Vertreter aus allen Lagern: Bernhard Gyger (Wasserverbund Region Bern), Suzanne Thoma (BKW), Thomas Fischer (EKS Schaffhausen), Thomas Stadler (Alpiq AG), Peter Wiederkehr (ERZ Zürich), Matthias Gysler (BFE). ©Bild: T. Rütti

BKW-CEO Suzanne Thoma machte sich stark für unternehmerfreundliche Rahmenbedingungen. Zudem präsentierte sie die vom Energieunternehmen BKW geplanten Milliardeninvestitionen. ©Foto: T. Rütti

Matthias Gysler vom Bundesamt für Energie BFE, im Gespräch mit Peter Wiederkehr (Vorstand VSA/InfraWatt). ©Foto: T. Rütti

Das «Leuchtturmprojekt Regelpooling»: Für Andreas Hurni (Ryser Ingenieure AG) steht fest, dass Infrastrukturanlagen über bislang unterschätzte Potentiale zur zeitlichen Lastverschiebung verfügen. ©Foto: T. Rütti

InfraWatt: Stromsparpotentiale bei den Infrastrukturanlagen

(©TR) «Stromversorgung mit einheimischen Energien – wie lassen sich zukünftig Schwankungen?» Um diese Kernfrage drehte sich eine Fachtagung des Vereins InfraWatt, die anlässlich der Schweizer Fachmesse für öffentliche Betriebe und Verwaltungen, Suisse Public, in Bern stattfand. Aufhänger der Fachtagung war eine Studie von InfraWatt im Auftrag des Bundesamtes für Energie. InfraWatt ist ein Verein für die Energienutzung aus Abwasser, Abfall, Abwärme und Trinkwasser.


An unterschiedlichen Auffassungen fehlte es an der InfraWatt-Fachtagung vom 17. Juni 2015 wahrlich nicht, obschon dieser Anlass von nur 25 Zuhörern, Referenten und Podiumsteilnehmenden besuchten wurde. Doch die Zusammensetzung der Teilnehmenden machte es aus, stiessen doch Exponenten aus den verschiedensten Lagern aufeinander. Und tatsächlich: Wenn BKW-CEO Suzanne Thoma auf Matthias Gysler vom Bundesamt für Energie BFE trifft, ist vorprogrammiert, dass sich die Vertreterin des Energiekonzerns nebst Stabilität an der Währungsfront vor allen Dingen unternehmerfreundlichere Rahmenbedingungen und diesbezügliche Stabilität über Jahre wünscht, während der Vertreter des Bundes die Energieziele 2050 hochhält, wonach die Stromversorgung vor allen Dingen nachhaltig auszufallen hat.

Billiger Kohlestrom aus EU und Atomstrom
Allerdings gab es auch Übereinstimmungen: Stichworte dazu sind der Megatrend Energieeffizienz sowie neue Erneuerbaren Energien. Immerhin will die BKW 1 Milliarde Franken in Neuinvestitionen in diesen Bereich investieren. Die Smart Grid Roadmap wurde als Vision der zukünftigen Elektrizität angepriesen. Der Bund wiederum will von der Kostendeckenden Einspeisevergütung zur Direktvermarktung mit Förderprämien schreiten. Klar, günstig und vor allen Dingen absolut versorgungssicher muss Strom auch sein. Billiger Kohlestrom aus EU erfüllt hierbei zwar das Kostenkriterium, läuft aber allen Forderungen nach Nachhaltigkeit exemplarisch zuwider. Ganz zu schweigen vom Strom aus dem Atomkraftwerk, was bei der Diskussionsrunde vor dem Hintergrund der hiesigen Ausstiegszenarien aufs Tapet gebracht wurde, aber auch bezüglich importiertem und fragwürdigem Atomstrom aus gewissen Ländern und ihren abbruchreifen Atomkraftwerken.

Sparpotential bei den Erneuerbaren Energien ausloten
Was liegt bei solchen Voraussetzungen näher, als nebst dem Faktor Energieeffizienz auch das Sparpotential bei den erneuerbaren Energien auszuloten. Wie ee-news.ch bereits am 5. Mai 2015 berichtete, hat die von InfraWatt erarbeitete Studie «Elektrische Antriebe bei Infrastrukturanlagen – Potentialanalyse und Massnahmenkatalog» vielversprechende Stromsparpotentiale bei den Infrastrukturanlagen Kläranlagen, Wasserversorgungen und Kehrichtverbrennungsanlagen ergeben. Die realistischen Stromsparpotentiale liegen bei diesen Infrastrukturanlagen alleine bezüglich elektrischer Antriebe bei 178 Millionen kWh pro Jahr. Das entspricht immerhin dem Stromverbrauch von 100'000 Bewohnern in Haushalten. Und: der grösste Teil dieser Potentiale ist laut Studie wirtschaftlich.

