Wenn es um den Erhalt der gesamten Liegenschaft geht, müssen verschiedene Interessen unter einen Hut gebracht werden. ©Bild: Kompetenzzentrum Typologie & Planung in Architektur, hslu

Stockwerkeigentum: Mit langfristiger Planung Konflikte verhindern

(hslu) Viele Käuferinnen und Käufer von Stockwerkeigentum machen sich keine Gedanken über spätere Unterhalts- und Erneuerungsarbeiten am Gebäude. Das kann zu bösen finanziellen Überraschungen und Streit in der Gemeinschaft führen. Die «Luzerner Toolbox» der Hochschule Luzern hilft, solche Situationen zu vermeiden.


Stockwerkeigentum ist in der Schweizer Bevölkerung zunehmend beliebt, mittlerweile bewohnen hierzulande fast 30 Prozent aller Eigentümer Stockwerkeigentum. Im Jahr 2000 wurden im Kanton Zürich 55ʼ435 Stockwerkeigentumswohnungen gezählt, im Jahr 2012 waren es bereits 96ʼ039, im Kanton Luzern stieg die Zahl im gleichen Zeitraum von 10ʼ920 auf 19ʼ680. Beim Kauf von Stockwerkeigentum geht die Verantwortung vom Verkäufer auf den neuen Eigentümer über.

Einigkeit erforderlich
Dies ist ein sensibler Moment: «Die meisten Stockwerkeigentümer konzentrieren sich beim Kauf auf die Gebäudeteile, für die sie das alleinige Nutzungsrecht haben», erklärt Amelie-Theres Mayer vom Kompetenzzentrum Typologie & Planung in Architektur (CCTP) der Hochschule Luzern – Technik & Architektur. Der langfristige Unterhalt und die Erneuerung der gemeinschaftlichen Teile werden ausgeklammert und auch vom Verkäufer oft nicht thematisiert. Das kann böse Folgen haben. Denn gerade die Sanierung dieser Teile erfordert Einigkeit innerhalb der Gemeinschaft und kann auch besonders teuer werden. Dazu gehören die Gebäudehülle (Fassade, Dach oder Fenster) und die Haustechnik (Heizung, Sanitäroder Aufzugsanlagen). Grundsätzlich machen Betrieb, Unterhalt und Erneuerung über den Lebenszyklus einer Liegenschaft ca. 80 Prozent der Gesamtkosten aus, die Investitionskosten belaufen sich auf 20 Prozent.

Amelie-Theres Mayer leitete zusammen mit Stefan Haase ein zweijähriges Forschungsprojekt im Rahmen des Interdisziplinären Schwerpunktes Kooperation Bau und Raum zum Thema Langzeitstrategien im Stockwerkeigentum. Die Expertin und der Experte des Departements Technik & Architektur wurden unterstützt von Kollegen des Departements Wirtschaft und des Departements Soziale Arbeit.

Erneuerungsfonds häufig ungenügend gefüllt
Für den Unterhalt und die Erneuerung der gemeinschaftlichen Teile sollte eine Stockwerkeigentümergemeinschaft auf einen ausreichend dotierten Erneuerungsfonds zurückgreifen können, der von allen Eigentümerinnen und Eigentümern anteilig gespiesen wird. Die Untersuchungen des Forschungsteams ergaben aber, dass die jährliche Äufnungshöhe beim Erwerb der Wohnung vom Eigentümer selten überprüft wird. Auch Verwaltungen thematisieren eine ungenügende Rücklagenstellung nur ungern. «Tendenziell ist die Äufnungshöhe bereits zu Beginn einer Nutzungsphase häufig zu niedrig angesetzt», so Mayer. Dies deckt sich mit einer älteren Erhebung der Hochschule Luzern – Wirtschaft von 2010: Demnach verfügten zwar 84 Prozent der Stockwerkeigentümergemeinschaften über einen Erneuerungsfonds, das Geld reichte aber nur für die Begleichung von 25 bis 50 Prozent der zu erwartenden Erneuerungskosten.

Verschiedene Bedürfnisse
Eine weitere wichtige Erkenntnis des Teams: Wenn grosse Investitionen anstehen, die der Erneuerungsfonds nicht deckt, währt die Freude über die eigene Wohnung oft nicht mehr lange. «Es hat sich herausgestellt, dass Entscheidungen über notwendige bauliche Erneuerungen bei den gemeinschaftlichen Teilen dann verzögert oder gar nicht gefällt werden», sagt Stefan Haase. Dies wirkt sich unmittelbar auf den Immobilien- und Wiederverkaufswert aus. Zudem geraten die Miteigentümer häufig in Streit, wenn sie versuchen, die Situation zu ändern und Sanierungs- oder Erneuerungskosten kurzfristig unter sich aufzuteilen. «Die Bedürfnisse und finanziellen Voraussetzungen sind oft doch sehr verschieden. Was für die einen schlicht nützlich ist, kann jemand anderem luxuriös erscheinen», so Haase.

Erneuerungsterminplan ist zentraler Bestandteil
Das Forschungsteam erarbeitete deshalb die «Luzerner Toolbox», die sich an Stockwerkeigentümerinnen und -eigentümer richtet. Sie vermittelt Wissenswertes zum Kauf von Stockwerkeigentum und zu den anstehenden Aufgaben und Kosten im Zusammenhang mit einer langfristigen Unterhalts- und Erneuerungsplanung. Acht handliche Faltblätter führen in die wichtigsten Themen ein. Zentrales Element ist darüber hinaus ein Erneuerungsplan, der zu erwartende Sanierungen und die damit verbundenen Kosten in den kommenden Jahren aufzeigt.

«Eine solch langfristige Planung muss kurz nach der Gründung einer Stockwerkeigentümerschaft in Angriff genommen werden», betont die Projektleitung. Auf dieser Grundlage könne dann zuverlässig eine jährliche Äufnungshöhe für den Erneuerungsfonds bestimmt werden. Ausführlich widmet sich das Forschungsteam auch dem Konfliktmanagement. «Viele Meinungsverschiedenheiten können vermieden werden, wenn die Zuständigkeiten klar geregelt sind und Entscheidungsprozesse einem klaren Ablauf folgen», so Mayer. Wichtig ist beispielsweise, in einem Pflichtenheft detailliert festzuhalten, welche Aufgaben eine Verwaltung übernehmen soll, gerade in Bezug auf die Unterhalts- und Erneuerungsplanung. Ebenso entscheidend ist auszudiskutieren, was die Gemeinschaft unter notwendigen, nützlichen oder luxuriösen Massnahmen versteht, und welche dieser Massnahmen über den Erneuerungsfonds gedeckt werden sollen. «Diese Punkte zu klären ist auch wichtig, wenn die Gemeinschaft zum Gründungszeitpunkt von einem freundschaftlichen Miteinander geprägt ist», so Mayer. Das zahle sich später aus, wenn es um Entscheide zu Unterhalt und Erneuerung geht.

Ist ein Konflikt nicht zu vermeiden, zeigt die Toolbox verschiedene Strategien zur Bewältigung. Welche gewählt wird, sollte nach Möglichkeit von den Parteien gemeinsam bestimmt werden. Entweder kann die Gemeinschaft den Konflikt in Eigenregie lösen oder – mit zunehmender Eskalationsstufe – einen externen Vermittler wie einen Mediator beiziehen.

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Text: Hochschule Luzern

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