Häufig landen organische Reststoffe in der Kehrichtverbrennung. Viel Potenzial geht damit verloren. Bio-Abfälle liefern aber erneuerbare Energie und nährstoffreichen Dünger, wenn sie vergärt und nicht verbrannt werden. Bild: zvg

Landwirtschaftliche Abfallstoffe sind eine zum Teil noch brachliegende Ressource und werden noch viel zu wenig intensiv zur Energieproduktion genutzt. Hier gibt es noch Nachholbedarf. ©Bild: T. Rütti

«Wenn aus Zwiebelschalen Energie und Dünger werden»: Nationalrat CVP Dominique de Buman, Präsident Biomasse Suisse. ©Bild: T. Rütti

Organische Reststoffe machen einen Drittel eines Abfallsacks aus. Sie landen ohne Weiterverwertung in der Kehrichtverbrennung. Wieso das so ist, wollten etwa 120 Branchenfachleute und Gemeindevertreter wissen. ©Bild: T. Rütti

«Erfolgsfaktoren und Stolpersteine»: Diskussion mit Stephan Textor, Silvan Kocher, Danielle Lalive d’Epinay und Ronald Beglinger. ©Bild: T. Rütti

«Warum Biomasse für die Gasbranche so wichtig ist» von Daniela Decurtins, Direktorin Verband der Schweizerischen Gasindustrie VSG. ©Bild: T. Rütti

«Die Gesetzgebung heute und ihre Auswirkungen auf Grüngutbranche und Kommunen»: Arthur Wellinger, Vizepräsident Biomasse Suisse. ©Bild: T. Rütti

«Aus Bio-Abfall mehr machen: was, wie, wo?»: Infos dazu lieferte Daniel Trachsel, Geschäftsführer Biomasse Suisse. ©Bild: T. Rütti

Podium zum Thema «Wünsch Dir was» mit Guido Fuchs, Michael Oertig, Danielle Lalive d’Epinay, Christian Haldimann und Alex Bukowiecki Gerber, Geschäftsführer Kommunale Infrastruktur. ©Bild: T. Rütti

3. Bioenergie-Forum: Wenn aus Zwiebelschalen keine Energie und Dünger werden

(©TR) Rund 1.5 Mio. t organischen Reststoffe werden in der Schweiz pro Jahr getrennt gesammelt, ca. ein Drittel davon wird vergärt. 1.8 Mio. t landen immer noch im Kehricht. Das Potenzial von Biomasse wird folglich noch bei weitem nicht ausgeschöpft. So eine Quintessenz des 3. Bioenergie-Forums von Biomasse Suisse, das am 28.4.15 in Solothurn abgehalten wurde.


1,8 Mio t Bio-Abfälle werden also immer noch mit dem Haushaltkehricht entsorgt. 2014 waren es etwa 200 kg organische Reststoffe pro Einwohner und Jahr, wie das Bundesamt für Umwelt ermittelt hat. Viel Potenzial geht hier leider verloren. Dabei liesse sich aus Bio-Abfall erneuerbare Energie und nährstoffreichen Dünger herstellen. Würden alle organischen Reststoffe vergärt, die heute noch im Kehrichtsack und in der Verbrennung landen, hätten wir so viel Ökostrom, um beispielsweise die Erde mit einem Elektroauto 60‘000 mal zu umrunden. Zusätzlich könnten mit der erzeugten Wärme 30‘000 Haushalte ein ganzes Jahr lang beheizt werden.

Gedankenlosigkeit oder Bequemlichkeit
Viele Gemeinden sammeln ihre organischen Reststoffe vorbildlich getrennt. Weniger löblich hingegen ist, dass sie das Potenzial dennoch bei weiten nicht ausschöpfen, etwa weil sie die anfallenden Speiseabfälle nicht einbeziehen. Weggeworfen wird aus Gedankenlosigkeit oder Bequemlichkeit. Oder weil das entsprechende Bewusstsein und Wissen fehlt. Oder weil man sich einfach nicht mit solchen Fragen herumschlagen mag. Genau mit dieser Problematik setzten sich indessen die etwa 120 Tagungsteilnehmenden im Detail auseinander – in Fachreferaten oder Diskussionen sowie in einem Podiumsgespräch, das von der Danielle Lalive d'Epinay moderiert wurde.

