Aus «Strategisches Netz 2025» geht hervor, welche Netzbauprojekte in den nächsten 10 Jahren realisiert werden müssen, um für die Schweiz eine sichere und effiziente Stromversorgung sicherzustellen. ©Bild: T. Rütti

Laut Verwaltungsratspräsident Adrian Bult gibt es neben den Projekten, welche vor allem die Schweiz betreffen, noch drei von der EU definierte Projekte im gemeinschaftlichen Interesse: Projects of Common Interest. ©Bild: T. Rütti

Der vorliegende Bericht bezieht sich auf das Höchstspannungsnetz, wobei die direkt darunterliegende Netzebene ebenfalls in die Überlegungen eingebunden wurde: CEO Pierre-Alain Graf. ©Bild: T. Rütti

Swissgrid: Abgespecktes «Strategisches Netz 2025»

(©TR) Im Bericht «Strategisches Netz 2025» zeigt die Stromnetzbetreiberin Swissgrid von ihrer Warte aus, welche Netzbauprojekte in den nächsten zehn Jahren nötig sind, «um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten und das Netz für die Energiezukunft fit zu machen». Insgesamt werden weniger Leitungen um-, aus- und neu gebaut als in früheren Netzplanungen vorgesehen waren. Die zu erwartenden Investitionen belaufen sich auf rund 2.5 Mrd. CHF, wovon 1 Mrd. CHF für Ersatz und Instandhaltung und 1.5 Mrd. CHF für den Ausbau budgetiert wurden.


«Die Netzbauprojekte der Planung wurden 2009 vom Bundesrat festgelegt. Sie ist grundsätzlich weiterhin gültig. Allerdings haben sich die technischen, gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Einflussfaktoren inzwischen wesentlich verändert. Swissgrid schlägt nun eine Netzplanung vor, welche den neuen Voraussetzungen gerecht wird», so Pierre-Alain Graf. Ermittelt wurde der Vorschlag von Swissgrid zur Gestaltung des künftigen Höchstspannungsnetzes in einem Analyse- und Bewertungsprozess. Aus dem heute vorliegenden Bericht geht hervor, welche Netzbauprojekte in den nächsten 10 Jahren unter den prognostizierten Entwicklungen realisiert werden müssten, «um für die Schweiz eine sichere und effiziente Stromversorgung sicherzustellen», so der Swissgrid-CEO anlässlich einer Medienorientierung in Zürich.

A
uf dem «Weiter-wie-bisher»-Szenario aufbauen?
Dem «Strategischen Netz 2025» wurden x Szenarien zu Grunde gelegt, namentlich die beiden Kernszenarien «On Track» und «Slow Progress». «On Track» orientiert sich an der vom Bund geplanten Energiestrategie mit Ausbau der erneuerbaren Energien und dem Ausstieg aus der Kernenergie. Aber auch am «Ten-Year-Network-Development-Plan» der Vereinigung der europäischen Übertragungsnetzbetreiber (ENTSO-E). Das Szenario «Slow Progress» geht von einem langsameren Wachstum bei den erneuerbaren Energien und bloss von einem Teilausstieg aus der Kernenergie aus. «Slow Progress» baut auf dem «Weiter-wie-bisher»-Szenario der Energieperspektiven 2050 auf. Die beiden Szenarien wurden für 2025 sowie zusätzlich für das «Stützjahr2035» berechnet, «um so die Robustheit der Netzkonfiguration bestätigen zu können», so Adrian Bult. Für 2035 wurden zusätzlich die Randszenarien ‹Stagnancy› mit einer langfristig schlechten Wirtschaftssituation in Europa sowie das in Zusammenarbeit mit der Umweltallianz entwickelte ‹Sun›-Szenario mit einbezogen. Letzteres sieht einen starken Ausbau der erneuerbaren Energie bis 2035 vor, davon ein grosser Teil Photovoltaik. «Die Simulations-Ergebnisse für das Jahr 2035 bestätigen jene für das Jahr 2025. Allerdings benötigt das Szenario ‹Sun› für 2035 noch weitere Ausbauten im Netz», so der Präsident des Verwaltungsrats.


