Teilgenerators der Photovoltaik-Anlage von 1,1 kWp (Baujahr 1993) der BFH-TI an der Fassade der hochalpinen Forschungsstation Jungfraujoch auf 3454m. Bild: hitech – Das Magazin der Berner Fachhochschule.

Solarstrom-Urgestein Prof. Dr. Heinrich Häberlin. «Der Jahresertrag unserer Anlage auf dem Jungfraujoch ist 45 – 75 % höher als der mittlere Jahres-Energieertrag von Flachland-Anlagen» ©Bild: T. Rütti

35 Fachleute nahmen am Workshop teil. Im Bildvordergrund: Referentin PD und Buchautorin Dr. Eva Schüpbach. Die Workshop-Teilnehmer profitierten von ihrem Fundus. ©Bild: T. Rütti

Prof. Muntwyler, Leiter des Workshops «Hochalpine PV-Anlagen zur Energiewende – 20 Jahre Photovoltaik-Anlagen Jungfraujoch», bot einen Einblick in «sein» PV-Labor. ©Bild: T. Rütti

Thomas Schott von der Berner Fachhochschule erörterte die Anlagen anlässlich des Workshops sowie hochalpin. Derzeit arbeitet er intensiv auf dem Jungfraujoch. ©Bild: T. Rütti

Prof. Dr. Erwin Flückiger, Präsident des Stiftungsrats, Internationale Stiftung Hochalpine Forschungsstationen Jungfraujoch und Gornergrat HFSJG. ©Bild: T. Rütti

Jungfraujoch: Solarstromproduktion Sommer und Winter fast gleich hoch

(©TR) Seit über 20 Jahren forscht die Berner Fachhochschule in Burgdorf an der hochalpinen Photovoltaikanlage auf dem Jungraujoch. Das Potenzial von hochalpinen Photovolatikanlagen zur Solarstrom-Produktion mit erhöhtem Winteranteil war denn auch das Thema eines Workshops vom 3. Oktober an der Berner Fachhochschule Burgdorf.


So interessant die Fachbeiträge in Burgdorf auch waren, der Höhepunkt der zweitägigen Veranstaltung war die Exkursion aufs Jungfraujoch . Vor Ort konnte die über 20-jährige sowie die neue Photovoltaikanlage besichtigt werden. Gewusst, dass die hochalpine Photovoltaikanlage auf dem Jungraujoch im Winter fast so viel Solarstrom wie im Sommer produziert? Die 2014 vom Photovoltaik-Labor der Berner Fachhochschule installierte neue Anlage mit Hochleistungssolarzellen und einem hocheffizienten Solarwechselrichter in Stichworten:

  • Modul Sunpower X21-345
  • Leistung: 8 x 354 Wp = 2832 Wp (nominal)
  • Wechselrichter Sputnik Solarmax 3000P

Sie ergänzt die bestehende Anlage aus dem Jahre 1992:

  • Modul Siemens M75
  • Leistung: 24 x 48 Wp = 1152 Wp (nominal)
  • Wechselrichter ASP TOP Class 1800 GRID

Thomas Schott von der Berner Fachhochschule in Burgdorf erörterte den Tagungsteilnehmern die Anlagen zusammen mit Prof. Urs Muntwyler und Prof. Dr. Heinrich Häberlin. Die Forschungsstation Jungfraujoch (3454 müM) verfügte, als sie errichtet wurde, über die höchstgelegene PV-Anlage der Welt.

2005: Ein Spitzenwert von 1537 kWh/kWp
Der Jahresertrag der Anlage Jungfraujoch ist 45 bis 75 Prozent höher als der mittlere Jahres-Energieertrag von PV-Anlagen im Flachland von etwa 880 kWH/kWp. Und der Winter-Energieanteil variiert zwischen 45 und 50 Prozent! 1996 wurde die Jungfraujoch-Anlage technisch aufgerüstet (neuer Wechselrichter, Entfernung der Strangdiode), was eine Ertragssteigerung von ca. 3 Prozent zur Folge hatte. 2005 war das Jahr der höchsten Energieproduktion innert 20 Jahren: 1537 kWh/kWp. Klar, dass es wegen der von Jahr zu Jahr unterschiedlichen Einstrahlung, variierenden Modultemperaturen und Schneebedeckung zu Unterschieden der Performance Ratio kommt.

