Im neuen BFH-CSEM Energy Storage Research Center werden Speicher- und Wandlertechnologien erforscht und geprüft. Im Bild: ein Prüfstand zur Untersuchung des thermischen Verhaltens von elektrochemischen Speichersystemen. ©Bild: BFH

Der Eigenverbrauch lässt sich durch lokale Speicher deutlich steigern. Einen entscheidenden Beitrag zu einem hohen Eigenverbrauch kann darüber hinaus auch ein auch ein intelligentes Lastmanagement leisten. ©Grafik: www.Solarwirtschaft.de

Die Solaranalge auf dem Schulhaus Säget in Jegenstorf ist eine von 111 Solaranlagen, die zusammen 5 % des Stroms der Genossenschaft Elektra erzeugen. ©Bild: Elektra Jegenstorf

Das Mehrfamilienhaus in Kriens nutzt den Strom vom eigenen Dach. Ein intelligentes Lastmanagement steuerte Wärmepumpe, Wasch- und Abwaschmaschine. ©Bild: Aura Fotoagentur

Swissolar: Den Strom vom Dach selber nutzen

(PR) Wer eine Photovoltaikanlage besitzt, kann den Strom nun auch direkt nutzen – für viele Anlagenbesitzer eine wirtschaftliche Alternative zur Stromeinspeisung. Wenn in naher Zukunft die Kosten von Batterien wie erwartet deutlich sinken, wird der Eigenverbrauch noch attraktiver. Die Elektrizitätsversorger sind gefordert.


Im Mehrfamilienhaus von Markus Portmann in Kriens wird so viel Solarstrom vom eigenen Dach wie möglich selbst genutzt. Das intelligente Lastmanagement steuert nicht nur die Wärmepumpe sondern auch Geschirrspüler und Waschmaschine. Der Nutzer gibt an, bis wann die Geräte ihre Programme spätestens beendet haben müssen. Eingeschaltet werden sie, wenn die Sonne scheint. Dabei wird nicht nur das aktuelle Wetter sondern auch die Wetterprognose in die Berechnung einbezogen. Bauherr Markus Portmann, Inhaber des Planungsbüros e4plus, leistet mit diesem ausgeklügelten System Pionierarbeit. Doch schon bald werden viele Solaranlagenbesitzer seinem Beispiel folgen und den Strom vom eigenen Dach direkt nutzen. Denn dieser sogenannte Eigenverbrauch ist seit spätestens Anfang 2015 in der ganzen Schweiz möglich und stellt für viele Anlagenbesitzer eine attraktive Alternative zur Stromeinspeisung ins Netz dar. Denn bisher wurden ihm oft nur die Produktionskosten erstattet (rund 8 Rp/kWh) und er musste den Strom teuer zurückkaufen, inklusive Netzkosten. Pro Kilowattstunde bezahlte er 18 bis 22 Rp.

Neue Förderinstrumente unterstützen den Eigenverbrauch
Der Trend zum Eigenverbrauch wird verstärkt durch die neuen Regelungen bei der kostendeckenden Einspeisevergütung (KEV), die seit Anfang 2014 gelten. Bei Anlagen bis 10 kW wurde die KEV durch eine Einmalvergütung abgelöst; bei einer Anlagengrösse von 10 bis 30 kW kann der Betreiber zwischen KEV und Einmalvergütung wählen. Angesichts der nach wie vor langen Wartelisten bei der KEV und der vorgesehenen Absenkung der Vergütungen werden sich viele Bauherrschaften überlegen, auf eine Einmalvergütung mit Eigenverbrauch zu setzen. „Für ein KMU, das tagsüber viel Strom benötigt, ist unter den aktuellen Rahmenbedingungen die Kombination von Einmalvergütung und Eigenverbrauch attraktiv“, erklärt Thomas Jäggi von der EES Jäggi-Bigler AG. Anlagen von mehr als 30 kW können aktuell nicht von der Einmalvergütung profitieren, was aber im Rahmen der Energiestrategie geändert werden soll.

