Greenpeace Energy schreibt den Mitgliedern der EU-Kommission, sie sollen die geplanten staatlichen Beihilfen für das britische Atomkraftwerk Hinkley Point C nicht genehmigen.

Greenpeace Energy: Keine Staatsbeihilfen für den Reaktorneubau Hinkley Point C

(PM) In einem offenen Brief appelliert Greenpeace Energy an die Mitglieder der EU-Kommission, die geplanten staatlichen Beihilfen für das britische Atomkraftwerk Hinkley Point C nicht zu genehmigen (siehe ee-news vom 9.10.2014 >>). Den Brief im Wortlaut gibt es hier.


Sehr geehrtes Kommissionsmitglied,
am kommenden Mittwoch sollen Sie als Mitglied der Europäischen Kommission über eine Genehmigung geplanter staatlicher Beihilfen für das britische Atomkraftwerk Hinkley Point C entscheiden. Wir möchten mit diesem Schreiben eindringlich an Sie appellieren, diese unrechtmässigen, wettbewerbsverzerrenden und energiepolitisch skandalösen Staatsbeihilfen nicht zu unterstützen und keine übereilte Entscheidung in dieser Sache zu treffen. Denn würde der hochsubventionierte Reaktor-Neubau in Grossbritannien tatsächlich umgesetzt werden, so würde die Atomenergie in Europa auf Jahrzehnte einen privilegierten Status erhalten, der einen freien und fairen Stromhandel auf dem europäischen Energie-Binnenmarkt beschädigen und die erneuerbaren Energien schwächen würde.

Wie Sie wissen, will die britische Regierung für eine Laufzeit von 35 Jahren jeder Kilowattstunde Atomstrom eine Einspeise-Vergütung von umgerechnet 10.6 Cent garantieren – inklusive Inflationsausgleich und weiterer staatlicher Garantien. Damit liegt der Preis für gefährlichen britischen Atomstrom deutlich über dem, was saubere Windkraft- oder Photovoltaik-Anlagen in Deutschland als Vergütung erhalten. Aus unserer Sicht leistet die Atomindustrie am Fall Hinkley Point damit einen Offenbarungseid: ohne massive staatliche Subventionen sind die Betreiber offenbar nicht in der Lage, in Zukunft wirtschaftlich tragfähig Strom zu erzeugen. Soll so Europas Energie-Zukunft aussehen?

Auch Greenpeace Energy als unabhängiger Ökostrom-Versorger in Deutschland, der sich seit 15 Jahren für das Vorankommen der Energiewende einsetzt, wäre von dieser offensichtlichen Wettbewerbsverzerrung ganz konkret betroffen. Deshalb werden wir uns als Unternehmen gegen eine entsprechende Entscheidung wehren. Denn wir befürchten, dass die geplante Einspeise-Vergütung die Erlöse unserer erneuerbaren Kraftwerke an den Strommärkten erheblich verringert.

Ein weiterer Nachteil würde Ökostrom-Anbietern wie Greenpeace Energy dadurch entstehen, dass billiger Atomstrom aus Hinkley Point das Preisniveau für Strom auf einem europäischen Energiemarkt durch den so genannten Merit Order-Effekt drücken würde, während die Beschaffungskosten für erneuerbaren Strom gleich bleiben. Hinzu käme, dass eine Genehmigung der britischen Beihilfen auch eine Signalwirkung auf Atom-Projekte in anderen EU-Ländern haben könnte. Dieser Präzedenzfall könnte andere Mitgliedstaaten dazu ermutigen oder gar berechtigen, ebenfalls derart überzogene Beihilfen für eine überteuerte Risikotechnologie zu gewähren.Wir fordern die scheidende Kommission deshalb noch einmal auf, sich an geltendes EU-Recht und die eigenen marktwirtschaftlichen Vorgaben zu halten und eine staatliche Bevorzugung einzelner Wettbewerbsteilnehmer zu verhindern. Wir als Unternehmen haben unsere Rechtsberater bereits damit beauftragt, mögliche juristische Mittel gegen eine Genehmigung der britischen Beihilfen für Hinkley Point C zu prüfen. Sollte die Kommission die Subventionen erlauben, behalten wir uns weitere Schritte in dieser Richtung vor.

Wir möchten Sie mit diesem Schreiben ausserdem an Ihre Verantwortung für die Bürgerinnen und Bürger der EU erinnern: Behalten Sie die Risiken der höchst gefährlichen Atomenergie bei Ihrer Entscheidung im Blick! Eine Zustimmung zu den geplanten britischen Atom-Beihilfen wäre nicht nur ein grosser Makel in der Bilanz dieser scheidenden Kommission, sondern würde sie auch in einen höchst negativen historischen Kontext stellen: Ausgerechnet in dieser Woche jährt sich der Zwischenfall in der Atomanlage Sellafield/Windscale in Grossbritannien. Der Reaktorbrand Anfang Oktober 1957, bei dem Radioaktivität in erheblichem Masse freigesetzt wurde, gilt als einer der schwersten Zwischenfälle in der Geschichte der Atomenergie und sollte allen politisch Handelnden deutliche Mahnung sein.

Wir fordern Sie auf, der Genehmigung für die geplanten britischen Atom-Beihilfen nicht zuzustimmen. Eine Entscheidung in dieser Sache darf nicht überhastet gefällt werden, die die zahlreichen Einsprüche gegen die Subventionen müssen gewissenhaft geprüft werden. Bitte setzen Sie sich deshalb dafür ein, den Fall an Ihre Kommissions-Nachfolger zur weiteren Bearbeitung zu übergeben. Lassen Sie nicht zu, dass hier eine falsche und gefährliche Weichenstellung erfolgt, die den Ausstieg aus der gefährlichen und teuren Atomenergie ebenso um Jahrzehnte zurückwerfen würde wie den Ausbau der erneuerbaren Energien in Europa.

Offener Brief (original) >>

Text: Greenpeace Energy

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