Zum Auftakt des Polit-Apéros skizzierte Dr. Jan Geiss, Generalsekretär Eufores – European Forum for Renewable Energy Sources (Brüssel), allgemeine Gedanken einer «zukünftigen Energielandschaft Europas». Weiss man in Brüssel, wohin die energiepolitische Reise führt und was uns noch alles an energietechnischen Veränderungen und erforderlichen Massnahmen bevorsteht? Diesbezüglich enttäuscht wurden jene anwesenden Politiker, Vertreter von Gemeinden und der öffentlichen Hand, Bau- und Energiefachleute, Energieberater, Planer, Investor, Vertreter aus Wirtschaft und Immobilienwirtschaft, die News in Sachen erneuerbare Energien, Energieeffizienz und Reduktion des Treibhausgases erwartet hatten. Oder Verbindlicheres, was die Energiesicherheit und Abhängigkeit von Energieimporten oder etwa die künftige Ressourcensituation anbelangt.
Wiederholt revidierte Aktionspläne
Selbstverständlich hat Brüssel längst entsprechende Ziele und Aktionspläne formuliert und gewiss wiederholt auch wieder umformuliert. Doch im Zuge der Umsetzung von einigermassen ehrgeizigen Vorgaben könnte es laut Jan Geiss da und dort zu einem aus umweltpolitischer Sicht schmerzlichen Zurückbuchstabieren kommen. Man denke nur an die hochkomplexen geopolitischen Zusammenhänge und an die zum Teil extrem auseinanderdriftenden Interessen der beteiligten Lobbyisten aus Wirtschaft, Politik und Umweltschutz. «Ökologie versus Ökonomie versus Soziales: Stellt dies auf alle Zeiten einen unauflöslicher Konflikt dar oder kommt es doch noch zu einem Gesellschaftsprojekt in der EU und die Schweiz?» fragte der Eufores-Generalsekretär sich selbst und die Anwesenden. Ist die Energiewende zu unökonomisch beziehungsweise zu wirtschaftsfeindlich? Einen separaten Problemkomplex sieht Dr. Geiss auch in einer gewissen technisch-wirtschaftlichen Unmöglichkeit der Projekte. Und: Sollen die Lösungen für Gesamteuropa oder nur für die einzelnen Länder oder Regionen gelten? Und dies bis wann? Bis 2020, 2030 oder 2050?
Bis 2030 die passende Energielandschaft schaffen
Jan Geiss plädierte für mehr Ambitionen in Sachen Energiezukunft und dafür, bis 2020 energiepolitische Lücken zu schliessen, um sodann bis 2030 eine passende Energielandschaft schaffen zu können. Er sprach von einer starken und klaren Führung durch die europäische und nationale Politik – weg von nationaler Perspektiver. Bei der dezentralen Umsetzung wiederum seinen die Bürger, Städte und Regionen gefordert.
Science-Fiction-Film-Trilogie «Back to the Future»
Ins Energiejahr 2035 versetzt wurde die Zuhörerschaft von Barbara Egger-Jenzer, die sich bei ihren über weite Strecken amüsant klingenden Gedankengängen auch von Science Fiction-Autor Jules Verne und von der Science-Fiction-Film-Trilogie «Back to the Future» inspirieren liess. Klar, dass wir uns im realen Leben nicht auf Fantasy verlassen dürften, sondern auf eine von uns Menschen beeinflussbare Wirklichkeit. «Heute und nicht erst morgen müssen wir die Weichen stellen, um beispielsweise in 20 Jahren den Anteil der Energieträger Gas und Öl auf 10 Prozent der Bedarfs zu verringern», forderte die Regierungspräsidentin des Kantons Bern und Vorsteherin der Berner Bau-, Verkehrs- und Energiedirektion.
Fernziel: Zu 100 Prozent erneuerbare Energie
Keine Utopie, sondern pure Realität soll eine Energieversorgung werden, die sogar zu 100 Prozent auf erneuerbarer Energie und Energieeffizienz basiert, so Daniel Büchel. Wann dies der Fall sein wird, konnte der Leiter der Abteilung Energieeffizienz und Erneuerbare Energien allerdings auch nicht voraussagen. Er liess aber keine Zweifel offen, dass im Departement von Bundesrätin Doris Leuthard mit Weitsicht und gleichzeitig auch mit Sinn fürs Machbare am Erreichen der Ziele gearbeitet wird.
«Wir planen quasi das Unplanbare»
Der Programmleiter EnergieSchweiz gab sich zuversichtlich angesichts einer zu favorisierenden dezentralen Energie-Produktion und einer volatileren Abwicklung der Prozesse. Und vor allen Dingen eines: ein ausgesprochen flexibles und rasches Reagierens auf alles heute noch Unvorhersehbares. Wörtlich sagte der Vize-Direktor Bundesamt für Energie: «Wir planen quasi das Unplanbare.» Er sei sich sehr wohl bewusst, dass es speziell für die Wirtschaft schwierig sei, unter solch vagen Voraussetzung Investitionen zu tätigen. Für Daniel Büchel stimmt der Begriff «Energiewende» nicht in jeder Hinsicht, denn das Wort Wandel klinge zu stark nach einem Rechtsumkehrt. Vielversprechender sei seiner Auffassung nach eine rollende Planung, die sich wie die Evolution allmähliche an allen sich anbahnenden Veränderungen orientiere.
«Die Schweiz kann nicht zur Batterie Europas mutieren»
Nationalrat Urs Gasche regte an, künftig vermehrt über eine Vielzahl von «Einzelschritten vor Ort» zu diskutieren, die in ihrer Summe zu nachhaltigen Verbesserungen der Energie-, Versorgungs- und Umweltsituation führen sollen. Der Verwaltungsratspräsident BKW AG blickte in seinem Statement sowohl zurück als auch voraus und erinnerte daran, dass erneuerbarer Energien wie man sie heute anstrebe, nichts Neues seien. So sei doch beispielsweise Wasserkraft keine Erfindung unserer Zeit: In ferner Vergangenheit sei doch Wasserkraft das A und O unserer schweizerischen Energieversorgung gewesen. «Wasserkraft soll auch bei unserer Zukunftsorientierung im Mittelpunkt stehen», so Nationalrat Gasche. Zur Energiespeicherung meinte er: «Die Schweiz kann nicht zur Batterie Europas mutieren, aber die Energiespeicherung soll zumindest im eigenen Land weiterhin ein Thema bleiben», so der BKW-Verwaltungsratspräsident.
Erwartungen der Gäste erfüllt?
Durch den energie-cluster.ch-Event in der Berner PostFinance Arena führte Adrian Zurbriggen, stv. Chefredaktor Berner Zeitung. Ob der von ihm moderierten Polit-Apéro alle Erwartungen der Gäste erfüllen konnte, wird erst die Auswertung einer vom Veranstalter durchgeführten Gästebefragung ergeben. Fest steht: An den Stehtischchen des eigentlichen Apéros war verschiedentlich zu vernehmen, Konkretes und Handfestes zur Zukunft anstelle all der stehen gelassenen Fragezeichen wäre willkommen gewesen. Weitere Energie-Apéros werden in den kommenden Monaten dem Thema Modernisieren mit Energieffizienz gewidmet.
Infos: energie cluster.ch
©Text: Toni Rütti, Redaktor ee-news.ch
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