Intelligente Vernetzung der Haustechnik
Als Eigenverbrauch gilt, wenn die selbst produzierte Energie am Ort der Produktion zeitgleich verbraucht wird. Bei einem gängigen Verbrauchsmuster wird bei einer PV-Anlage im Privathaushalt eine Eigenverbrauchsrate von 10 bis 20% erreicht – in Gewerbe-, Industrie- und Bürogebäuden sind deutlich höhere Eigenverbrauchsanteile möglich. Wenn die Haushalte Geschirrspüler und Waschmaschinen während der Mittagszeit laufen lassen, kann der Eigenverbrauch um rund 10% gesteigert werden. Noch höhere Eigenverbrauchsraten sind möglich, wenn grössere Verbraucher wie Wärmepumpe oder Warmwasserboiler abhängig vom Stromangebot der PV-Anlage intelligent gesteuert werden. Eine solche Steuereinheit bietet beispielsweise die Firma EES Jäggi-Bigler AG an. Der so genannte IQ-Manager kann bis zu 100 Energieverbraucher mit Smart-Grid-Fähigkeiten steuern. „Die Nachfrage ist gross“, erklärt Thomas Jäggi. „Mit der Steuerung kann der Eigenverbrauch im besten Fall auf annähernd 80 % gesteigert werden.“ Und künftig könnte auch ein lokaler Energiespeicher eingebunden werden.

Lokale Speicher steigern Eigenverbrauch
Mit einer lokalen Speicherung überschüssiger Solarenergie lässt sich der Eigenverbrauch deutlich steigern, wie Andrea Vezzini, Leiter des neuen „Energy Storage Research Centers“ von BFH und CSEM bestätigt: „In Kombination mit einer Batterie kann über 70 % des PV-Stroms vom eigenen Dach vor Ort genutzt werden.“ Lithium-Ionen-Akkus sind heute sehr leistungsfähig und erbringen auch nach 20 Jahren noch 80 % ihrer ursprünglichen Leistung. Aber heute sind die Kosten für die Batterien noch zu hoch, um ein solches System wirtschaftlich zu betreiben. Dies sollte sich in naher Zukunft jedoch ändern. Die kürzlich erschienene Studie „Will solar, batteries and electric cars re-shape the electricity system?“ von UBS Global Research geht davon aus, dass sich die Preise für Batterien bis 2020 halbieren. Nicht ganz so optimistisch zeigt sich Andrea Vezzini: „Bis 2020 ist eine Preisreduktion von 25 bis 40 % realistisch.“

Ob dannzumal ein PV-System mit lokaler Batterie lukrativ ist, hängt aber auch vom Tarifmodell der Elektrizitätsversorger (EVU) ab. Basiert es wie bis anhin vornehmlich auf dem Strombezug, ist ein hoher Eigenverbrauch attraktiv – vor allem, wenn die Differenz zwischen Einspeisepreis und Netztarif hoch ist. Wenn die EVU auf einen leistungsbezogenen Grundtarif setzen, kann die Rechnung kippen.

Neue Rolle für Elektrizitätsversorger
Bereits haben viele EVU leistungsbezogene Grundtarife eingeführt, was bei Anlagen über 10 kW zulässig ist. Denn auch Eigenverbraucher sind auf das Stromnetz angewiesen. Und dessen Kosten werden heute vorwiegend über den Strompreis finanziert. Eine Umwälzung dieser Kosten auf die Anschlussleistung ist also verständlich. „Manche EVU schiessen aber über das Ziel hinaus“, sagt David Stickelberger von Swissolar. „Mit hohen Grundtarifen bauen sie bewusst Hürden für den Eigenverbrauch auf.“ Darüber hinaus würden sie für die Installation der Zähler und deren Betrieb vielerorts Preise erheben, die prohibitiv wirkten. „Bei Verbrauchergemeinschaften in einem Mehrfamilienhaus verlangen sie für die Abrechnung der einzelnen Haushalte teilweise aufwendige und teure Zählerinstallationen, die eine solche Lösung unnötig verteuern“, so Stickelberger. Zurzeit ist allerdings noch ein Rechtsstreit hängig, ob das Zählerwesen unter der aktuellen Gesetzesgrundlage bereits liberalisiert ist. Gut möglich, dass der Anlageneigentümer die Messungen schon bald selbst durchführen oder an Dritte vergeben kann und nicht mehr an das EVU gebunden ist.

„Die EVU sollten nicht unnötige Hürden für die neue Gruppe der Produzenten-Konsumenten aufbauen“, so Stickelberger. Vielmehr empfiehlt er den EVU, diese als Kunden für neue Dienstleistungen zu betrachten – wie zum Beispiel für die Bewirtschaftung der Speicher, für das Energiemanagement in Gebäuden oder für die Abrechnung von Eigenverbrauchergemeinschaften.