Im Dezember bis zu 9 x mehr Ertrag
Dass der Energieertrag zwischen November und Februar jeweils geringer als in den übrigen Monaten ist, versteht sich von selbst, doch im Dezember kann der hochalpin produzierter Strom um sage und schreibe Faktor 9 grösser sein als im Flachland. Zu verdanken ist dies bei hochalpinen Fassadenanlagen nicht zuletzt dem steilen extrem steilen Anstellwinkel. Prof. Häberlin fasste zusammen: «Für hochalpine netzgekoppelte PV-Anlagen eignen sich sonnenexponierte Fassaden von Gebäuden mit Netzanschluss besonders gut. Wenn die Unterkante des PV-Generators genügend hoch über dem Erdboden oder den Dächern montiert wird – höher als die zu erwartende Schneehöhe –, sind die Verluste infolge Schnee- und Reifbedeckung gering. Die von hochalpinen Anlagen produzierte Energie passt zudem viel besser ins Lastprofil unserer Stromversorgung als jene von Mittelland-Anlagen.

Statt Bandenergie aus AKW und fossilen Kraftwerken…

Dank der meist vor direkten Blitzeinschlägen geschützten Lage in der Fassade lassen sich die in den Alpen häufigen atmosphärischen Überspannungen mit geeigneten Schutzmassnahmen gut beherrschen. Es wäre und ist deshalb sinnvoll, derartige Anlagen an allen Gebäuden der touristischen Infrastruktur im Gebirge zu realisieren, sofern die Netzverhältnisse einen Wechselrichteranschluss zulassen. Mittel- und langfristig empfiehlt es sich, auch entsprechende Freifeldanlagen zu installieren.

Überschussenergie zwischenspeichern, um Lücken zu füllen
Für Prof. Häberlin und Prof. Muntwyler wäre die Schweiz mit ihren vielen Speicher- und Pumpspeicherwerken für eine langfristige Umstellung der Stromproduktion auf erneuerbare Energien bestens vorbereitet: Statt Bandenergie aus Atomkraftwerken und fossilen Kraftwerken in Spitzenenergie umzuwandeln, könnten solche Werke von alpinen PV-Anlagen und –Kraftwerken und von Windkraftwerken produzierte Überschussenergie zwischenspeichern, um – zusammen mit den übrigen Wasserkraftwerken – Lücken zu füllen. Alpine PV-Anlagen haben – im Gegensatz zu PV-Anlagen im Mittelland – den Vorteil, dass im Wesentlichen keine saisonalen, sondern nur eine tage- bis wochenweise Speicherung erforderlich ist. Das vorhandene Speichervolumen kann so viel besser ausgenützt werden. Ein solches Szenario wäre langfristig technisch machbar und der Flächenbedarf würde dabei kein Problem darstellen.

Umweltfreundliche PV-Anlagen
ersetzen Dieselgeneratoren
Nicht bloss auf Jungfraujoch, Birg oder Mt. Soleil: Längstens gibt es wirtschaftliche und ökologische sowie sozial sinnvolle Anwendungen, bei denen Photovoltaikanlagen die zweckmässigste Lösung zur Stromversorgung bilden: Wo früher nichts dergleichen existierte oder – noch schlimmer – laut ratternde und umweltschädliche Dieselgeneratoren Strom produzierten, versorgen heute stumm arbeitende und umweltfreundliche «Inselanlagen» der Photovoltaik die Stromkonsumenten. Benötigt wird die Elektrizität etwa für den Betrieb von Anlagen der Telekommunikation, Navigation, Wetter- und Umweltbeobachtungen (Lawinenvorhersage!) oder für den Aufenthalt in Ferienhäusern oder Alphütten. Und in Entwicklungsländern können sie sogar die Energie für den Antrieb von Wasserpumpen von Trockengebieten, für die Stromversorgung von kleinen Spitälern oder für die Grundstromversorgung von Haushalten in abgelegenen ländlichen Gebieten bereitstellen. Nachzulesen ist dies im über 700 Seiten starken Werk «Photovoltaik – Strom aus Sonnenlicht für Verbundnetz und Inselanlagen» (Electrosuisse Verlag) von Prof. Dr. Heinrich Häberlin.

