Batteriekraftwerk des Energieversorgers WEMAG mit einer Leistung von 5 MW und einer Speicherkapazität von fünf Megawattstunden, das zusammen mit dem Batteriespezialisten Younicos entwickelt wurde. ©Bild: WEMAG

Das Energieunternehmen Enertrag spart sich in seinem Prenzlauer Hybridkraftwerk die Methanisierung und produziert dort neben Strom und Wärme nur Wasserstoff. Grafik: ©Enertrag/Römer

Elektromobilität: Gibt Schub für Stromspeicher

(©SR) Batterien und Power-to-Gas-Anlagen werden erst bei hohen Anteilen von Wind- und Solarenergie als Netzstabilisatoren gebraucht. Durch die Elektromobilität erfahren die Techniken aber bereits heute einen Aufschwung. Von Schwarmkraftwerken über Power-to-Gas bis hin zu Grossbatterien, eine Auslegeordnung.


Deutschland in 20 Jahren: Windparks verteilen sich über das ganze Land, überall glitzern Solardächer. Das erste grosse Etappenziel der Energiewende ist erreicht: Die Erneuerbaren liefern mehr als die Hälfte des benötigten Stroms. Doch der hohe Anteil fluktuierender Stromerzeuger sorgt für Probleme. Die Kapazität schnell steuerbarer Kraftwerke reicht nicht mehr aus, um die schwankende Produktion der Windturbinen und Solaranlagen auszutarieren – es wird Zeit für Speicher, die Stromüberschüsse aufnehmen und auf Kommando wieder abgeben können. Ohne sie könnte das elektrische Energiesystem nicht mehr stabil betrieben werden, drohten sogar Blackouts. „Irgendwann hilft der Netzausbau allein nicht mehr weiter. Mittel- bis langfristig brauchen wir beides: Netze und Stromspeicher“, sagt der Energieprofessor Michael Sterner von der Ostbayerischen Technischen Hochschule Regensburg.

Stromüberschüsse für die Spritproduktion
Damit Batterien und Power-to-Gas-Anlagen einsatzbereit sind, wenn sie benötigt werden, müssen sie aber technisch noch optimiert werden. Hilfreich für die Energiewirtschaft: Die Autoindustrie, die für ihre neuen Fahrzeugflotten ebenfalls dringend Batterien und Wasserstoffanlagen benötigt, treibt die Kommerzialisierung der Speicher bereits voran. In Japan und den USA nehmen Elektrofahrzeuge allmählich Fahrt auf, Deutschland will nachziehen. Der Toyota-Mirai etwa, das erste Grossserienauto mit Brennstoffzelle, ist in Japan derart gefragt, dass Toyota die Produktion bereits hochgefahren hat. Ab September wird der Mirai auch in Deutschland angeboten. Um den Weg für Brennstoffzellenautos frei zu machen, soll der Bestand von Wasserstofftankstellen bis 2023 von derzeit 18 auf 400 Stationen erweitert werden. Das ist ganz im Sinne der Energieunternehmen, die ihre Stromüberschüsse zur Spritproduktion an Power-to-Gas-Anlagen liefern könnten.

Vorzeigebeispiel Audi
Die ersten Projekte, die das proben, sind bereits in Betrieb. Audi etwa wandelt in seiner sogenannten „E-Gas“-Anlage im niedersächsischen Werlte Ökostrom per Elektrolyse in Wasserstoff um, der anschliessend mit dem Kohlendioxid einer angrenzenden Biogasanlagen zu Methan reagiert. Den für die Elektrolyse nötigen Ökostrom liefert der Oldenburger Energieanbieter EWE. Das Methan wird anschliessend vor Ort in das Erdgasnetz eingespeist, das Heizungen, Kraftwerke und Tankstellen versorgt. Da Methan Hauptbestandteil von Erdgas ist, gibt es bei der Einspeisung keine Probleme. Rechnerisch können mit dem Treibstoff aus Werlte – die Produktionsmenge liegt bei ungefähr 1000 Tonnen pro Jahr – 1500 Erdgasautos jeweils 15000 Kilometer weit fahren.

Vorzeigebeispiel Enertrag
Das Energieunternehmen Enertrag spart sich in seinem Prenzlauer Hybridkraftwerk die Methanisierung und produziert dort neben Strom und Wärme nur Wasserstoff. Das Kraftwerk besteht aus drei Windturbinen, einem Elektrolyseur, zwei Blockheizkraftwerken und einer Biogasanlage. Der Wasserstoff wird mit den Überschüssen der Windräder hergestellt und ins Erdgasnetz eingespeist. Greenpeace Energy nimmt das H2 ab und integriert es in seinen Gastarif Prowindgas. Der Wasserstoff könne aber auch direkt in Brennstoffzellenfahrzeugen eingesetzt werden, sagt Enertrag-Chef Jörg Müller. „Die Autos sind verfügbar, die Tankstellen werden gebaut – nichts spricht dagegen.“

