Der Ständerat hat die Möglichkeit, mit einem differenzierten System, das der Preisentwicklung am Markt Rechnung trägt, die Beschlüsse des Nationalrats den neuen Marktverhältnissen und den Entwicklungen im EU-Beihilferecht anzupassen.

Faktenblatt AEE Suisse: Wasserkraft erhalten – neue erneuerbare Energien ausbauen

(AEE Suisse) Die Energiestrategie 2050 ist mehr als nur eine Stromstrategie. Aber innerhalb der Gesamtstrategie über alle Energiearten muss geklärt werden, wie der Zubau von neuen erneuerbaren Energien (Sonne, Wind, Biomasse, Geothermie, Kleinwasserkraft) vorangetrieben und wie in der Schweiz der grosse Teil von Elektrizität aus Grosswasserkraftwerken erhalten werden kann.


Beide Fragestellungen brauchen verlässliche, aber differenzierte Investitionsrahmenbedingungen, die zur Schweiz, zum europäischen Strombinnenmarkt und zu den Beihilfeleitlinien der EU passen.

Strukturelle Probleme setzen Wasserkraft unter Druck
Die Wasserkraft in der Schweiz ist in eine schwierige Lage geraten. Ursache des Problems sind die tiefen Strompreise im EU-Strombinnenmarkt. Die Terminpreise für Bandenergie für die Jahre 20152020 sind von 7-12 Rp/kWh auf weniger als 3.5 bis 4 Rp/kWh gesunken; Spitzenenergie wird für weniger als 5.5 Rp/kWh gehandelt.

Dieses Preisniveau kann die Gestehungskosten neuer Wasserkraftwerke bei weitem nicht decken. Es führt selbst bei bestehenden Kraftwerken, die in Ausbauten investierten, zu Verlusten. Der langfristige Erhalt, die Erneuerung und die Erweiterung bestehender Anlagen sind wirtschaftlich nicht länger gesichert. Mehrere Ursachen sind dabei im Spiel:

  • Überkapazitäten, mit hohen Altbeständen an thermischen Kraftwerken;
  • Preiszerfall der CO2-Zertifikate im EU-Emissionshandelssystem;
  • Verschlechterung der Wettbewerbsposition durch die Franken-Stärke;
  • Ausbau der erneuerbaren Energien in der EU (Sonne, Wind).

Die Schweiz kann die Marktlage in Europa nicht beeinflussen. Lösungen für die erneuerbaren Energien muss sie selber an die Hand nehmen. Gefragt ist ein differenziertes Verfahren.

Dreifaches Lösungskonzept für die Ziele der Energiestrategie 2050

  • Einspeiseprämiensystem: Das Einspeiseprämiensystem wie es der Nationalrat im Dezember beschlossen hat, ist gut für neue erneuerbare Energien und für die Wasserkraft bis 10 MW Leistung. Es funktioniert marktnah und ist einfach zu administrieren. Es beinhaltet neben wichtigen Abnahme-und Vergütungsregeln auch die Option der Direktvermarktung für Strom aus dezentralen Anlagen. Deshalb verdient es im Ständerat volle Unterstützung.

  • Differenzkostenentschädigung mit Ausschreibungsverfahren: Wegen des Preiszerfalls am Strommarkt braucht es einen erweiterten Finanzierungsrahmen für Grosswasserkraftwerke. Denn die Wasserkraft ist für die Versorgungssicherheit in der Regelzone Schweiz systemrelevant. Zielführend ist dafür eine massgeschneiderte und befristete Differenzkostenentschädigung, die wettbewerbsfähige Grosswasserkraftwerke im Ausschreibeverfahren erhalten sollen. Davon profitieren sollen Neu-und Erneuerungsinvestitionen, die nicht mehr aus den Stromerlösen gedeckt werden können. Für Kraftwerke, die in den letzten zehn Jahren erneuert wurden, kann in einem administrativen Verfahren eine befristete Differenzkostenentschädigung ohne Ausschreibung gewährt werden.

