Der sechste Reaktor des Landes soll im nordwestfinnischen Pyhäjoki realisiert werden – vier sind ja bereits im Betrieb, einer im Bau. Und es wird ein russisches Atomkraftwerk sein.

Finnland: Noch ein AKW, das machen die Grünen nicht mehr mit

(©TR) Am 18. September 2014 hat die finnische Regierung ihren bejahenden Grundsatzentscheid zu einem Gesuch des Unternehmens Fennovoima Oy bekannt gegeben. Dieses plant am Standort Pyhäjoki am bottnischen Meerbusen den Bau eines Atomkraftwerks modernster russischer Bauart. Das Projekt mit dem Namen Hanhikivi-1 war im Grundsatz schon 2010 genehmigt worden. Die Grünen lassen sich die Fortschreibung des AKW-Baubooms nicht mehr gefallen.

«Das nun genehmigte Zusatzgesuch berücksichtigt Änderungen gegenüber dem ursprünglichen Grundsatzentscheid. Jetzt muss das Parlament darüber befinden. Bei einem positiven Parlamentsentscheid muss die Fennovoima den Antrag auf eine Baugenehmigung für Hanhikivi-1 bis spätestens Ende Juni 2015 einreichen», schreibt Beat Bechtold, Geschäftsführer Nuklearforum Schweiz; das Nuklearforum Schweiz ist ein «Verein zur Förderung der sachgerechten Information über die zivile Nutzung der Kernenergie». Die Regierung hätte sich ebenfalls über das Gesuch der Teollisuuden Voima Oyj (TVO) zur Verlängerung der Einreichungsfrist für das Baubewilligungsgesuch zur geplanten vierten Atomkraftwerkseinheit am bestehenden Standort Olkiluoto aussprechen sollen. Dieser Entscheid sei nun vertagt worden. In Olkiluoto sind gegenwärtig zwei Kernkraftwerke in Betrieb und eines im Bau.

1200-Megawatt-Kraftwerk muss noch vom Parlament abgesegnet werden

Finnland will also einen neuen Atomreaktor im Norden des Landes bauen lassen. Die Regierung will dabei die (erneute) Bewerbung des finnisch-russischen Konzerns Fennovoima annehmen. Das Vorgehen der finnische Regierung veranlasste die Grünen zum Austritt aus der Koalition, berichtete auch der Nordeuropa-Korrespondent Bruno Kaufmann in der SRF-Sendung «Echo der Zeit»: «Die Bewilligung für das 1200-Megawatt-Kraftwerk muss aber noch vom Parlament abgesegnet werden. Es ist jedoch wahrscheinlich, dass das Vorhaben durchkommt, denn die meisten Parlamentarier der vier grössten Parteien des Landes werden das Projekt wohl unterstützen.» Die Regierung hätte auch über eine verlängerte Bewilligung für das Kraftwerk Olkiluoto des Konzerns Leollisuuden Voima befinden sollen. Doch diese Entscheidung wurde nach einem Antrag des zweitgrössten Koalitionspartners, der Sozialdemokraten, vertagt.


K
nackpunkt Russland
Das Fennovoima-Atomkraftwerk, das dem russischen Unternehmen Rosatom und rund 40 finnischen Unternehmen gehört, soll 2024 in Betrieb genommen werden. Die Regierung verlangt, dass Fennovoima seinen finnischen Besitzeranteil bis nächsten Sommer von 52 auf mindestens 60 Prozent erhöht. Die russische Beteiligung habe zu grossen Debatten geführt, so SRF-Nordeuropa-Korrespondent Bruno Kaufmann. Wörtlich: «Gleichzeitig steht Finnland wirtschaftlich stark unter Druck. Daher möchte das Land seine Beziehung zu Russland nicht weiter belasten. Das Kernkraftwerk mit russischer Beteiligung soll also zumindest einen Teil der finnisch-russischen Handelsbeziehungen retten.» Das AKW-Projekt soll zwischen vier und sechs Milliarden Euro kosten. Bisher hätten sich mehrere Investoren zurückgezogen. Die Suche nach neuen Investoren sei durch die Krise in der Ukraine erschwert worden.

«Grüne verlassen aus Protest die Regierung»
«Atomkraft in Finnland: Russland baut ein neues AKW. Kabinett beschliesst Errichtung des sechsten Reaktors. Grüne verlassen aus Protest die Regierung. Zwei Drittel der Bevölkerung gegen Deal mit Moskau.» Unter dieser Headline nahm sich auch taz.de in einem Bericht aus Stockholm der vertrackten Problematik an. «Nicht nur der Bauauftrag soll an eine Tochter der russischen ‹Rosatom› gehen. Dieser staatliche Atomkonzern wird auch Betreiber und grösster einzelner Anteilseigner sein. Die seit Monaten kontrovers diskutierte Entscheidung veranlasste ‹Vihreät›, Finnlands Grüne, die Regierungskoalition zu verlassen…», heisst es auf der Plattform weiter. Das finnische Baukonsortium sei gewissermassen gezwungen gewesen, für die Betreiberrolle ein neues Energieunternehmen zu finden. Doch kein europäischer Stromkonzern habe eine Möglichkeit gesehen, wie sich die erforderlichen Investitionen in Milliardenhöhe rechnen würden – ausser ‹Rosatom›. Laut taz.de kritisieren nun weite Teile der Anti-Atombewegung das Pyhäjoki-Projekt über ihre grundsätzliche Ablehnung atomarer Energieproduktion hinaus; wegen der Rolle des russischen Staatskonzerns. Ein Argument für einen neuen Reaktor sei seinerzeit gewesen, Finnlands Energieversorgung müsse weniger russlandabhängig werden. Nun werde die Abhängigkeit sogar noch grösser!

Reaktorbau widerspricht den Grundsätzen der Umweltpartei
«Die Welt» schlägt in etwa in die gleiche Kerbe: «Russisches AKW-Projekt löst Eklat in Finnland aus», so der Titel des ihres Berichts. Demnach soll der Parteichef der Grünen gesagt haben, die erneute Entscheidung der Regierung für den Reaktorbau widerspreche den Grundsätzen der Umweltpartei; Ville Niinistro war bislang auch Umweltminister des Landes. Hintergrund des Debakels sei die Verlängerung der Lizenz für das finnisch-russische Konsortium Fennovoima, das den Reaktor in Pyhajoki bauen wolle. Eine Genehmigung dazu sei 2010 erteilt worden; sie wäre ohne die jetzige Erneuerung nächstes Jahr ausgelaufen. «Im Baukonsortium hatten sich finnische Industriebetriebe mit dem russischen AKW-Bauer Rosatom zusammengetan. Rosatom hatten den Rückzug des deutschen E.on-Konzerns aus Finnland genutzt und sich mit 34 Prozent an Fennovoima beteiligt», zitieren wir «Die Welt». Sie erinnert daran, dass die Grünen seit 2011 der Regierungskoalition in Helsinki angehörten. Ohne sie hätte Ministerpräsident Alexander Stubb «nur noch eine hauchdünne Mehrheit von einer Stimme im Parlament».

Zum Echo-der-Zeit-Beitrag >>

©Text: Toni Rütti, Redaktor ee-news.ch

0 Kommentare

Kommentar hinzufügen

Top

Gelesen
|
Kommentiert