Stoffkreisläufe schliessen
CVP-Nationalrat Dominique de Buman rief dazu auf, sich in der Gemeinde dafür einzusetzen, dass möglichst viele organischen Reststoffe gesammelt werden. «Damit leisten Sie nicht nur einen wichtigen Beitrag zur Energiewende und zum Umweltschutz. Sie sparen so auch noch Kosten», so der Präsident Biomasse Suisse anlässlich des 3. Bioenergie-Forums, das einen saloppem Titel trug: «Wenn aus Zwiebelschalen Energie und Dünger werden». Nicht bloss Garten- und Rüstabfälle, auch Speisereste wie Brot, Käse, Fleisch oder Fisch lassen sich zu klimafreundlichem Biogas vergären. Gemeinden, die diesen Schritt gehen, verwerten organischen Reststoffe gleichzeitig energetisch und stofflich und schliessen damit erst noch ganze Stoffkreisläufe. Im Gärprozess entsteht CO2-neutrale Energie, die sodann als Ökostrom, Wärme oder Treibstoff zur Verfügung steht. «Aus Bio-Abfall mehr machen: was, wie, wo?», lautete denn auch das Referat von Daniel Trachsel, Geschäftsführer Biomasse Suisse. Dass landauf, landab von den Gemeinden bereits ganz bemerkenswerte Anstrengungen in Sachen Grüngutmanagement unternommen werden, zeige der Wettbewerb «Green Award»; für die Preisverleihung vom 19. Juni 2015 sind nicht weniger als 60 Bewerbungen von Gemeinden eingegangen.

Kosten tiefer als Verbrennung 
Bei der Energieproduktion bleibt immer eine wertvolle Biosubstanz übrig, das sogenannte Gärgut. Daraus lassen sich wiederum nährstoffreicher Dünger, Bodenverbesserer oder Kompost für die Landwirtschaft oder den Gartenbau produzieren. Kosten lassen sich insofern reduzieren, als sich die Logistik-Kosten der Separatsammlung in etwa auf gleichem Niveau bewegen wie beim Einsammeln von Abfallsäcken für die Entsorgung in der Kehrichtverbrennung. Wie in Solothurn zu erfahren war, sind die Verwertungskosten von organischen Reststoffe sogar in fast allen Gegenden noch tiefer als dies. Grundsätzlich dürfte es sich für die Gemeinden lohnen, das Konzept für die Sammlung von organischen Reststoffe unter Einbezug der Bevölkerung zu optimieren – eine Erkenntnis, die gewiss so mancher anwesende Gemeindevertreter am diesjährigen Bioenergie-Forum gewonnen hat und die er nun in den entsprechenden Gremien weiterdiskutieren wird. Eine Vielzahl von Verbesserungsmassnahmen, auch wenn es nur kleine sind, könnte letztlich zu einem grossen Schritt in Richtung Nachhaltigkeit und Kostenoptimierung werden.

Verbesserung der Rahmenbedingungen
Laut Arthur Wellinger stand der Schweiz 2010 ein Volumen an Biomasse zur Verfügung, um damit 1.26 TWh Energie zu erzeugen. Der Vizepräsidenten des Vereins geht davon aus, dass dieses Volumen bis 2050 auf 4.45 TWh anwachsen wird. Möglich wäre indessen mehr! «Biomasse Schweiz setzt sich seit langem für die volle Ausschöpfung der Potenziale ein, und wo diese nicht reichen, für den Import», erklärte er. Theoretisch stehe der Bioenergie alle Türen weit offen, doch faktisch müsse der Verband aufgrund der geltenden – und dringend zu revidierenden – Rahmenbedingungen noch sehr viel Knochenarbeit leisten. Die politischen Hürden seien hoch und schienen ihm manchmal schier unüberwindbar, so Arthur Wellinger in seinen Betrachtungen mit dem Titel «Die Gesetzgebung heute und ihre Auswirkungen auf Grüngutbranche und Kommunen». Er räumt dabei auch mit einer ganzen Reihe von umhergeisternden Behauptungen im Zusammenhang mit Biomasse und Biotreibstoff auf – Halbwissen oder falsche Angaben, die den effektiven Fakten in keiner Weise standhielten, aber als Bremsklötze den Bestrebungen von Biomasse Schweiz zuwiderliefen.

