Chancen bietet laut Markus Weber das sogenannte digitale Bauen. Bei Einführung von «Building Information Modeling» und bei der modularen Planung sei der Schweizer Bauwirtschaft Hand und Unterstützung zu bieten. ©Foto: T. Rütti

Der von ca. 130 Personen besuchte Anlass fand im Rahmen des Ausbildungsgangs «MAS Energieingenieur Gebäude» statt und bezog die Studierende und Hochschulabsolventen, Alumni genannt, direkt mit ein. ©Foto: T. Rütti

Prof. Urs Rieder, Abteilungsleiter Gebäudetechnik Hochschule Luzern, wirkte im Plenum als Moderator, wobei er auch eigene Inputs beisteuerte, um so provokativ Aspekte in die Diskussion einzubringen. ©Foto: T. Rütti

Jörg Worlitscheks Forschungsgruppe entwickelt Speichersysteme unter Berücksichtigung von Energieumsatz und Wirtschaftlichkeit. Laut Adrian Altenburger soll der erneuerbaren Stromanteil auf rund 25% anwachsen. ©Foto: T. Rütti

Jost Harr erläutert die Temperatursteuerung mittels Eisspeicher im Syngenta Forschungszentrum. Beat Andrist veranschaulichte Optionen, die sich durch die Produktionsschwankungen erneuerbarer Energiequellen bieten. ©Foto: T. Rütti

Laut Daniel Marti leistet das Netzwerk Alenii auch einen Beitrag zur Energiewende durch Stützung des Berufsbildes Energieingenieur, Informationsvermittlung, Austausch sowie Weiterbildung und Motivation. ©Foto: T. Rütti

Vor der Präsentation im Plenum noch rasch eine Retusche am Ergebnis der Gruppenarbeit anbringen: Workshop-Alltag, wenn Branchenvertreter der Sparten Architektur, Ingenieurbau, Technik und Umwelt am Werk sind. ©Foto: T. Rütti

Gebäudepark Schweiz: Dreh- und Angelpunkt der Energiespeicherfrage

(©TR) Da Energien aus erneuerbaren Ressourcen dezentral und unregelmässig anfallen, fordert dies ein Umdenken in jeder Hinsicht. Speicher- und Regeltechnologien im Gebäude leisten einen wichtigen Beitrag zur besseren Integration. Am 10. April 2015 diskutierte der Fachverein Gebäudetechnik und Energie SIA FGE an der Hochschule Luzern über die Potenziale der Gebäudetechnik.


Die technischen Möglichkeiten des Energiespeicherwesens entwickeln sich rasant: Neue kleine und grosse Batteriespeicher drängen auf den Markt. Saisonale thermische Energiespeicher sind dabei, den Durchbruch zu schaffen. Power-to-Gas speichert Strom im Erdgasnetz. Grosse Pumpspeicherkraftwerke befinden sich im Bau. Neue Möglichkeiten des Lastenmanagements eröffnen neue Geschäftsfelder. Und sowohl Gebäude als auch Elektroautos werden je länger je mehr zu veritablen Stromspeichern. Gewusst, dass bei uns die Hälfte der Primärenergie in Gebäuden verbraucht und das Potential lokaler erneuerbarer Energieressourcen immens ist? Genau dies macht den Gebäudepark auch zum Dreh- und Angelpunkt der Energiespeicher-Frage. Der am 10. April 2015 durchgeführte SIA FGE-Workshop «Gebäudepark Schweiz als Energiespeicher» bot dazu einen Überblick. Nach den Input-Referaten der Experten wurden die einzelnen Aspekte in moderierten Gruppendiskussionen vertieft diskutiert, zum Teil auch kontrovers. Anschliessend fungierte Prof. Urs Rieder, Abteilungsleiter Gebäudetechnik der Hochschule Luzern, im Plenum als gewiefter Moderator, der die Wortmeldungen aus der Runde mit professoralem Sachverstand aufnahm und kommentierte. Oder den Faden weiterspann.

