Windenergie sei eine der vielversprechenden Quellen für erneuerbare Energien. Sie habe sich durch den rasanten Ausbau mittlerweile zu einer Hochtechnologie entwickelt, auch wenn sie zum Teil noch umstritten sei. Doch gerade im Rahmen der Energiedebatte und der Energieziele 2050 komme ihr eine immer grössere Rolle zu, verhiess Prof. Dr. Joachim Borth einleitend. «Bei unserer heutigen Veranstaltung geht es um neue Entwicklungen bei der Windenergienutzung in Deutschland sowie um die Anstrengungen, die Windenergie auch in der Schweiz vermehrt nutzbar zu machen», sagte der Studiengangleiter Energie- und Umwelttechnik der ZHAW School of Engineering, der als Moderator durch die öffentliche Veranstaltung führte und dabei keine Zweifel offen liess: Die Energiequelle Wind hat Zukunft. Und: Ziele des Bundes sehen vor, die installierte Leistung der Windenergie bis ins Jahr 2050 auf 2‘000 MW auszubauen. «Das entspricht einer Produktion von etwa 7% unseres heutigen Strombedarfs. Um dies zu erreichen, sind nachhaltige Entwicklungen erforderlich, welche die ökonomischen, ökologischen und sozialen Aspekte der Windenergienutzung einbeziehen», so Prof. Borth.
Optimierung von Windkraftanlagen
Schweizer Windenergie-Unternehmen suchen immer wieder die Zusammenarbeit mit dem Zentrum für Aviatik an der ZHAW School of Engineering, um ihre Entwicklungen aerodynamisch auf Vordermann zu bringen. «Optimierung von Windkraftanlagen» lautete denn auch das Thema von Prof. Dr. Leonardo Manfriani. Als Verantwortlicher des ZHAW-Aviatik-Zentrums gab er einen Einblick in seine Untersuchungen an Anlagen im Feld, Modellversuchen im Windkanal sowie Berechnungsmethoden zur Anwendung; technisches Verständnis war allerdings Voraussetzung, um seinem detailreichen Vortrag folgen zu können. Prof. Manfriani kann auf 32 Jahre Erfahrung als Aerodynamiker beziehungsweise in der Flugmechanik zurückgreifen, etwa Windkanalversuche bei verschiedenen Flugzeugentwicklungsprojekten ebenso wie bei der neuen vertikalen Windturbine der Agile Wind Power AG, Dübendorf ZH. Laut dem Projektleiter der Windkanalversuche zeigte das Simulationsmodell vielversprechende spezifische Eigenschaften einer neuartigen Windturbine.
Grosswindanlagen made in Switzerland
«Wenn Wandel innovativ macht – Grosswindanlagen made in Switzerland»: Unter diesen Titel stellte Patrick Richter seine Ausführungen. Der CEO versteht seine Firma Agile Wind Power AG als «ein Schweizer Pionierunternehmen, das die Entwicklung einer neuen Generation von Grosswindanlagen vorantreibt». Dies im Sprudel von besorgten Individuen, Klimawandel und beschränkten herkömmlichen Ressourcen sowie einer Gesellschaft, die sich – im Idealfall – künftig zu 100 Prozent auf regenerative Energiequellen verlassen möchte oder sollte.