Riesiges Marktpotenzial für Solaranlagen

«Dank der in Entwicklungsländern meist hohen täglichen Einstrahlung, die viel geringeren jahreszeitlichen Schwankungen unterliegt als in gemässigten Zone, sind auch die Gestehungskosten für photovoltaisch erzeugten Strom wesentlich geringer als beispielsweise in Mitteleuropa.» In Entwicklungsländern seien lediglich die noch immer relativ hohen Investitionskosten ein Problem, das sich aber mittels Hilfsprojekten lösen liesse. Auch dies ist ein interessanter Ansatz: Da die Anzahl der an solchen Stromversorgungen potenziell interessierten Haushalte weltweit einige Hundert Millionen beträgt, stellen solche Anlagen ein riesiges Marktpotenzial dar.

Ein Hauptaugenmerk lag stets auf der 1:1-Überprüfung
Etwas differenzierte Herausforderungen als in südlichen Gefilden stellen sich bei uns: «…wegen der tageszeitlichen und wetterbedingten Variation der Leistung und der deshalb an schönen Tagen um die Mittagszeit auftretenden Leistungsspitze, ist die Menge der problemlos ins Netz einspeisbaren Energie aus Photovoltaikanlagen aus physikalischen Gründen beschränkt», so Prof. Häberlin rückblickend auf seine Erkenntnisse aus jahrzehntelanger Forschung. Ein Hauptaugenmerk schenkte er immer schon der 1:1-Überprüfung: Lassen sich die von ihm und vom Muntwyler-Team der BFH-Photovoltaik-Forschung berechneten Energieerträge auch tatsächlich in der Praxis erreichen?

Ununterbrochen vorgenommene Messungen seit 1992

Verlässliche Antworten liefern vorab das Langzeitverhalten von ganzen PV-Anlagen; die ersten Langzeitmessungen wurden in Burgdorf 1991vorgenommen. Simulationen zeigten den PV-Wissenschaftern, dass im Hochgebirge der Energieertrag vergleichbar mit jenem von Anlagen in Südeuropa ist. Zur Bestätigung in der Praxis wurde 1992 auch an einer 4.1-kWp-Anlage in Birg (2670 müM, Schilthorngebiet) eine Messtechnik installiert. Die Integration weiterer Anlagen war nur folgerichtig. Bemerkenswert: Die Messprojekte wurden seit 1992 ohne irgendwelche Messlücken ununterbrochen durchgeführt. Die Messdaten sind nach wie vor und weltweit sehr begehrt bei den verschiedensten Forschungsdisziplinen. Zur Auswertung der Langzeit-Messdaten wurde bereits Anfang der 90-er Jahre am EU-Forschungszentrum JRC in Ispra/Italien eine neue Methode zur normierte Darstellung des Energieertrags entwickelt.

Hochalpine Exkursion zur alten und neuen PV-Anlage

Im Zuge dieser Langzeit-Messprojekte wurden am PV-Labor in Burgdorf laufend Optimierungen vorgenommen. Prof. Muntwyler, Leiter des Workshops «Hochalpine PV-Anlagen zur Energiewende – 20 Jahre Photovoltaik-Anlagen Jungfraujoch», bot den Teilnehmenden während der Pause einen Einblick in «sein» PV-Labor. Der Rundgang wurde als willkommene Ergänzung zu den nicht weniger als 15 Fachreferaten rund um den Themenkomplex Solarenergie,  Energieeffizienz und Klimaproblematik empfunden.

©Text: T. Rütti, Redakor ee-news.ch

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