Dialog zwischen Wirtschaft und Forschung
Einen Einblick ins Thema thermische Speicherung bot Jörg Worlitschek. Seine Forschungsgruppe an der Hochschule Luzern optimiert und entwickelt neue Speichersysteme und berücksichtigt dabei die Dynamik zyklischer Prozesse, die Energieerzeugung und der Energieverbrauch sowie nicht zuletzt auch die Wirtschaftlichkeit des Gesamtsystems. Der Forschungsgruppenleiter sieht ganz beträchtliche Zukunftschancen in Thermischen Energiespeichern und dem damit einhergehenden technologischen Anwendungspotential. Kein Zweifel, Jörg Worlitschek strebt einen lebendigen Dialog zwischen Vertretern der Wirtschaft und der Forschung aus den Bereichen Energie-, Industrie- und Gebäudetechnik an, um den Fortschritt bezüglich Thermischer Energiespeicher in der Schweiz und in Europa gemeinsam voranzutreiben. In der Praxis heisst dies, den unterschiedlichen Interessen und Ansprüchen der Beteiligten möglichst zufriedenstellend zu entsprechen – gewiss kein einfaches Unterfangen...

Kurzinterview  mit Joerg Worlitschek von IEU AG

V
ermehrt «in Systemen denken»
«Mit 46% des Gesamtenergieverbrauchs, über 50% des Elektrizitätsverbrauchs und 40% der CO2-Emissionen spielen die Gebäude bei der Energiewende eine entscheidende Rolle», ist der Präsident des Fachvereins Gebäudetechnik und Energie SIA FGE überzeugt. Im Hinblick auf die Energiewende hofft Markus Weber auch bezüglich der Gebäudetechnik auf die richtigen Entscheidungen von Politik, Behörden und Gesellschaft. Wir müssten vermehrt «in Systemen denken», regte er zudem an. Gebäude bestünden doch letztlich aus lauter Einzelsystemen, bei denen verschiedene Disziplinen optimal zu einem einzigen «effizienten Gebäudesystem» zusammengeführt würden – im Idealfall.

Kurzinterview mit Urs Rieder von IEU AG

Gebäude sind selber Bestandteil unseres Energiesystems

«Gebäude produzieren und speichern selber vermehrt Energie, werden zu Speicher- und/oder Kraftwerken und so Bestandteil eines umfassenden Systems und Teil unseres Energiesystems. Parallel zum Ausbau der Erneuerbaren wachsen auch die Anforderungen an die Speicher-/Regeltechnologien und somit an die Energie- und Gebäudetechnik. Was es unter anderem braucht, sind Tages-Energiespeicher, zum Beispiel Wasser- und Eisspeicher sowie Batteriespeicher», so Markus Weber. Vonnöten seien zudem saisonale Energiespeicher, etwa ein Erdsondenfeld, aber auch ein Lastmanagement, ja sogar die zweitweise Abschaltung von Energieverbrauchen. «Die Gebäude müssen vor allem dann effizient arbeiten, wenn wenig Energie zur Verfügung steht, namentlich während der kalten Jahreszeit. Die Gebäude dürfen hingegen ruhig auch mal etwas mehr Energie konsumieren, wenn ausreichen davon zur Verfügung steht», zitieren wir den SIA-FGE-Präsidenten. Chancen bietet gemäss Branchenmeinung das sogenannte digitale Bauen. Bei der Einführung von Building Information Modeling BIM, bei der modularen Planung sowie der industriellen Fertigung sei der zusehends technikdominierteren Bauwirtschaft Unterstützung zu bieten.



Kurzinterview Markus Weber von IEU AG

Geothermische Speicherung statt fossile Energieträger
Die Relevanz und die politischen Rahmenbedingungen von Energiespeichern erläuterte Adrian Altenburger in seinem Input-Referat. «Der Ausbau des erneuerbaren Stromanteils von heute < 1% auf rund 25% am gesamten Stromangebot ist – bei gleichbleibender Versorgungsqualität! – technisch ausgesprochen anspruchsvoll», gab der Präsident SIA-Fachrats Energie zu bedenken. Eine dezentrale Stromspeicherung in Gebäuden oder auf Arealen beziehungsweise auf kommunaler Ebene vermag seiner Ansicht nach die ansonsten anstehenden Ausbauten für Regelenergie merklich zu reduzieren. In der geothermischen Speicherung sieht er einen gangbaren Weg, um die fossilen Energieträger zu substituieren und gleichzeitig den Strombedarf in Griff zu bekommen. Anzustreben ist laut Adrian Altenburger auch eine thermische Arealvernetzungen bei Mischnutzungen und/oder eine aktive Regeneration von Erdwärmesonden.