Kostengünstige Energieerzeugung an Starkwindstandorten
Was das Potenzial der viel diskutierten Energieressource Wind anbelangt, zitierte CEO Patrick Richter die von WWF (Schweiz) ins Feld geführten Vor- und Nachteile, wie zum Beispiel eine kostengünstige Energieerzeugung an Starkwindstandorten und keinerlei schadstoff- oder CO2-Emissionen auf der einen Seite, aber auch die Gefährdung von Vögeln oder Fledermäusen sowie eine Beeinträchtigung des Landschaftsbildes auf der anderen Seite. Sowie die Abhängigkeit von den jeweils herrschenden Windverhältnissen, vergleichbar mit der Sonnenenergie. Kern der neuesten Innovation aus dem Hause Agile Wind Power AG: Eine vertikal und langsam drehende Windturbine. «Die permanent aktiv gesteuerten Flügel ermöglichen eine optimale Nutzung der Windenergie bei gleichzeitig reduzierter Strukturbelastung. Unsere patentierte Technologie erlaubt es erstmals, Vertikalachsen-Windturbinen bis in den Multi-Megawattbereich zu skalieren und sie zuverlässig und wirtschaftlich zu betreiben», so Patrick Richter
Die «Mission» des Unternehmens
Es geht hier um die Entwicklung und Vermarktung von vertikalen Windkraftanlagen im mittleren bis grossen Leistungsbereich, die sich zuverlässig und wirtschaftlich betreiben lassen. Die grössten Herausforderungen sind dabei die Skalierbarkeit, also die Beherrschung hoher Kräfte und Momente, und die Wirtschaftlichkeit, das heisst eine möglichst hohe Energieproduktion bei geringen Betriebskosten. Das Produkteprogramm der Agile Wind Power AG sieht drei Anlagen «Vertical Sky» von 80 m, 160 m und 240 m Gesamthöhe vor. Nennleistungen der drei Modelle: 0.54, 2.7 und 6.4 MW; Jahresenergien: 0.7 bis 1.4 GWh, 3.9 bis 7.6 GWh, 10.7 bis 19.9 GWh. Noch ist nicht für die Öffentlichkeit bestimmt, wo genau die erste vertikal drehende Windturbine «Vertical Sky» aufgebaut werden darf. Ab 2017 soll sie Strom liefern, die Vorbereitungen laufen laut CEO Richter auf Hochtouren.
Bestandteil eines Verbund- und Energiesystems
In seinem Referat «Das Kraftwerk Uckermark – auf dem Weg in die Energiezukunft» präsentierte Uwe Moldenhauer Aspekte der Technik bei der Nutzung der Windenergie und der optimalen Standortplanung für Windkraftanlagen, «die neben einem guten Windangebot auch die Interessen der Bevölkerung berücksichtigen muss». Die Windenergie sei «fester Bestandteil eines Verbund- beziehungsweise Energiesystems, in welchem sich die verschiedensten erneuerbare Energien sowie neue Speichermöglichkeiten gegenseitig ergänzen», so der Vertreter der Enertrag AG, einem auf Nachhaltigkeit und erneuerbare Quellen spezialisierten Energieunternehmen im brandenburgischen Dauerthal.
Raumordnungsgrundsätze umgestalten, bessere Anreize setzen
Konkret berichtete der Referent dabei über die bisherigen praktischen Erfahrungen beim Netzumbau und beim Hybridkraftwerk Wittenhof, bei dem alle denkbaren erneuerbaren Energieproduktionssysteme angewandt und miteinander verknüpft werden, wie etwa Windkraft, Biogas, Wasserstoff, Blockheizkraftwerk. Uwe Moldenhauer: «In unserem weltweit ersten Hybridkraftwerk wird Windenergie in speicherbaren Wasserstoff verwandelt. So werden erneuerbare Energien 100% flexibel einsetzbar und stehen dann zur Verfügung, wenn sie gebraucht werden.» Nebst den technischen Herausforderungen nannte er auch die Aufgaben der Politik im Zusammenhang mit dem Kraftwerk Uckermark: Die Raumordnungsgrundsätze umgestalten und bessere Anreize zur Energiespeicherung setzen, kurz: Rahmenbedingungen und Energiehandelsmodelle schaffen, die den Ansprüchen von erneuerbaren Energien gerecht werden.
Insider-Publikum mit den Experten im Gespräch
Den Abschluss der Veranstaltung «Chancen des nachhaltigen Energieträgers Windenergie» bildete ein vom Stadtwerk Winterthur offerierter Apéro. Hier bot sich dem technik- und energieinteressierten Insider-Publikum die Gelegenheit, mit den Referenten und Energie- und Umweltspezialisten in Kontakt zu treten und sich offene Fragen, etwa technische Verständnisfragen rund um die Windenergie, beantworten zu lassen.
Weitere Infos: ZHAW; Agile Wind Power AG; Enertrag AG; Stadtwerk Winterthur
©Text: Toni Rütti, Redaktor ee-news.ch
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