Dominik Refardt von der ZHAW bei der Arbeit am Algenbioreaktor. Foto: ZHAW

Der Algenbioreaktor sowie die Anlage zur Methanierung der Algen konnten auf dem Campus Grüenthal in Wädenswil besichtigt werden – von Presse und ZHAW-Besuchern. ©Bild: T. Rütti

Christian Ludwig: «Die technische Machbarkeit der hydrothermalen Methanierung von Mikroalgen wurde unter Beweis gestellt: Über 100 Stunden konnte energiereiches Gas produziert werden.» ©Bild: T. Rütti

Frédéric Vogel: «Die Nährstoffe, die wir zum Algenwachstum verwenden, werden weitgehend zurückgewonnen, so dass sich die Abfallmengen minimieren lassen.» ©Bild: T. Rütti

PSI und ZHAW: Meilenstein in der Energieproduktion aus Mikroalgen

(©TR) Das Paul Scherrer Institut PSI und die Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften ZHAW entwickelten im Rahmen des Forschungsprojekts SunCHem ein Verfahren der Energiegewinnung aus Mikroalgen zwecks Methanherstellung. Noch ist man aber ziemlich entfernt von einer industriell betriebenen Energiegewinnung aus wässriger Biomasse wie etwa Algen.


Der am Paul Scherrer Institut PSI (Villigen AG) entwickelte Prozess der hydrothermalen Methanierung von wässriger Biomasse hat «einen wichtigen Meilenstein erreicht», wie es am 24. September 2014 im Campus Grüental der ZHAW in Wädenswil ZH hiess. Aufgrund der Zusammenarbeit im neuen Kompetenzzentrum des Bundes für Bioenergie Biosweet konnte nun die technische Machbarkeit der Methanherstellung aus Mikroalgen nachgewiesen werden: «Mikroalgen aus dem ZHAW-Bioreaktor wurden in die PSI-Anlage zur hydrothermalen Methanierung eingespeist. Während über 100 Stunden konnte ununterbrochen energiereiches Gas produziert werden. Damit haben wird die technisch-ökonomische Machbarkeit der kontinuierlichen hydrothermalen Methanierung von Mikroalgen unter Beweis gestellt», so SunCHem-Projektleiter Christian Ludwig. Zwecks Entwicklung eines Verfahrens zur energetischen Nutzung von Algen ist es 2010 unter der Bezeichnung SunCHem zur Forschungszusammenarbeit von PSI, ZHAW, ETH Lausanne, Empa und Hochschule für Technik Rapperswil gekommen.

Brachliegendes Potenzial
an Biomasse
Grosse Teile der energetisch nutzbaren Biomasse liegen in wässriger Form vor. Diese Biomasse liegt brach, weil bisher ein effizientes Verfahren für deren Umwandlung in Brenn- oder Treibstoffe fehlte. Forschende schätzen das Potenzial an nasser Biomasse in der Schweiz auf 34.8 Petajoule pro Jahr. Tatsächlich verwertet werden jährlich aber nur 10.9 Petajoule. «Neben der schon heute vorhandenen nassen Biomasse liegt auch in Algen ein grosses Potenzial: Algen wachsen schnell und lassen sich sowohl zu Energieträgern als auch zu Feinchemikalien verarbeiten. Der Forschungsbedarf zur Verwertung von Algen ist allerdings noch hoch», so Professor Ludwig.

Der Prozess besteht aus folgenden Schritten:

  • Pumpen des Biomassebreis bei 300 bar
  • Erhitzen unter Druck auf ca. 400 °C
  • Abtrennung der Nährsalze im Salzabscheider bei ca. 450 °C
  • Methanierung im katalytischen Reaktor bei 400-450 °C
  • Kühlen und Trennen von Wasser und Gas, anschliessendes Entspannen
  • Abtrennen des CO2 (in der Testanlage nicht realisiert).

Die Vorteile der hydrothermalen Methanierung:

  • Höherer Wirkungsgrad
  • Keine Trocknung nötig (Wasser dient als Reaktionsmedium)
  • Produkte sind reines Wasser und Methan
  • Effiziente energetische Nutzung bestehender und neuer Biomasse-Sorten
  • Effizientes Nährstoffrecycling
  • Hormone und bioaktive Moleküle können zerstört werden.

Biomasse braucht nicht getrocknet zu werden
Das SunCHem-Verfahren basiert auf der sogenannten hydrothermalen Methanierung, die am PSI in der Forschungsgruppe von Professor Frédéric Vogel über die letzten 10 Jahre entwickelt wurde. «Zum SunCHem-Prozess gehört auch die Schliessung der Stoffkreisläufe: Nährstoffe, die zum Algenwachstum verwendet werden, gewinnt man weitgehend zurück, so dass sich die Abfallmengen minimieren lassen. Die hydrothermale Methanierung unterscheidet sich von anderen herkömmlichen Verfahren dadurch, dass man das Wasser als Reaktionsmedium verwendet, statt die Biomasse zu trocknen», so Professor Vogel. Laut dem Leiter der Gruppe Katalytische Verfahrenstechnik (PSI) erspart man sich so den für die Biomassen-Trocknung erforderlichen Energieaufwand. Die Effizienz des Verfahrens steigt damit.

