«Mittendrin statt nur dabei: Kleine Energiestädte mit grosser Energiezukunft»: Barbara Schwickert (Biel), Präsidentin Trägerverein Energiestadt. ©Bild: T. Rütti

Diskussionsrunde mit Josef Biedermann, Vorsitzender der Energiekommission Planken (FL), Mathias Müller, Stadtpräsident Lichtensteig (SG), Moderator Bruno Bébié, Albert Guyaz, Conseiller communal, Ardon (VS). ©Bild: T. Rütti

Nicole Zimmermann, Bundesamt für Energie: «Forciert wird ein speditives Voranschreiten der Gemeinden bei der Verwirklichung des Energiestadt-Massnahmenkatalogs.» ©Bild: T. Rütti

Regierungschef-Stellvertreter Thomas Zwiefelhofer: «Die Zertifizierung der Gemeinden als Energiestädte ist eine Massnahme der Energiestrategie 2020.» ©Bild: T. Rütti

Von Professor Peter Droege von der Universität Liechtenstein wurde den Tagungsteilnehmenden die Vision eines «erneuerbaren Liechtensteins» beliebt gemacht. ©Bild: T. Rütti

Bürgermeister Ewald Ospelt: «Vaduz ist nicht nur Hauptort, unsere Gemeinde hat auch ihren Beitrag zur Entstehung des ‹Energielandes Fürstentum Liechtenstein› geleistet. ©Bild: T. Rütti

Fachveranstaltung des Trägervereins Energiestadt mit dem Titel «Energiezukunft gestalten: Kleine Energiestädte zeigen Grösse» mit ca. 170 Teilnehmenden. ©Bild: T. Rütti

Energiestadt: Die kleinen Energiestädte zeigen Grösse

(©TR) In der Schweiz und in Liechtenstein gibt es 364 Energiestädte mit total 4.4 Mio. Menschen, also gut die Hälfte der Schweizer Bevölkerung. Verliehen wird das Label vom Trägerverein Energiestadt, dem 644 Gemeinden angehören. Nicht zuletzt angesichts der Erfolgsgeschichte des «Energielandes Fürstentum Liechtenstein» wurde die Mitgliederversammlung und Fachtagung des Trägervereins am 5. Mai 2015 in Vaduz abgehalten.


«Energiezukunft gestalten: Kleine Energiestädte zeigen Grösse», so der Titel der diesjährigen Mitglederversammlung und Fachtagung des Trägervereins Energiestadt. Ca. 170 Mitglieder – Vertreter aus den Mitgliedergemeinden sowie Energiefachleute – kamen nach Vaduz zur Zusammenkunft auf dem Campus der Universität Liechtenstein. Der wiedergewählte Bürgermeister Ewald Ospelt verkündete den Mitgliedern des Trägervereins nicht ohne Stolz, das Fürstentum sei bereits zu 100% zertifiziert: «Liechtenstein besteht aus 11 Gemeinden. Jede ist eine Energiestadt und jede trägt Grosses zu einer umweltfreundlichen Energiepolitik bei. Vaduz ist nicht nur Hauptort, unsere Gemeinde hat auch ihren Beitrag zur Entstehung des ‹Energielandes Fürstentum Liechtenstein› geleistet. Vaduz ist seit 2009 Energiestadt und 2013 konnte das Reaudit erfolgreich abschliessen.»