Was gebaut wird
Gebaut werden sollen nach den Vorstellungen von Swissgrid neun betrieblich notwendige Leitungsprojekte. Bis auf zwei neue Projekte – die Abschnitte «Mettlen - Innertkirchen» und «Magadino» – gehören alle schon bisher zu den Schwerpunktprogrammen, etwa die Leitungen zwischen Chamoson und Chippis, im Goms, zwischen Pradella und La Punt im Engadin und jene zwischen Mettlen und Beznau im Reusstal. Eine Leitung besteht immer aus zwei Strängen zu je drei Leiterseilen. Im Erdseil und auf der Spitze der Masten befinden sich Glasfaserkabel, die von Swissgrid und verschiedenen Telekommunikationsfirmen genutzt werden. Mit Leitungskilometer sind deshalb in den meisten Fällen zwei Strangkilometer gemeint.

93 km werden optimiert, 87 km verstärkt, 245 km ausgebaut
Insgesamt sollen im Rahmen des «Strategischen Netzes 2025» 193 Leitungskilometer optimiert, 87 Kilometer verstärkt und 245 Kilometer ausgebaut werden. Dazu kommen noch 125 Kilometer Ausbau auf Grundlage von Anschlussbegehren von Verteilnetzbetreibern als sogenannte juristische Projekte. Im «Strategischen Netz 2015» wurde noch mit 1000 Kilometer Netzverstärkung und 300 Kilometern Ausbau gerechnet. Weil im Rahmen von Neubauprojekten wo immer möglich Leitungen zusammengelegt werden, sieht der Bericht «Netz 2025» auch vor, nicht mehr gebrauchte Trassen von Übertragungs- und Verteilnetzleitungen in einer Gesamtlänge von 385 Kilometern abzubrechen. Gegenüber dem «Strategischen Netz 2015» sind im «Strategischen Netz 2025» drei zusätzliche Abschnitte von insgesamt 62 Kilometer Länge vorgesehen: der Abschnitt Mettlen – Innertkirchen aus dem Projekt «Mettlen - Ulrichen», das Projekt Magadino und die Trassenverlegung in Balzers. Weil sich dort die Leitung im Zielgebiet der Geschütze der Festung Fläscherberg befunden hätte, wurde sie über das Staatsgebiet von Liechtenstein geführt. Nun läuft der Dienstbarkeitsvertrag ab und Schweizer Enteignungsrecht ist in Liechtenstein nicht anwendbar. Deshalb muss die Leitung verlegt werden.

Betrieblich notwendige Projekte:

  • 1 Chamoson - Chippis (Unterwallis, Abtransport Energie aus neuen Kraftwerken)
  • 2 Chippis - Bickigen (Leitung über den Gemmipass, in den 1960er Jahren für 380kV gebaut aber immer nur mit 220 kV betrieben, muss neuen Richtlinien angepasst werden)
  • 3 Pradella – La Punt (Engadin, Beseitigung Engpass)
  • 4 Chippis – Lavorgo (Gommerleitung, Abtransport Energie aus den Walliser Kraftwerken, Stromversorgung NEAT)
  • 5 Beznau – Mettlen (Reusstalleitung, Beseitigung Engpass)
  • 6 Bassecourt – Mühleberg
  • 7 Magadino (Tessin)
  • 8 Génissiat FR – Foretaille (Kanton Genf)
  • 9 Mettlen – Ulrichen (Grimselleitung, Abtransport Strom aus dem Grimselgebiet und dem Wallis)
  • Verteilnetzanschlüsse und juristisch bedingte Projekte:
  • J1: Mathod – Mühleberg (Verteilnetzanschluss)
  • J2: Froloo – Flumenthal (Verteilnetzanschluss)
  • J3: Obfelden - Samstagern (Verteilnetzanschluss)
  • J4: Verlegung Balzers; die Leitung wurde aus militärischen Gründen über Liechtensteiner Gebiet geführt und muss bis zum Auslaufen der Dienstbarkeit im Jahr 2021 verlegt werden.

…und was nicht gebaut wird
Acht Projekte aus dem «Strategischen Netz 2015» werden von Swissgrid nicht weiterverfolgt. So wird etwa auf den «Boucle Sud» verzichtet, eine seit Jahrzehnten geplante Leitung südlich des Neuenburgersees. Ebenfalls nicht mehr nötig ist der Ausbau der Leitung Wattenwil – Mühleberg oder das aus transporttechnischer Sicht nicht mehr sinnvolle Projekt von Lavorgo nach Morbegno in Italien. Insgesamt will Swissgrid folgende Projekte nicht weiter verfolgen:

  • Lavorgo – Morbegno (Verbindung mit Italien, nicht mehr sinnvoll)
  • Wattenwil – Mühleberg (Für die Versorgung des Grossraums Bern wurden bereits andere Massnahmen umgesetzt)
  • Anschluss Ova Spin (Der Anschluss des Kraftwerks unmittelbar beim Nationalpark erfolgt über 110kV)
  • Auwiesen – Fällanden (Die Verbindung bleibt auf 150kV)
  • Obfelden – Thalwil – Grynau (Kein Ausbau, weil eine andere Massnahme bereits umgesetzt wurde)
  • Mettlen – Airolo (Projekt ist abhängig von der Weiterentwicklung der grenzüberschreitenden Leitung über den S. Giacomo Pass nach Italien)
  • Riddes - Chamoson (Die Verstärkung der bestehenden 220kV-Leitung ist nicht notwendig)
  • «Boucle Sud» Mathod – Galmiz; die 380kV-Leitung südlich des Neuenburgersees ist im Zeitrahmen bis 2025 gemäss den aktuellen Simulationen nicht notwendig.

Projekte im gemeinschaftlichen Interesse mit Europa
Laut Verwaltungsratspräsident Bult gibt es neben den Projekten, welche vor allem die Schweiz betreffen, drei von der EU definierte Projekte im gemeinschaftlichen Interesse. Diese «Projects of Common Interest» haben offenbar starke Auswirkungen auf die Schweiz. Das grösste ist die bisher von privaten Unternehmern unter dem Namen «Greenconnector» vorangetriebene Umnutzung eines Abschnitts der stillgelegten Ölpipeline «Oleodotto del Reno», die ursprünglich von Genua nach Ingolstadt führte. Zwischen Sils i. D. und Verderio in Italien soll eine Hochleistungs-Gleichstromleitung in die alte Pipeline gelegt werden. Die EU stuft die Leitung als wichtig für die Netzstabilität in Europa ein, allerdings sind im Moment weder die rechtlichen noch die finanziellen Voraussetzungen dafür geklärt. Für die Schweiz selber ist das Projekt bis 2035 zudem weder technisch erforderlich noch wirtschaftlich sinnvoll. Ähnlich wie der «Greenconnector» zielt das Projekt am S. Giacomo Pass auf eine höhere Transportkapazität zwischen der Schweiz und Italien. Auf Schweizer Seite ist bereits ein grosser Teil der nötigen Infrastruktur vorhanden. Allerdings reichen die gegenwärtigen Kapazitäten vorläufig aus. Das dritte «Project of Common Interest» ist der Bodensee-Interkonnektor, bei dem die Grenzkapazitäten in Richtung Deutschland und Österreich erhöht werden sollen. Auf Schweizer Seite ist hier vorerst nur die Anbindung an das im Bau befindliche neue Unterwerk Rüthi auf der 220kV-Ebene geplant. Eine spätere Umstellung auf 380kV ist ebenfalls möglich. Die drei gemeinschaftlichen Projekte mit Europa:

  • EU1: «Greenconnector» (Gleichstromleitung in einer stillgelegten Ölpipeline zwischen Sils i. D und Verderio IT
  • EU2: «S. Giacomo» (380kV Freileitung zwischen Airolo und Pallanzano IT)
  • EU3: «Bodensee-Interkonnektor» (Höhere Kapazität nach Deutschland und Österreich, vorerst beschränkt auf den Anschluss ans neue Unterwerk Rüthi).

380kV-Zuleitungen, die nie gebaut wurden!
Die Märkte und das physikalische Verhalten der Netze wurden von Swissgrid simuliert. In die Simulation flossen Elemente wie Kraftwerkseinsätze, Energieaustausch, Gas- und Kohlepreise in Europa sowie die Preise für CO2-Emissionen mit ein. Daraus entstand für jedes Projekt ein so genannter Projektnutzen. Die notwendigen Leitungsprojekte wurden nach dem «NOVA»-Prinzip evaluiert, bei dem die Netze erst optimiert und dann verstärkt werden. Erst wenn diese beiden Möglichkeiten ausgeschöpft sind, wird ausgebaut. Optimieren bedeutet, die Umspannung von 220kV auf 380kV bei bereits auf diese Spannung optimierten Stromkreisen. Ein typisches Beispiel für eine solche Optimierung ist die Leitung über den Gemmipass, die zwar in den 1960er Jahren für 380kV isoliert wurde, aber seither nur mit 220kV betrieben wird, weil die 380kV-Zuleitungen nie gebaut wurden! Mit Verstärkungen ist die Erhöhung der Spannung von 220kV auf 380kV von bestehenden Leitungen gemeint, ohne die Trasse zu verlassen. Nur der Ausbau erfordert neue Leitungen auf neuen Trassen.

