Zu befürchten ist ausserdem, dass kleinere bis mittelständische Akteure wie Bürgerenergiegenossenschaften bei den Ausschreibungen zu kurz kommen. Hier im Bild der 1.8 MW-Bürgersolarpark Lübeethen. ©Bild: IBC Solar

„Ausschreibungen sind aus unserer Sicht das falsche Instrument, um einen kosteneffizienten und zielorientierten Ausbau der bei gleichzeitiger Wahrung der Akteursvielfalt zu gewährleisten“, sagt Jan Dobertin, Geschäftsführer des LEE. ©Bild: LEE

Solarauktionen in Deutschland: Schwierige Umstellung

(©SR) Die Förderung der erneuerbaren Energien wird in Deutschland fortan nicht mehr administrativ festgelegt, sondern durch wettbewerbliche Ausschreibungen bestimmt. Trotz der hohen Beteiligung an der ersten Solarauktion gibt es Zweifel am dem neuen System. Die erste Ausschreibung für Photovoltaik-Freiflächenanlagen dürfte bei vielen Unternehmen für grosse Enttäuschung gesorgt haben.


Dabei oder zu teuer? Insgesamt 170 Gebote gingen bei der Bundesnetzagentur bis Mitte April ein, doch damit war das Ausschreibungsvolumen von 150 Megawatt heillos überzeichnet. Nur die günstigsten 25 Gebote mit einem verlangten Preis von durchschnittlich 9.17 Cent pro Kilowattstunde erhielten einen Zuschlag. Die Unternehmen haben nun zwei Jahre Zeit, ihre Projekte umzusetzen. Der Rest bleibt unberücksichtigt, kann aber bei den folgenden Ausschreibungen einen neuen Anlauf nehmen.

1200 Megawatt in drei Jahren
Für die Solarunternehmen könnte es nun Schlag auf Schlag weitergehen. Ab 2017 soll die Erneuerbaren-Förderung in Europa nach Vorgabe der Europäischen Union (EU) nur noch über wettbewerbliche Ausschreibungen ermittelt werden. Deutschland drückt bei der Umstellung von festen Einspeisetarifen auf Auktionen kräftig auf die Tube: In den kommenden drei Jahren sollen hierzulande Solarkraftwerke mit 1200 Megawatt Gesamtleistung errichtet und versteigert werden. Die nächsten beiden Gebotstermine über jeweils 150 und 200 Megawatt sind bereits für den 1. August und den 1. Dezember avisiert, die verbleibenden 700 Megawatt verteilen sich auf 2016 und 2017. Die Erfahrungen aus den Solar-Ausschreibungen sollen dann rasch in Auktionen für die weitaus komplexere Windenergie umgesetzt werden – die ersten Versteigerungen sind bereits für Anfang 2017 geplant.

Neuinstallationen sanken um 45%
Für manche Solarfirmen kommen die Auktionen wie gerufen. Durch die Förderkürzungen der vergangenen Jahre wird Freiland-Strom inzwischen nur noch mit knapp neun Cent pro eingespeiste Kilowattstunde vergütet – zu wenig, um wirtschaftliche Projekte zu realisieren. Zuletzt wurden deshalb kaum noch Solarkraftwerke in Deutschland gebaut. Das Aus vieler Freiland-Brummer hat erhebliche Folgen für den Gesamtmarkt: Die Neuinstallationen sanken im Vorjahr um rund 45 Prozent auf 1811 Megawatt. Somit wurde nicht einmal mehr der politisch angestrebte Zubau-Korridor von 2400 bis 2600 Megawatt erreicht. Die Pilotauktion könnte wieder rentable Projekte ermöglichen, da die Branche die Höhe der Förderung mit ihren Geboten selbst bestimmt.

Lob und Kritik
Sind Auktionen damit das geeignete Mittel, um der Freiland-Photovoltaik wieder auf die Beine zu helfen? Um herauszufinden, ob Ausschreibungen tatsächlich funktionieren, müssen drei grundsätzliche Fragen bejaht werden: Machen sie den Ökostrom billiger, bleiben Vorlaufkosten und Bürokratie überschaubar, so dass eine Teilhabe vieler verschiedener Akteure möglich bleibt, und werden die staatlich festgelegten Ausbaumengen auch erreicht? Neben der positiven Einschätzung von Projektierern, die sich neue Marktchancen versprechen, gibt es auch viel Kritik an den Pilot-Auktionen. „Ausschreibungen sind aus unserer Sicht das falsche Instrument, um einen kosteneffizienten und zielorientierten Ausbau der erneuerbaren Energien bei gleichzeitiger Wahrung der Akteursvielfalt zu gewährleisten“, sagt Jan Dobertin, Geschäftsführer des Landesverbands Erneuerbare Energien (LEE) NRW.