Ü
ber 90% Energieimporte
Von Professor Peter Droege von der Universität Liechtenstein wurde den Tagungsteilnehmenden die Vision eines «erneuerbaren Liechtensteins» beliebt gemacht. Es ist dies ein «Modell und Werkzeug zur Energieplanung im Fürstentum Liechtenstein». Eine Grundlage des Modells ist die Einteilung des Landes in sogenannte energetische Homogenbereiche. Dabei handelt es sich um Gebiete, in denen ein ähnlicher Energiebedarf, ähnliche Möglichkeiten zur Effizienzsteigerung, aber auch eine ähnliche Kapazität bestehen, selbst erneuerbare Energien zu gewinnen. Aufgezeigt werden in diesem Werk die «Chancen und Prinzipien einer nachhaltigen Energieunabhängigkeit» - eine wahrlich enorme Herausforderung eines Landes, das über 90% der hier genutzten Energie importieren muss! Prof. Droege sagte wörtlich: «Europaweit und insbesondere in unseren Nachbarländern werden ebenfalls ständig höhere Ziele gesteckt. Erfahrungen zeigen, dass die Versorgung mit erneuerbaren Energien nötig ist. Eine grosse Wende steht bevor: weg von nicht erneuerbaren, emissonsreichen Energiesystemen, hin zu nachhaltigen und umweltfreundlichen regenerativen Energien.» Laut Prof. Droeges Studie sinken die Energiegestehungskosten mit zunehmender Markteinführung der erneuerbaren Energien.

Kurzformel 20-20-20
Die «konsequente Energiepolitik» der Energiestadt-Gemeinden wurde von Thomas Zwiefelhofer erörtert. Die Zertifizierung der Gemeinden als Energiestädte bezeichnete der Minister für Inneres, Justiz und Wirtschaft als eine der Massnahmen der Energiestrategie 2020, die in Liechtenstein erfreulicherweise bereits vollständig umgesetzt sei. «Mit der Energiestrategie 2020 hat sich die Regierung zum Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2020 drei Ziele mit der Kurzformel 20-20-20 zu erreichen: Wir wollen die Energieeffizienz um 20% steigern, den Anteil an einheimischen erneuerbaren Energien auf 20% erhöhen und den CO2-Ausstoss gegenüber dem Referenzjahr 1990 um 20% reduzieren.» Man beachte, dass Liechtensteins Auslandsabhängigkeit noch höher ist als diejenige der Schweiz. Verschiedene Katastrophen in der Vergangenheit hätten gezeigt, dass ein Umdenken beim Umgang mit der Energie mehr als nur vordringlich sei. «Trotzdem steht bei der Umsetzung der Energiestrategie 2020 die Freiwilligkeit im Vordergrund. Land und Gemeinden spannen dabei zusammen: Die Gemeinden verdoppeln die Förderung des Landes bis zu einem Maximalbeitrag von 30'000 Franken», so Thomas Zwiefelhofer. Laut dem Liechtensteiner Regierungschef-Stellvertreter hat der Trägerverein Energiestadt «mit seinem Pioniergeist und seiner kreativen Label-Idee ein vorbildliches Projekt mit internationaler Ausstrahlung geschaffen». Das Energiestadt-Label-Modell sei geradezu zum Exportschlager geworden, basiere doch der «European Energy Award eea» auf dem Schweizer Label. Inzwischen hätten mehr als 1‘500 Gemeinden in europäischen Ländern mit 35 Millionen Einwohnern die europäische Auszeichnung erhalten. Das laufende Jahr sei geprägt von einer eea-Re-Organisation auf europäischer Ebene.

Q
ualitative Entwicklung der Energiestädte
Laut Nicole Zimmermann vom Bundesamt für Energie BFE wurde in der ersten Etappe 2011 bis 2015 des Dachprogramms Energiestadt (EnergieSchweiz für Gemeinden ESfG), eine quantitative Ausbreitung des Labels angepeilt. Tatsächlich stiessen jährlich 25 bis 30 Gemeinden neu hinzu. Wachsend sei aber auch die Zahl der Energiestädte mit dem eea-Gold-Label gewesen. Ebenso erfreulich: die qualitative Entwicklung der Energiestädte dank Re-Audits und jährlichen Beratergespräche sowie die Verbindlichkeit der Umsetzung von geplanten Massnahmen. Nicht zu vergessen: Eine kontinuierliche Weiterentwicklung einer nachhaltigen kommunalen Energiepolitik. In einer zweiten ESfG-Etappe von 2016 bis 2020 soll der Fokus nicht mehr auf den jährlichen Zuwachs an neuen Energiestädten gelegt werden. Die heutige Anzahl an Energiestädten will man aber unbedingt beibehalten. Angesagt ist jetzt vorab die Förderung von Energiestädten mit dem Label «eea-Gold» und «Energiestadt 70% +».

