Atomsubventionen in Europa verursachen erheblichen Schaden für erneuerbare Energien und beeinflussen den Strommarkt (hier im Beispiel Deutschland). ©Bild: Greenpeace Energy

Hinkley Point C: 10 Unternehmen verklagen EU-Kommission wegen Beihilfen

(PM) Ein Bündnis aus Ökostromanbietern und Stadtwerken klagt gegen Subventionen für das britische Atomkraftwerk Hinkley Point C. Die bereits fertiggestellte Klage wollen die zehn Unternehmen beim Gericht der Europäischen Union in Luxemburg einreichen.


Greenpeace Energy, die Energieversorgung Filstal, die österreichische oekostrom AG sowie die Stadtwerke Aalen, Bietigheim-Bissingen, Bochum, Mainz, Mühlacker, Schwäbisch Hall und Tübingen gehen mit ihrer Klage gegen die Europäische Kommission vor, die die Atomsubventionen in dreistelliger Milliardenhöhe genehmigt hat. Das Klagebündnis belegt mit einer neuen Studie, dass Hinkley Point C zusammen mit weiteren AKW-Projekten die Preise auf dem deutschen Strommarkt um bis zu zwölf Prozent beeinflussen und so den Wettbewerb massiv verzerren können.

Ökologisch und volkswirtschaftlich unsinnig
„Wir klagen gegen diese masslosen Atomsubventionen, weil sie ökologisch und volkswirtschaftlich unsinnig erscheinen und erhebliche finanzielle Nachteile für andere Energie-Anbieter, die Erneuerbaren und die Verbraucher bedeuten“, sagt Sönke Tangermann, Vorstand bei Greenpeace Energy. Allein eine für 35 Jahre versprochene und an die Inflation angepasste staatliche Einspeisevergütung für Hinkley Point C summiert sich nach Berechnungen im Auftrag von Greenpeace Energy auf 108 Milliarden Euro. Zudem sichert der britische Staat für den Bau des Atomkraftwerks Bürgschaften in Höhe von mehr als 20 Milliarden Euro sowie weitere Garantien für die Investoren zu.

Nachhaltig negatives Störsignal
„Durch die Entscheidung der EU-Kommission drohen negative Auswirkungen auf unsere umweltschonenden Erzeugungsanlagen“, sagt Dr. Achim Kötzle, energiewirtschaftlicher Geschäftsführer der Stadtwerke Tübingen im Namen der acht Stadtwerke in der Klagegemeinschaft. Kötzle sieht in den Beihilfen für Hinkley Point C „ein nachhaltig negatives Störsignal“ für die Wirtschafts- und Investitionstätigkeit der Stadtwerke, die sich einer regionalen Energieversorgung und dem Ausbau der erneuerbaren Energien oder der Kraft-Wärme-Kopplung verpflichtet sehen. „Wenn das britische Beihilfemodell Schule macht – und hierzu gibt es starke Signale aus Polen, der Tschechischen Republik und Ungarn – dann sieht es um die deutsche Energiewende und die dezentrale Energieversorgung düster aus“, sagt Kötzle.

Enorme Auswirkungen auf den deutschen Strommarkt
Das belegt auch eine neue Untersuchung im Auftrag der Klagegemeinschaft: „Würde das Beihilfeschema für Hinkley Point C als Vorbild für weitere AKW-Projekte in Europa dienen, so hätte dies in den kommenden Jahren enorme Auswirkungen auf den deutschen Strommarkt“, sagt Studienleiter Thorsten Lenck von Energy Brainpool. Das Berliner Analyseinstitut hat im Auftrag der Klagegemeinschaft errechnet, dass geplante, hochsubventionierte AKW in sechs EU-Staaten den Grosshandelspreis für Strom in Deutschland um bis zu 11.8 Prozent drücken können. Die Megawattstunde Börsen-Graustrom, der auch Atomstrom enthält, würde sich um bis zu 5.70 Euro verbilligen und damit zu erheblichen Wettbewerbsnachteilen für Anbieter erneuerbarer Energien führen. „Wegen des Preisverfalls für Börsenstrom steigen die jährlichen Mehrbelastungen für das EEG-System auf bis zu 2.2 Milliarden Euro im Jahr 2040“, sagt Lenck. Durch höhere Differenzkosten wird der AKW-Ausbau in der EU damit auch für die Verbraucher in Deutschland spürbar: Sie müssten bis zu 16.40 Euro mehr EEG-Umlage pro Jahr zahlen – allein wegen der Preiseffekte durch hochsubventionierten Atomstrom aus dem Ausland.

Kein Türöffner
„Hinkley Point C darf nicht zum Türöffner für eine Wiederkehr der schädlichen und teuren Atomkraft in Europa werden“, sagte Sönke Tangermann vor der Bundestagsabstimmung am 6. Juli. „Für die deutsche Politik ist dies die letzte Gelegenheit, klagende Parteien als Streithelfer zu unterstützen oder selbst gegen die AKW-Beihilfen vor Gericht zu ziehen – so wie Österreich, Luxemburg und unser Klagebündnis das bereits vormachen.“ Am Abend lehnte der Deutsche Bundestag leider eine Klage gegen die umstrittenen Beihilfen ab.

Ausbau der Atomkraft kein gemeinsames Interesse der EU
Das zuständige Bundeswirtschaftsministerium verweist auf angeblich geringe Erfolgsaussichten einer Klage. Nach Einschätzung der Klagegemeinschaft enthält die Genehmigung der Atomsubventionen durch die EU-Kommission aber zahlreiche Rechtsfehler: „Anders als die Kommission argumentiert, stellt der Ausbau der Atomkraft kein gemeinsames Interesse der Europäischen Union dar, sondern ist in vielen Mitgliedsländern inzwischen sogar illegal“, sagt Dr. Dörte Fouquet, Partnerin bei der international tätigen Kanzlei Becker Büttner Held.

Die auf Verfahren im Energiebereich spezialisierte Rechtsanwältin vertritt das Klagebündnis im jetzt beginnenden Verfahren vor dem EU-Gericht und hat noch einige weitere Schwächen und Ermessensfehler der Kommissionsentscheidung entdeckt. So habe die Kommission ignoriert, dass es für Hinkley Point C keine Ausschreibung gab. Und: „Der Euratom-Vertrag, auf den sich die Kommission beruft, rechtfertigt keine staatlichen Beihilfen.“ Insgesamt habe die Kommission einen falschen Bewertungsmassstab angewandt, da es sich bei der britischen Förderung um eine rechtswidrige Betriebsbeihilfe und nicht um eine Investitionsbeihilfe handelt. Zudem, so Fouquet, liege auf dem Energiemarkt kein allgemeines Marktversagen vor, welches die geplanten Subventionen rechtfertigen könnte.

Text: Greenpeace Energy eG

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