  • Stützungsmassnahmen im Einklang mit dem europaweiten wettbewerblichen Strommarkt: Beide Konzepte sind Wettbewerbs-und EU-kompatibel.

Merkmale eines Ausschreibungsverfahrens für Differenzkostenentschädigungen

  • Die Merkmale eines Ausschreibungsverfahrens für Differenzkostenentschädigungen für Schweizer Grosswasserkraftwerke ergeben sich wie folgt:
  • Neue oder erneuerte Grosswasserkraftwerke verkaufen ihren EE-Strom selber am Markt.
  • In einem Ausschreibungsverfahren bieten sie für die Differenzkosten (Förderhöhe) zwischen mutmasslichem Markterlös und den erwarteten Produktionskosten des erneuerten oder neuen Kraftwerks.
  • Mit dem Zuschlag für einen Differenzkostenvertrag erhalten sie nach der Inbetriebnahme eine befristete Entschädigung.
  • Steigen die Strompreise während der Vertragszeit über die Förderhöhe, werden die Mehrerlöse abgeschöpft.

Die Differenzkostenentschädigung eignet sich auch für bestehende Anlagen, die vor kurzem ausgebaut oder erneuert wurden. Das Bundesamt für Energie sollte für solche Investitionen ein geeignetes Modell entwerfen, das eine befristete Abgeltung der nicht durch Markterlöse gedeckten Kosten ermöglicht.

Zusätzliche 300 – 400 Millionen Franken für die Grosswasserkraft
Die Gesamtkosten dieses Systems werden auf 300 – 400 Mio. CHF pro Jahr geschätzt. Zur Deckung dieser Kosten gibt es verschiedene Finanzierungsquellen: Im Vordergrund steht eine zweckgebundene Abgabe auf importiertem fossilem und atomarem Strom oder die Erhöhung des Netzzuschlags für den Ausbau und den Erhalt der erneuerbaren Erzeugungskapazitäten. Wie auch immer die Lösung aussieht, die politische Lösung muss die Mehrkostendimension für den Wasserkrafterhalt transparent abbilden und darf den Ausbau der neuen Erneuerbaren Energien nicht einschränken.

Konform mit dem Strombinnenmarkt

Beide Konzepte, marktnahes Einspeiseprämiensystem für die neuen Erneuerbaren Energien und Differenzkostenentschädigung mit Ausschreibeverfahren für Grosswasserkraftwerke ab 10 MW, passen zum europäischen Strombinnenmarkt und den Beihilfeleitlinien der EU. Sie sind demnach Wettbewerbsund EU-kompatibel und stehen in keinem Widerspruch zur Integration der Schweiz im europäischen Strombinnenmarkt.

Ständerat kann nachbessern

Der Nationalrat hat im Energiegesetz bereits Vorkehrungen zugunsten der Wasserkraft getroffen und das jährliche Produktionsziel auf 37.4 TWh erhöht. Zur Zielerreichung sind für Erneuerungen und Ausbauten Investitionsbeiträge von maximal 40% vorgesehen, finanziert über 0.1 Rp/kWh aus dem Netzzuschlag. Wird diese Lösung verworfen, so sind Differenzkostenentschädigungen für Grosswasserkraftwerke im Ausschreibungsverfahren eine effektive und denkbare Fördermassnahme.

Ein nachgebessertes Energiegesetz muss Vorgaben machen, wann und in welchem Ausmass eine befristete Differenzkostenentschädigung erfolgen soll. Wasserkraftwerke, die ihre Investitionen bereits abgeschrieben haben und/oder die dank Stromverkauf an gebundenen Kunden (nur teilweise Marktöffnung) im eigenen Versorgungsgebiet die vollen Gestehungskosten verrechnen können, sollen keine Differenzkostenentschädigungen beanspruchen dürfen.

Der Ständerat hat die Möglichkeit, mit einem differenzierten System, das der Preisentwicklung am Markt Rechnung trägt, die Beschlüsse des Nationalrats den neuen Marktverhältnissen und den Entwicklungen im EU-Beihilferecht anzupassen.

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Text: AEE Suisse

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