«Verstärkung von konkreten Projektumsetzungen»

Forciert werden soll laut der BFE-Vertreterin ein speditives Voranschreiten der Gemeinden bei der Verwirklichung des Energiestadt-Massnahmenkatalogs. Nicole Zimmermann sprach überdies von einer «Verstärkung von konkreten Projektumsetzungen» und von der «Ausrichtung auf die Zielsetzungen der Energiestrategie 2050». Eine mangelnde Übereinstimmung – Inkongruenz mit dem Label eea – könne allerdings nicht in jeder Hinsicht ausgeschlossen werden. Ab November 2015 läuft ein Projekt, dessen Ziel es ist, das Label im Rahmen einer EnergieSchweiz-Kampagne bekannter zu machen. «Die Zielgruppe dieser Kampagne sind Menschen, die das Label noch nicht kennen oder bis heute noch nicht auf die Thematik des Energiesparens sensibilisiert werden konnten», so Nicole Zimmermann. Vermitteln will man die Botschaft, die eine breite Öffentlichkeit erreichen soll, auch mit einem Augenzwinkern, statt mit Sujets zu arbeiten, die tierischen Ernst signalisieren und dadurch eher abschrecken könnten.

Jede Gemeinde
«Unabhängig von der Beratung im Parlament setzen die Energiestädte die Energiestrategie 2050 des Bundes bereits konkret um», konstatierte Barbara Schwickert. Wie die Vereinspräsidentin betonte, «kann jede Gemeinde Energiestadt werden, die sich für Energieeffizienz und erneuerbare Energie einsetzt, egal wie gross sie ist». Dem Trägerverein gehören heute Gemeinden aus allen Regionen der Schweiz und eben auch aus Liechtenstein an. «Zum Gastland passt der Inhalt unserer Veranstaltung: Der Beitrag der kleineren unter unseren Energiestädten zur Energiezukunft», so Präsidentin Schwickert. Von zehn Energiestädten zählen vier weniger als 5000 Einwohner. Ein oft gehörter Nachteil einer kleinen Gemeinde ist, dass mancherorts schlichtweg zu wenig einsatzwillige Leute zur Verfügung stehen. Doch die Vorteile von kleinen Gemeinden überwiegen nachweislich, namentlich bei der Umsetzung der Energieziele 2050 aufgrund folgender Faktoren:

  • die Strategien und Umsetzungsmöglichkeiten auf den Ebenen Gemeinde und Region
  • die Nähe zu den Einwohnenden
  • die kurzen Wege in der Verwaltung.

Das Label Energiestadt verpflichtet, weniger Energie zu verbrauchen, dafür aber umso mehr erneuerbare Energie wie Wasserkraft oder Solarstrom zu nutzen. Mittlerweile gibt es 364 Energiestädte, 32 davon gelten als sogenannte «Gold-Städte»: sie erfüllen nicht nur 50%, sondern 75% der Vorgaben einer zertifizierten Energiestadt. «Die Einwohnenden einer Energiestadt – das sind in der Schweiz und in Liechtenstein immerhin 4.4 Mio. Menschen – profitieren von einer effizienten und umweltfreundlichen Energieversorgung, von einer spürbar höheren Lebensqualität sowie von der Stärkung der regionalen Wirtschaft», so Barbara Schwickert.