Pioniere bei der Biogas-Einspeisung
«Warum Biomasse für die Gasbranche so wichtig ist» von Daniela Decurtins, Direktorin Verband der Schweizerischen Gasindustrie VSG. Ihr Vortragsthema:  «Taten statt Worte – Pioniere bei der Biogas-Einspeisung». Ziel der Einspeisung ist es, diese bis Ende 2015 auf 300 Mio. KWh zu versechsfachen im Vergleich zu 2009. Wohlverstanden, bei noch null eingespeistem Biogas im Jahre 2000! Schade, findet die VSG-Direktorin, dass Biogas in den aktuellen Mustervorschriften MuKEn 2014 immer noch nicht berücksichtigt ist. Handlungsbedarf sieht Daniela Decurtins betreffend Standardlösungen beim Heizungsersatz; das entsprechende Basismodul Teil F beinhalte keine Anerkennung der Biogasnutzung. Beim Basismodul Teil M stellt sie immerhin eine Vorbildunktion der öffentlichen Hand fest: Umsteigen auf Biogas in öffentlichen Gebäuden!

Sammellogistik
«So finden Sie das passende Sammlungs- und Finanzierungsmodell» von Stephan Textor. In seinen Betrachtungen machte der Geschäftsführer Textor Engineering sogar einen Exkurs nach Cuba, wo man im brennbaren Abfall 64% organische Abfälle findet und der Verschmutzungsgrad im Grüncontainer bei 36% liegt. Selbstverständlich bezogen sich alle übrigen von ihm vermittelten Informationen zur Grüngutsammlung und -verwertung auf die Schweiz beziehungsweise auf einzelne Gemeinden und Regionen. Der Mengenunterschied zwischen Winter und Sommer liegt in der Schweiz bei Faktor 2.5, um hier nur ein Beispiel aus dem Alltag der Sammellogistik zu nennen. Spannend auch, welche  unterschiedlichen Sammel-Systeme beziehungsweise Entsorgungs- und Recycling-Arten sich in den jeweiligen Städten und Regionen bewährt haben! Oder auf Anpassungen warten, um mit der rasanten Entwicklung im Abfallwesen Schritt zu halten.

Dübendorf und Biel: Markante Unterschiede
«Erfolgsfaktoren und Stolpersteine: zwei Gemeinden und ihre Separatsammlung» von Ronald Beglinger, stv. Leiter Abfall und Recycling Dübendorf, Silvan Kocher, Leiter Strasseninspektorat Stadt Biel. Roland Beglinger konnte ein Konzept zur Abfallbewirtschaftung präsentieren, das immerhin dazu führte, dieser Gemeinde den «Green Award 2012» zu verleihen. Ronald Beglinger blickte rasch aufs Jahr 1987 zurück, als die separate Sammlung und Kompostierung des Grüngutes eingeführt wurde. Heute werden weit über 100 kg organischen Reststoffe pro Einwohner  und Jahr gesammelt, was in Dübendorf zu einer Reduktion an Treibhausgasen von 403 Tonnen CO2 führt. Dübendorf wurden mit dem  Energiestadt-Label versehen. Interessant, mit welchen Problemen hingegen die Stadt Biel bei der Sammlung der Siedlungsabfälle konfrontiert wird angesichts eines je nach Quartier extrem hohen Anteils an Bewohnern mit Migrationshintergrund – es gilt sowohl das Hol- als auch das Bring-Prinzip – je nach Abfallart; logisch, dass ein diszipliniertes Trennen von Abfall nicht in allen Bevölkerungsschichten Priorität geniesst und hier eine umso intensivere Aufklärungsarbeit vonnöten ist. Die Bieler Grüngutsammlung ergibt ca. 4000 Tonnen pro Jahr beziehungsweise 73 kg pro Einwohner. Um eine Tonnen zu sammeln, müssen 32 Arbeitsminuten oder 3.4 km Weg aufgewendet werden. Das Sammlungsintervall ist wöchentlich. Die Sammelkosten pro Tonne liegen in Biel beim Grüngut bei 125 Franken, beim übrigen Kehricht bei 97 Franken.