Vergebene Chancen
Mathias Käso, Wissenschaftler am Lehrstuhl Energiewirtschaft der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus, sieht verschenktes Potenzial unter anderem in der konkreten Ausgestaltung der Solar-Auktion. „Man schöpft hier nicht die vollen Chancen auf Kostensenkungen aus.“ Denn Gebote seien nur für Kraftwerke bis zehn Megawatt Leistung möglich, wodurch Skaleneffekte, die grössere Anlagen mit sich bringen, nicht genutzt werden. Darüber hinaus bleibe der Zubau auch zukünftig zu einem grossen Teil auf Konversionsflächen beschränkt. Die oft günstigeren und besser geeigneten Ackerflächen würden dagegen nur ansatzweise für die Auktionen geöffnet, so Käso.

Sicherheiten hindern Genossenschaften
Zu befürchten ist ausserdem, dass kleinere bis mittelständische Akteure wie Bürgerenergiegenossenschaften bei den Ausschreibungen zu kurz kommen. Schon bei einer Mindestgebotsmenge von 100 Kilowatt Solarleistung muss ein Bieter nach den Ausschreibungsregeln mindestens 5400 Euro an Sicherheiten für etwaige Vertrags- oder Konventionalstrafen aufbringen, zusätzlich zu den üblichen Kosten für die Genehmigung, ökologische Ausgleichsmassnahmen und den Netzanschluss. Oft werden die Sicherheiten durch Bürgschaft einer Bank geleistet. Aus der Solarbranche ist jedoch zu hören, dass manche Kreditinstitute aus Risikogründen grundsätzlich keine Bietergarantien für die Solarauktionen gewähren. Ihre offizielle Begründung: Die Bürgschaftsformulare der Bundesnetzagentur sind nicht bankenkonform. Die Konsequenz: Wer die Sicherheitszahlungen nicht aus eigener Tasche finanzieren kann, bleibt bei den Auktionen aussen vor – das trifft vor allem die kleineren, dezentralen Akteure.

Und bei Windenergie?
Wenn es schon bei den relativ überschaubaren Solarprojekten Probleme gibt, welche Schwierigkeiten sind dann erst bei den ab Januar 2017 geplanten Auktionen für die Windenergie an Land zu erwarten? Experten warnen eindringlich davor, Photovoltaik-Ausschreibungen direkt auf die Windenergie zu übertragen. Erst wenn sicher ist, dass das neue Fördersystem seine Ziele – Akteursvielfalt, Kosteneffizienz und den geplanten Ausbau – erreichen wird, sollten Ausschreibungen ihrer Meinung nach tatsächlich eingeführt werden. Das verantwortliche deutsche Bundeswirtschaftsministerium steht damit vor einer gewaltigen Aufgabe. Eine Hürde bei den geplanten Wind-Versteigerungen: Es wird eine geographisch differenzierte Förderung in Anlehnung an das Referenzertragsmodell notwendig werden. Es sieht – kurz gesagt – vor, dass Turbinen an windschwachen Standorten eine höhere Vergütung erhalten. So sollen ein Ungleichgewicht bei der Förderung vermieden werden. Nach Meinung von Branchenvertretern müsste eine solche Regelung in der jetzigen Pilotphase getestet werden, aber das findet nicht statt.

Ausserdem muss ein Ausschreibungsmodell die relativ hohen Risiken eines Windvorhabens berücksichtigen. „Die Entwicklung eines Windenergieprojektes dauert im Regelfall deutlich länger, das Investitionsvolumen ist viel höher als bei einem Photovoltaikprojekt“, erklärt Dobertin. Finde zum Beispiel eine Ausschreibung zu einem späten Entwicklungszeitpunkt statt, gehe der Vorhabenträger für die hohen Vorlaufkosten voll ins Risiko. Werde zu einem frühen Projektstand geboten, sei noch unklar, welche Kosten entstehen oder ob andere Hemmnisse wie Artenschutzkonflikte das Projekt gefährden, so der LEE-Geschäftsführer. Die Gefahr, dass Vorhaben, die beim Bieten erfolgreich waren, aus Kosten- oder Genehmigungsgründen doch nicht umgesetzt werden, ist bei Windausschreibungen also vergleichsweise gross. Wenn Berlin die Ausschreibungsbedingungen daher nicht akribisch abwägt, können Ausbauziele leicht verfehlt werden. Die Windbranche in Deutschland wird zunehmend nervös.

©Text: Sascha Rentzing

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