Mittagsspitzen abfedern
Einen noch stärkeren Schub als die Power-to-Gas-Technik erleben derzeit Lithium-Ionen-Batterien. Die Nachfrage nach Elektrofahrzeugen steigt und damit auch die Akkuproduktion. Autoentwickler Tesla baut im US-Bundesstaat Nevada derzeit eine Riesenfabrik für Lithium-Ionen-Batterien mit einer Jahreskapazität von 35 Gigawattstunden. Von den Kostensenkungen, die aus dem Ausbau der Massenproduktion resultieren, profitieren auch die Anbieter von Solarspeichern, die bevorzugt Lithium-Ionen-Zellen in ihren Systemen einsetzen. Sie sammeln den Strom und stellen in ihn in der verbrauchsstarken Zeit am Abend zur Verfügung. So können sich Hausbesitzer unabhängiger vom teuren Standardstrom aus der Steckdose machen, der mit einem Nettopreis von 22 Cent pro Kilowattstunde mittlerweile fast doppelt so teuer ist wie privat erzeugter Solarstrom. Der Nutzen der Solarspeicher für das Energiesystem besteht primär darin, dass sie Mittagsspitzen der Photovoltaikanlagen abfedern und somit gefährliche Spannungshübe verhindern können. „Eigenverbrauch und netzdienliches Speichern von Solarstrom passen zusammen“, sagt der Netzexperte Bernd Engel vom Bundesverband Solarwirtschaft (BSW).

Schwarmkraftwerke
Um die lokalen Solarspeicher noch wirkungsvoller einzusetzen, können sie mit anderen Erzeugern vernetzt und als sogenanntes Schwarmkraftwerk betrieben werden. Stromanbieter Lichtblick plant, das Schwarmkonzept mit Batterien von Sonnenbatterie, Varta und Tesla umzusetzen. Brauchen die deutschen Übertragungsnetzbetreiber zusätzlichen Strom, startet Lichtblick Blockheizkraftwerke oder entlädt lokale Speicher. Erzeugen Sonne und Wind zu viel Strom, wird der Schwarm mobilisiert, die Energie aufzunehmen. Speicheranbieter Deutsche Energieversorgung wiederum will im Rahmen seines Projekts Econamic Grid 5000 seiner eigenen Bleiakkus mit elektrischen Heizstäben koppeln, die Stromüberschüsse nutzen, um heisses Wasser für Dusche und Heizung zu erzeugen. Die Überschüsse werden den Projektteilnehmern kostenlos zur Verfügung gestellt, da sie nicht anders verwendet werden könnten und ins Ausland verschenkt oder sogar vernichtet werden müssten, heisst es bei der Deutschen Energieversorgung.

5 MW Batterie
Statt kleinere Akkus mit zusätzlichen Wärmeerzeugern zu einem Schwarmkraftwerk zu bündeln, können die Batterien auch gleich als grosse Einheiten konzipiert werden. Ein Beispiel hierfür ist das Batteriekraftwerk des Energieversorgers WEMAG mit einer Leistung von fünf Megawatt und einer Speicherkapazität von fünf Megawattstunden, das zusammen mit dem Batteriespezialisten Younicos entwickelt wurde. Das Kraftwerk liefert sogenannte positive und negative Regelleistung, trägt also dazu bei, sowohl Überschüsse als auch eine Unterversorgung auszugleichen. Zudem soll die Lithium-Ionen-Batterie künftig Systemdienstleistungen wie Blindleistung zur Spannungsregelung bereitstellen.

Langzeitpuffer und 100% Eingenverbrauch
Parallel arbeiten Wissenschaftler und Firmen in vielen weiteren Projekten an neuen Batteriematerialien und Steuer- und Regelstrategien. So hat das Karlsruher Institut für Technologie am Standort Ulm im Mai einen Lithium-Ionen-Speicher mit einer Kapazität von 76 Kilowattstunden in Betrieb genommen, der den Strom einer Photovoltaikanlage mit 31 Kilowatt „bändigen“ soll. Eine neue Software sorgt dafür, dass die Solarenergie vollständig im Institut genutzt und keine einzige Kilowattstunde ins Netz eingespeist wird. In der Nähe von Husum wiederum hat das Unternehmen Energiespeicher Nord eine Lithium-Ionen-Batterie und eine sogenannte Vanadium-Redox-Flow-Batterie kombiniert, um überschüssigen Strom des Windparks Braderup-Tinningstedt aufzunehmen. Der Lithium-Ionen-Akku kann in Sekundenschnelle grosse Energiemengen aufnehmen und abgeben und simuliert in dem Projekt die Funktion des Sprinterkraftwerks, die Vanadium-Batterie kann mehrere stromlose Stunden überbrücken und dient daher als Langzeitpuffer. Ziel des Projekts ist es, nach Analyse des Zusammenspiels der beiden Techniken den perfekten Stromspeicher zu entwickeln. Bis derartige Vorhaben tatsächlich in marktreifen Techniken münden, wird wahrscheinlich noch einige Zeit vergehen. Umso wichtiger ist es, dass die Suche nach geeigneten Speichern jetzt vorangetrieben wird, damit sie künftig verlässlich zur Verfügung stehen.

©Text: Sascha Rentzing

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