60 - 75% der Energie umwandeln
«Der Schlüssel liegt darin, die Biomasse unter hohen Temperaturen und Drücken aufzubereiten, sodass das darin enthaltene Wasser in den sogenannten ‹überkritischen› Zustand übergeht. In diesem Zustand ist Wasser nämlich weder flüssig noch gasförmig, es vereint vielmehr Eigenschaften beider Aggregatszustände», so Professor Vogel. Dies mache das Verfahren der hydrothermalen Methanierung viel effizienter als die biotechnologischen Alternativen. Bei der hydrothermalen Methanierung könnten 60 bis 75 Prozent der in den Ausgangsstoffen enthaltenen Energie in nutzbare Energie umgewandelt werden.

Geschlossener Nährstoff-Kreislauf

Wasser im «überkritischen» Zustand bringt einen weiteren Vorteil mit sich: Die im Rohstoff enthaltenen Salze lassen sich leichter abtrennen. Anders als im alltäglichen «unterkritischen» Wasser sind Salze im «überkritischen» Wasser nicht löslich. «Dieser Aspekt ist entscheidend, erlaubt er doch eine Nährstoff-neutrale Bioenergieproduktion aus Algen. Oder aber die Rückgewinnung von wertvollen Nährstoffen beispielsweise aus Gülle oder Klärschlamm», so Professor Ludwig. Laut dem Leiter der Gruppe Chemische Prozesse und Materialien (PSI) ist dieser Verfahrensschritt auch notwendig, um den Katalysator zu schonen, welcher für die Produktion von Methan verwendet wird. Durch die Abscheidung der Salze werden viele Substanzen wie etwa Schwefel aus dem Kreislauf genommen; solche Substanzen können die Funktion eines Katalysators beeinträchtigen.

Optimierung von Salzabscheider und Katalysator
Der erzielte Durchbruch wird als Resultat einer langjährigen Arbeit erachtet. Zu verdanken sei dies nicht zuletzt der ZHAW mit ihrem Bioreaktor und Verfahren zur Algenzüchtung. Weiterentwickelt wurde es unter der Leitung von Dr. Dominik Refardt. Entscheidend waren wohl die in den letzten Monaten erarbeiteten Lösungen für eine längere Haltbarkeit des verwendeten Katalysators. «Wir haben den Salzabscheider so optimiert, dass sich Katalysatorgifte wie Schwefel und Teerstoffe besser zurückhalten lassen. Ausserdem haben wir ein komplett neues Katalysatordesign benutzt und so den Kontakt des Katalysators mit dem Algenmaterial verlängert. Das zahlt sich in einer höheren Methanausbeute aus. Um den Katalysator besser vor ‹Vergiftungen› zu schützen, haben wir eine spezielle Beschichtung verwendet, die den Schwefel zurückhält», so der ZHAW-Forscher.


«Freude am Fortschritt, aber noch keine voreiligen Versprechungen
»
Professor Ludwig ergänzt: «Im Hinblick auf die Zukunft werden jetzt ausführliche Tests folgen, um die Betriebsparameter der Anlage zu optimieren. Was leider auch noch fehlt, sind Investoren, die bereit sind, Geld in eine industriell betriebene Energiegewinnung aus Mikroalgen zu stecken.» Welche Dimension die Methanherstellung dereinst erreichen wird, lässt sich heute noch nicht sagen. Die Antwort auf diese Frage bildete aber auch nicht die vorrangige Message der Medienorientierung auf dem ZHAW-Campus Grüental in Wädenswil. Vielmehr wollten die Wissenschafter die Journalisten über einen erzielten Forschungserfolg orientieren, der die Energieszene in der Schweiz und im Ausland bezüglich der Umweltverträglichkeit ein schönes Stück voranbringen könnte. Und sie wollten der Öffentlichkeit kundtun, dass in Biomasse viel Energie vorhanden ist. Sie ist erneuerbar und könnte praktisch überall auf der Welt gewonnen werden. Für viele Länder wäre die Nutzung der in Biomasse gespeicherten Energie ein wichtiger Schritt in Richtung energetische Unabhängigkeit. Denn: Eine hydrothermale Methanierung von Algen ist keine Utopie, sondern grundsätzlich möglich! Dazu resümiert Dr. Refardt: «Bei der Orientierung der Öffentlichkeit wollten wir Folgendes vermitteln: Die Freude am Fortschritt, aber noch keine voreiligen Versprechungen.»

©Text: Toni Rütti, Redaktor ee-news.ch

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