Im Sandwich zwischen Auftraggeber und Abnehmer
«Hygiene und Fremdstoffe – was den Transporteur beschäftigt» von Christian Haldimann, Geschäftsführer Haldimann AG (Murten). Nehmen wir Grünabfälle als Beispiel: Zwar ist ein Abfall-Transporteur Partner, aber vielfach eben auch im Sandwich zwischen Auftraggeber – öffentliche Hand, Gemeinde oder Stadt – und Abnehmer – Kompostierungs- oder Vergärungsanlage. Und Bürger! Da kommen einem Transporteur schon mal Gedanken hoch, ob sich alle Beteiligten denn schon mal die Frage gestellt haben, was hinter der Organisation eines professionellen Einsammeldienstes an Aufwand steckt? Das Abfuhrpersonal ist offenbar immer mal wieder hin- und hergerissen und stellt sich dabei nicht selten auf die Seite der Bürger, nicht selten kritisch beobachtet von den anderen Partnern. Grosse Kenntnisse über Recycling- und Abfallstoffe sind ebenso gefragte Qualitäten wie Vielfältigkeit und Professionalität. Wenn nur all die Fremdstoffe in den Grünabfällen nicht wären!

Coop ist im Gespräch mit dem BAFU
«So macht’s der Detailhändler Coop», Guido Fuchs, Projektleiter Nachhaltigkeit Coop. Er kam auf die schwierigen gesetzlichen Rahmenbestimmungen zu sprechen, insbesondere auf die Revision der Technischen Verordnung Abfall (TVA). Biogene Abfälle müssen laut Art. 14 stofflich verwertet werden, sofern sie sich aufgrund ihrer Nährstoff- und Schadstoffgehalte dazu eignen. Coop erfüllt diese Forderung laut Guido Fuchs bereits vollständig. Art. 35 schreibt vor, dass verpackte biogene Abfälle nur in die Vergärung/Kompostierung gehören, wenn die Verpackung höchstens 4 Gewichtsprozente der Trockensubstanz der Abfälle ausmacht und sie vor der Vergärung zu 90% entfernt wird. Zu 90%! Für Coop ist diese Regelung nicht praxistauglich und bei den bestehenden Verwertungslösungen schlicht nicht einhaltbar. Coop ist mit dem BAFU im Gespräch.

240‘000 t flüssigen und festen Dünger
«So finden Sie das passende Sammlungs- und Finanzierungsmodell» von Michael Oertig. «Wir schliessen den Stoffkreislauf», sagte der Leiter Technik, Axpo Kompogas AG, angesichts der Verarbeitung von 300‘000 t organischen Abfällen im Jahr und der Produktion von Dünger, Biogas, Strom und Wärme. Auf eine Menge von 240‘000 t an flüssigem und festem Dünger pro Jahr ist man bei der Axpo Kompogas AG richtiggehend stolz. 18 GWh Einspeisung ins Erdgasnetz,  31.5 GWh Einspeisung ins Stromnetz sowie wenige GWh Einspeisung ins Fernwärmenetz sind weitere nennenswerten Daten. Was die Axpo Kompogas AG aber auch bietet sind Beratungen von Gemeinden (Finanzierungsfragen zum Beispiel) und der Industrie, sowie Öffentlichkeitsarbeit und Besucherführungen; es dürfte sich lohnen, sich einmal einer Führung anzuschliessen, um seine Kenntnisse über das Sammlungs- und Finanzierungswesen zu vertiefen.

Broschüre «Wenn Zwiebelschalen Vollgas geben»
Was passiert auf der politischen Ebene, etwa bei der Revision der Technischen Verordnung über Abfälle TVA? Wissen will diese die gesamte Branche, die in Solothurn mit ihren besten Vertretern vor Ort war und darüber diskutierte und referierte. Demnächst sollen auf der Homepage von Biomasse Suisse die entsprechenden Power-Point-Präsentationen des 3. Bioenergie-Forums aufgeschaltet werden. Man wird hier auf eine Vielzahl an Daten und Detailinformationen stossen.  In der Broschüre «Wenn Zwiebelschalen Vollgas geben» bekommt man Auskunft, wie sich die Sammlung von organischen Reststoffe Schritt für Schritt ausbauen lässt, wobei man systematisch angeleitet wird: Beurteilung des Optimierungspotenzials zum Aus­bau der Sammlung on Grünabfällen in seiner Gemeinde, Abschätzung, welche Logistik die Richtige ist, sowie ein Überblick über die verschiedenen Finanzierungs­möglichkeiten. Bestellung der Broschüre: energie@biomassesuisse.ch oder Telefon 044 395 12 14.

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©Text: Toni Rütti, Redaktor ee-news.ch

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