Kurzinterview mit Adrian Altenburger von IEU AG

Wohnsiedlung Eich als Paradebeispiel

Die Genossenschaft Elektra Baselland EBL (Liestal BL) bedient über 200‘000 Menschen mit Strom, Wärme und Dienstleistungen der Telekommunikation. Dank der konstanten Erweiterung der EBL-Geschäftsfelder profitieren die Kunden von innovativen und ökologischen Produkten und Dienstleistungen. Als Mitglied der EBL-Geschäftsleitung veranschaulichte Beat Andrist vielversprechende Optionen, die sich im Strudel von Produktionsschwankungen der erneuerbaren Energiequellen anbieten. Er erörterte dies anhand des Fallbeispiels Siedlung Eich in Frenkendorf, wo man sich auf Smart Grid und innovative Technologien verlässt. Dies im Wissen, dass der Ausbau der Solarenergie lange vor 2050 zwingend Umstellungen im Schweizer Stromnetz erfordert. Für die Genossenschaft EBL lässt sich anhand der Wohnüberbauung Eich beispielhaft demonstrieren, wie sich ein lokales Verteilnetz optimal nutzen lässt, ohne dass extrem hohe Ausbaukosten anfallen.

Kurzinterview mit Urs Rieder von IEU AG

Erwartungen um Faktor 4.3 übertroffen

Jost Harr, CEO TZW Consulting GmbH, erläutert in seinem Power-Point-Vortrag typische Ansprüche einer Bauherrschaft – eine Herausforderung, für jene, die ein solches Vorhaben zu realisieren haben. Anhand der Temperatursteuerung mittels Eisspeicher veranschaulichte er dies am Beispiel des Syngenta Forschungszentrums. Bei diesem Projekt seien energetisch und prozess-leittechnisch die Erwartungen der Bauherrschaft und seiner Firma sage und schreibe um den Faktor 4.3 übertroffen worden. Fazit: «Eine effiziente Energienutzung ist nicht eine Entweder-Oder-Lösung, sondern das Zusammenspiel verschiedener intelligenter Systeme.» Benutzeranforderungen müsse man im Detail hinterfragen und sodann auf realistische Erwartungen «hinunterbrechen…». Jost Harr regte überdies an, bei der Realisierung eines Projektes zwischendurch mal ein «Marschhalt» einzuschalten und eine «Auslegeordnung der Möglichkeiten» vorzunehmen.

Kurzinterview mit Jost Harr von IEU AG

Image der Gebäudetechnik auf Vordermann bringen
Zur Stärkung eines neuen Berufsbildes wurde schon 2013 eine entsprechende Plattform geschaffen. Sie trägt das Kürzel «Alenii». Laut Alenii-Präsident Daniel Marti leistet dieses «Netzwerk der Energieingenieure» letztlich auch einen Beitrag zur erfolgreichen Energiewende. Ziel des jährlich stattfindenden Workshops sei die Vermittlung von Wissen und Erfahrungen zum nachhaltigen Bau, Umbau und Betrieb des Gebäudeparks Schweiz. Für ee-news.ch zog er diesmal folgende Workshop-Bilanz: «Die Einbindung von dezentraler Produktion und Speicherung von erneuerbarer Energie im Gebäudepark verlangt ein Umdenken bei den Energiedienstleistern, den Behörden und der Politik. Die Technologien und die Fachleute sind heute schon bereit und die Wirtschaftlichkeit ist gegeben. Jetzt müssen nur noch die richtigen gesetzlichen und regulatorischen Rahmenbedingungen geschaffen werden. Und schon kommt die Energiewende richtig in Schwung.»

Kurzinterview mit Daniel Marti von IEU AG

©Text: Toni Rütti, Redaktor ee-news.ch

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