So genannte «multikriterielle Kosten-Nutzen-Analyse»
Für die Simulationsergebnisse wurde danach eine sogenannte multikriterielle Kosten-Nutzen-Analyse erstellt. Sie beurteilt den Nutzen jedes einzelnen Leitungsprojektes nach technischen, wirtschaftlichen und ökologischen Kriterien. Man wendet damit zur Beurteilung der Netzbauprojekte nicht alleine quantitativen Kriterien (z.B. Investitionskosten), sondern auch qualitativen Kriterien (z.B. Umweltauswirkungen) an und erhält so eine gesamtheitliche Bewertung jedes einzelnen Projektes. Swissgrid betritt mit dieser Projektbeurteilung Neuland, ist sie doch der erste Netzbetreiber in Europa, der diese auch vom europäischen Verbund für Übertragungsnetzbetreiber ENTSO-E empfohlene Methodik konsequent mit Berechnung des Nettonutzens anwendet.

Das Ergebnis der Ermittlungen: 13 Projekte geplant, 8 verworfen
Das heutige Übertragungsnetz muss bis 2025 verstärkt werden um bestehende und künftige strukturelle Engpässe zu beseitigen und damit die Versorgungssicherheit langfristig zu gewährleisten. Aus den Simulationen, Berechnungen und Bewertungen haben sich für das «Strategische Netz 2025» insgesamt 13 Netzerweiterungs- oder -modernisierungsprojekte ergeben. Neun davon sind für die Versorgungssicherheit der Schweiz nötige und volkswirtschaftlich sinnvolle Projekte. Diese beseitigen die heute vorhandenen Engpässe, ermöglichen den in der Zukunft erforderlichen Energieaustausch der Schweiz mit dem angrenzenden Ausland und stellen den Abtransport der Stromproduktion aus den bestehenden, im Bau befindlichen und geplanten Wasserkraftwerken in den Alpen sicher. Ergänzt werden diese neun technisch und wirtschaftlich bedingten Projekte durch vier juristisch begründete Projekte. Zum Bau dieser Projekte, zu denen im Jahr 2025 insbesondere Verteilnetzanschlüsse gehören, ist Swissgrid gesetzlich verpflichtet. Acht der im unterdessen überholten «Strategischen Netz 2015» vorgesehenen Bauvorhaben werden jetzt aus den teils laufenden Verfahren herausgenommen.

Änderungen in der Erzeugungs- und Netzstruktur 
Nicht mehr erforderlich sind die Projekte aufgrund von Änderungen in der Erzeugungs- und Netzstruktur in Europa und der Schweiz. Neben den Projekten, welche vor allem die Schweiz betreffen, gibt es drei Projekte mit gemeinschaftlichen Interessen zwischen der Schweiz und den europäischen Partnern. Diese Projekte sind aus Sicht der Schweizer Versorgungssicherheit bis 2025 nicht notwendig. Doch können diese Projekte nicht nur aus schweizerischer Sicht beurteilt werden, denn es gibt hier auch europäische Interessen. Swissgrid wird diese Projekte in einem europäischen Kontext weiter diskutieren und evaluieren. Falls der gesamteuropäische Nutzen gegeben ist und es für die Schweiz eine sinnvolle Lösung gibt – dazu gehört nicht zuletzt auch eine Regelung zur Kostenübernahme – werden die Projekte in der Netzplanung weiterverfolgt.

Swissgrid baut nichts auf Vorrat
Nach bisherigen Erkenntnissen wird das «Strategische Netz 2025» voraussichtlich in etwa gleich viele Leitungskilometer haben wir das heutige Netz, aber eben weniger als noch im überholten «Strategischen Netz 2015» vorgesehen war. Die Swissgrid baue kein Netz auf Vorrat in der Schweiz und Europa, wurden die Medien orientiert. Die geplanten Investitionen für das «Strategische Netz 2025» belaufen sich auf rund 2.5 Mrd. CHF, wovon 1 Mrd. CHF für Ersatz und Instandhaltung und 1.5 Mrd. CHF für den Ausbau nötig sind. Der Bericht bezieht sich auf das Höchstspannungsnetz, wobei die direkt darunterliegende Netzebene ebenfalls in die Überlegungen eingebunden wurde. Swissgrid will in nächster Zeit den Dialog mit den Verteilnetzbetreibern suchen, um die Auswirkungen auf deren Netzebenen zu evaluieren.

©Text: Toni Rütti, Redaktor ee-news.ch

0 Kommentare

Kommentar hinzufügen

Top

Gelesen
|
Kommentiert