Kreative Ansätze und Stolpersteine

Unter der Podiumsleitung des Energiebeauftragten der Stadt Zürich, Bruno Bébié, präsentierten drei Gemeindevertreter die kreativen Ansätze – oder Stolpersteine – in ihren jeweiligen Energiestädten Planken FL, Lichtensteig SG und Ardon VS. Für Josef Biedermann ist die hohe Solardichte in Planken FL ein energiepolitisches Highlight, nämlich: Photovoltaik 0.26 kWp beziehungsweise ca. 2 m2 je Einwohner sowie Solarthermie 1.4 m2 je Einwohner. Die Gemeindeliegenschaften werden hier ausschliesslich mit Strom und Wärme aus erneuerbarer Energie versorgt, erklärte der Vorsitzende der Energiekommission. «Wir fördern auch die wärmetechnische Sanierung von Privathäusern. Der schonende Umgang mit Energie findet bei uns schon in der Primarschule statt, dies selbstverständlich auf spielerische Art», so Josef Biedermann. Zurzeit prüfe Planken die Möglichkeit, den Bewohnern ein e-Mobil zur Verfügung zu stellen. In Planken wird übrigens spätnachts die Strassenbeleuchtung komplett abgeschaltet – eine Stromsparmassnahme, die anfänglich umstritten war, heute aber offenbar akzeptiert wird.

Energieautarkes
Toggenburg bis 2034
Lichtensteig SG hat die Vision eines energieautarken Toggenburgs bis 2034 und einer 2000-Watt-Gesellschaft bis 2059. Laut Mathias Müller sind dabei Beratung und Projektbegleitung von entscheidender Bedeutung, um diese Vorgaben zu erreichen. Der Stadtpräsident von Lichtensteig bezeichnete die Sensibilisierung der Bevölkerung als eine vordringliche Aufgabe: «Die Einbindung der Bevölkerung lohnt sich in jedem Fall.» An möglichen Stolpersteinen nannte er, die grosse Abhängigkeit von Einzelpersonen, die mit Aufgaben und Funktionen betraut würden, die personell beschränkten Ressourcen einer kleinen Gemeinde, den Kostendruck sowie die fehlenden finanzielle Mittel. Kein Zweifel: in Lichtensteig wird so manches zur Chefsache, wenn sich sonst keiner meldet.

Sanierung der Strassenbeleuchtung in Ardon

Das erste Projekt, das in Ardon VS realisiert wurde, war die Sanierung der öffentlichen Beleuchtung im Wohngebiet und auf der Kantonsstrasse. Neu sorgen hier LED-Leuchten stromsparend für Helligkeit, wobei diese Leuchten ihre Strahlkraft zwischen spätnachts erst noch automatisch um 30% drosseln. Laut dem Conseiller communal Albert Guyaz war sodann die Sanierung der Beleuchtung im alten Dorfkerns Ardons das zweite mit Erfolg realisierte Projekt. Bei Sanierungskosten von 35‘000 Franken liessen sich Einsparungen in der Höhe von 7142 kWh pro Jahr erzielen; auch ein Leistungsregler macht‘s möglich. Amortisationsdauer der Aufwendungen: 4.4 Jahre.


Der Vorstand des Trägervereins bis 2017

Die Mitgliederversammlung des Trägervereins hat den Vorstand wiedergewählt. Ulrich König, seit 2007 im Vorstand und bis 2014 Direktor des Schweizerischen Gemeindeverbandes, wurde mit grossem Dank verabschiedet. Seinen Platz nimmt Reto Lindegger ein, der neue Direktor des Gemeindeverbandes. Der Vorstand besteht somit bis 2017 aus:

  • Barbara Schwickert, Gemeinderätin Biel (Präsidentin Trägerverein Energiestadt)
  • Ruth Bänziger, Conseillère administrative, Ville d'Onex
  • Bruno Bébié, Energiebeauftragter Stadt Zürich
  • Reto Lindegger, Direktor Schweizerischer Gemeindeverband
  • Georges Ohana, Délégué à l’énergie de la ville de Lausanne
  • Ursula Stämmer-Horst, Stadträtin Luzern
  • Stephan Tobler, Gemeindeammann Egnach
  • Martin Tschirren, Stv. Direktor Schweizerischer Städteverband

www.energiestadt.ch

©Text: Toni Rütti, Redaktor ee-news.ch

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