Auch Andrea Vezzini sieht die EVU in einer neuen Rolle. Denn ihr vorrangiges Geschäft, Elektrizität zu verkaufen, gerät unter Druck. „Die EVU müssen sich in Richtung System- und Netzdienstleister bewegen“, so Vezzini. Er sieht sie zum Beispiel als Contractor für Anlagen von Grossverbrauchern oder Energiespeichern. Oder sie könnten in Teilnetzspeichern Überschüsse aus PV-Anlagen speichern und wieder verkaufen. Damit liesse sich gleichzeitig das Netz entlastet.

Fördern statt verhindern – ein gutes Beispiel

Einen Test mit einem solchen Netzspeicher plant unter anderem die Genossenschaft Elektra Jegenstorf. Der Elektrizitätsversorger hat die Zeichen der Zeit längst erkannt und setzt auf die lokale Energieproduktion. „Wir unterstützen als EVU die Energiewende mit vielen Massnahmen“, erklärt Beat Nyffenegger, Leiter Marketing und Verkauf. „Unser Ziel ist, 30% des Stroms im eigenen Versorgungsgebiet zu produzieren und damit die regionale Wertschöpfung zu steigern.“ Die 5%- Marke Solarstrom-Anteil ist bereits geknackt. Die Genossenschaft Elektra realisiert als Generalunternehmen Solaranlagen im Kundenauftrag und für den eigenen Bedarf, hat eine Überbrückungsfinanzierung bis zur KEV eingeführt und berät die Kunden bei Fragen zur Energieeffizienz. Zudem hat der Versorger eine Aktion gestartet, um alte Elektroboiler durch Wärmepumpenboiler zu ersetzen. „Wir kaufen grössere Mengen der Geräte ein und bieten sie unseren Kunden zu einem sehr günstigen Preis inkl. Energieberatung an“, so Nyffenegger. „Von den 111 erstellten Elektra-Solaranlagen haben wir mit 20 Prosumern die notwendigen Messungen eingebaut, damit der Eigenverbrauch beim Kunden klar erhöht werden kann.“ Eigentlich säge man damit am eigenen Ast, meint auch Nyffenegger. Trotzdem sieht er die Produzenten als Partner bzw. Kunden, zum Beispiel für die Beratung zur intelligenten Steuerung des Eigenverbrauchs.

Schub für Eigenverbrauch

Die Entwicklung zur dezentralen Stromerzeugung ist nicht aufzuhalten. In Zukunft soll jeder Neubau in der Schweiz Strom produzieren – mit einer Leistung von mindestens 10 W pro m2 Energiebezugsfläche, maximal jedoch 30 kW. Dies fordern die neuen Mustervorschriften der Kantone im Energiebereich (MuKEn), die Anfang 2015 verabschiedet wurden. Auch die rasch wachsende Bedeutung der Elektromobilität wird dem Eigenverbrauch weiteren Schub verleihen, indem sie zusätzliche Speicherkapazitäten für Solarstrom bietet. Dies sagt die bereits genannte UBS-Studie voraus: Künftig werden Solarüberschüsse tagsüber in Batterien gespeichert und über Nacht ins Elektroauto gespeist. Bis 2020 soll sich ein solches System gemäss UBS bereits innerhalb von 6 bis 8 Jahren amortisieren.


13. Nationale Photovoltaik-Tagung 2015
Die Themen Eigenverbrauch, dezentrale Energiespeicher und damit verbundene Chancen für die Anlagenbesitzer, Solarunternehmen und Netzbetreiber sind Schwerpunkte an der 13. Nationalen Photovoltaik-Tagung vom 16. und 17. März 2015 im Congress Center Basel. Organisiert vom Bundesamt für Energie, Swissolar und dem Verband Schweizerischer Elektrizitätsunternehmen VSE, beleuchtet die Tagung die politische Entwicklung im Bereich der KEV und des Eigenverbrauchs, die künftige Preisentwicklung bei PV-Anlagen sowie die neusten Forschungs- und Technologieansätze.

Informationen und Anmeldung: www.swissolar.ch/pv2015


©Text: Irene Bättig, Wissenschaftsjournalistin, im Auftrag von Swissolar

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