Finanzielle Anreize und zusätzliche Massnahmen

Damit die vorhandenen Potentiale sinnvoll ausgeschöpft werden, bedarf es zusätzlicher Massnahmen, etwa finanzielle Anreize, wobei diese vor allem an Feinanalysen auszurichten sind. Wieso? Um die konkreten Energiemassnahmen überhaupt ausfindig machen zu können. Erst in zweiter Linie ist an die Realisierung der Massnahmen zu denken: Diese werden nämlich teilweise bereits mit dem aktuellen Programm von ProKilowatt erfolgreich und effizient gefördert. Weitere Punkte betreffen die Intensivierung der Aus- und Weiterbildung sowie Information und Beratung der Betreiber bezüglich Energietipps.

Leistungsbilanz von Verbrauch und Produktion

Bekanntlich ist eine ausreichende Stromversorgung ein Hauptpfeiler der Energiestrategie des Bundes. Doch um die Stromversorgung sicherzustellen, soll sich die Leistungsbilanz von Verbrauch und Produktion jederzeit ausgeglichen präsentieren. Namentlich in Verbindung mit zunehmend fluktuierender Stromproduktion etwa aus Sonne und Wind könnte dies zur grossen Herausforderung der Zukunft werden, hiess es an der Tagung.

Leuchtturmprojekt Regelpooling

Über das laufende «Leuchtturmprojekt Regelpooling» berichteten Thomas Stadler (Alpiq) und Andreas Hurni (Ryser Ingenieure AG). Fest stehe bereits, dass Infrastrukturanlagen über bedeutende, bislang offenbar unterschätzte Potentiale zur zeitlichen Lastverschiebung verfügten. Anhand von Wasserversorgungen und Abwasserreinigungsanlagen soll nun innert zweier Jahre Folgendes bewiesen werden: Eine Lastverschiebung ist machbar – ohne Beeinträchtigung der Anlagen. Zudem lassen sich die möglichen Regelleistungen von verschiedenen Anlagen in einem Pool zusammenschliessen und sodann an die Übertragungsnetzbetreiberin Swissgrid AG verkaufen.

Verbrauchen Sie noch oder regeln Sie schon?
So lautet ein InfraWatt-Slogan. Wasserversorgungen und Kläranlagen sollen dann einspringen, wenn Solaranlagen nur wenig Strom produzieren. Kläranlagen sollen speziell während bewölkten Stunden mit Biogas beziehungsweise Wasserversorgungen mit Trinkwasserkraftwerken erneuerbaren Strom prozieren. InfraWatt will durch ein Pooling auch kleineren Anlagen die Möglichkeit bieten, Lastenverschiebungen zu vermarkten. Über ein Regelpooling sollen die Anlagen einen wichtigen Beitrag zum nationalen Lastausgleich und zur Stromversorgungssicherheit beitragen. Mit dem vom Bundesamt für Energie unterstützten «Leuchtturmprojekt» werden derzeit Machbarkeit und Wirtschaftlichkeit an Fallbeispielen getestet.

Lastausgleich mittels verschiedenen Massnahmen

  • Lastverschiebung bei grösseren Stromverbrauchern wie Kläranlagen, Wasserversorgungen, Kehrichtverwertungsanlagen (KVA), Industrien, Wärmepumpen, Kühlhäusern etc. oder einer grossen Anzahl von Haushalten
  • Kurzfristiges Zu- oder Abschalten von Kraftwerken insbesondere Pumpspeicherkraftwerken, KVA, Biomasskraftwerke oder Blockheizkraftwerke (BHKW)
  • Verkauf oder Zukauf aus dem Ausland (heute v.a. Atom-, Kohle- Sonne- und Windstrom)
  • Speicherung von zeitweise überschüssiger Stromproduktion u.a. mit Batterien.

©Text: Toni Rütti, Redaktor ee-news.ch

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