Das Geld, das für den Rückbau der Atomkraftwerke und die Behandlung von Atommüll rückgestellt wird, reicht nicht. ©Bild: Greenpeace/ Jacob Balzani Lööv

Greenpeace: Verlangt eine Untersuchung der Bilanzen von AKW Gösgen und Leibstadt

(PM) Die Atomkraftwerke Gösgen und Leibstadt blasen mit einem fragwürdigen Vorgehen ihre Bilanzen auf, um den Atomstrom-Preis künstlich tief zu halten. Leidtragende sind künftige Steuerzahlende. Sie werden die finanziellen Löcher stopfen müssen, weil das Geld für die Stilllegung der AKW und die Entsorgung der radioaktiven Abfälle fehlt.


Das Urteil der Eidgenössischen Finanzkontrolle ist vernichtend: Das Geld, das für den Rückbau der Atomkraftwerke und die Behandlung von Atommüll rückgestellt wird, reicht nicht. In ihrem am Mittwoch veröffentlichten Bericht sprechen die Finanzkontrolleure Klartext: Das Bundesamt für Energie schaut seit Jahren weg und gibt dem mächtigen Einfluss der Atomkraftwerks-Betreiber nach. Damit bestätigen sie auch eine Kritik, die Greenpeace seit langem ausübt. Die Analyse der Finanzkontrolle deckt allerdings nur einen Teil der Problematik ab – sie beschränkt sich auf die Rolle des Bundes. Wie die AKW-Betreiber mit Finanzmitteln für Rückbau und Entsorgung in ihrer eigenen Bilanzen umgehen, wurde nicht untersucht.

Unterschiedliche Bilanzierung
Wie die «NZZ am Sonntag» am 30. November 2014 publik gemacht hat, bilanzieren verschiedene AKW-Betreiber die Mittel für Stilllegung und Entsorgung unterschiedlich. Greenpeace Schweiz und der Trinationale Atomschutzverband (TRAS) verlangen deshalb, dass diese Praktiken von einem Richter geprüft werden und haben bei der Bundesanwaltschaft Strafanzeige gegen die Revisionsgesellschaften Ernst & Young und KPMG erstattet. Die beiden Revisionsgesellschaften revidieren die Buchhaltungen der AKW Gösgen bzw. Leibstadt.

Das Ganze hat eine lange Vorgeschichte: Bereits im Dezember 2012 haben Greenpece und der TRAS eine ähnlich lautende Strafanzeige erstattet, damals direkt gegen die Betreibergesellschaften der AKW Gösgen und Leibstadt. Die zuständigen Staatsanwaltschaften der Kantone Solothurn (für Gösgen) und Aargau (für Leibstadt) haben die Verfahren im November 2013 eingestellt. Aus unserer Sicht ohne eine seriöse Behandlung der Vorwürfe. Zu unserem grossen Erstaunen haben die Staatsanwaltschaften sogar die beiden AKW-Betreibergesellschaften vom Obligationenrecht (OR) dispensiert. Trotz diesem rechtsstaatlich problematischem Vorgehen gab es für Greenpeace und TRAS aber keine rechtliche Möglichkeit, gegen die Verfahrenseinstellung zu rekurrieren oder die Strafanzeige weiterzuziehen.

Unzulässige Bilanzierung für Stilllegung und Atommüll-Entsorgung
In der Folge haben Greenpeace und der TRAS nun die beiden Revisionsgesellschaften angezeigt. Wir sind der Überzeugung, dass Ernst & Young und KPMG die ungesetzmässig geschönten Jahresrechnungen der beiden AKW-Betreiber als gesetzeskonform bescheinigt haben. Damit machen sie sich unserer Meinung nach der unzulässigen Bilanzierung von Mitteln für die AKW-Stilllegung und für die Entsorgung von Atommüll mitschuldig.

Direkte volkswirtschaftliche und politische Bedeutung
Da die AKW Gösgen und Leibstadt zum grössten Teil in staatlichem Besitz sind (die grössten Aktionäre sind die Kantone Zürich und Aargau über die Axpo sowie die Städte Zürich und Bern), geht die Tragweite dieses Verfahrens weit über eine rein buchhalterische Angelegenheit hinaus: Die mutmassliche Falschbilanzierung hat eine direkte, wesentliche volkswirtschaftliche und politische Bedeutung. Greenpeace und TRAS verfolgen mit der Anzeige das hehre Ziel, dass Stilllegungs- und Entsorgungskosten korrekt bilanziert werden, um so der Kostenwahrheit von Atomstrom einen wesentlichen Schritt näher zu kommen. Es darf nicht sein, dass der Atomstrom-Preis durch buchhalterische Tricks künstlich tiefgehalten wird. Was die AKW-Betreiber heute nicht zahlen, werden irgendwann die Steuerzahler übernehmen müssen. Zukünftige Generationen sollen nicht die durch Winkelzüge entstehenden finanziellen Altlasten tragen müssen.

Atomstrom ist jetzt nur billig, weil die Kosten nicht gedeckt sind
In der aktuellen Diskussion um die Energiewende und die Förderung von erneuerbaren Energien wird oft vergessen, dass Atomstrom nur deshalb so billig verkauft werden kann, weil riesige Kosten nicht berücksichtigt werden. Mit der Strafanzeige gegen KPMG und Ernst & Young wollen wir Klarheit schaffen und einen Beitrag dazu leisten, den unzulässigen Wettbewerbsvorteil der Atomkraft zu beseitigen und so dem Ausbau der erneuerbaren Energien einen fairen und realistischen wirtschaftlichen Rahmen zu geben.

Weitere Informationen im Factsheet >>

Text: Florian Kasser, Greenpeace Schweiz

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