Gebäude bieten einen wirksamen Hebel zur Umsetzung einer nachhaltigen Energiepolitik. Auf die rund 1.5 Millionen Wohn- und Bürobauten in der Schweiz entfällt rund die Hälfte des Primärenergiebedarfs. Gross ist das Modernisierungspotenzial. Die Eidgenössische Energieforschungskommission (CORE) strebt bis 2050 eine Halbierung des Energieverbrauchs in Gebäuden an. Die Bereitstellung von Heizwärme und Warmwasser durch fossile Brennstoffe soll dabei ganz unterbunden werden.
Solch ambitionierte Ziele sind eine Herausforderung für die Forschung. Diese stösst grundsätzlich auf günstige Voraussetzungen, denn die Veränderungsbereitschaft ist gerade in diesem Bereich gross: „Hauseigentümer und auch Mieter sind gut ansprechbar für Neuerungen, denn jeder weiss, was unter effizienter Energieverwendung in Gebäuden zu verstehen ist“, sagt Dipl. Ing. Rolf Moser, der in der Geschäftsleitung des Haustechnik-Planungsbüros Enerconom AG sitzt und der das Forschungsprogramm 'Energie in Gebäuden' beim Bundesamt für Energie (BFE) auf Mandatsbasis leitet.
Tageslicht gezielt nutzen
Die Forschungsaktivitäten im Gebäudebereich sind vielfältig. Das widerspiegeln auch die Vorträge und Posterpräsentationen am Statusseminar des Gebäudetechnik-Kompetenznetzwerks brenet (building and renewable energies network of technology), das am 4. und 5. September an der ETH Zürich Forscher und Fachleute von öffentlichen und privaten Institutionen bereits zum 18. Mal zusammenführt. Wer nach den aktuellen Forschungstrends fragt, der stösst auf vier Fragestellungen, denen die Forschung gegenwärtig besondere Bedeutung zumisst.
Ein erster Trend sind Fragestellungen rund um Licht und Beschattung. Verschiedene Forschungsstätten haben hierzu Schwerpunkte errichtet. Mit der Hochschule Luzern und der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW) haben gleich zwei Hochschulen Lichtcontainer eingerichtet, mit denen Forscher beispielsweise die Wirkung verschiedener Beschattungssysteme abschätzen und auch gesundheitliche Fragestellungen untersuchen können. Solche Container sind gerade auch für die akademische Lehre interessant, da sie die Studierenden anschaulich an Fragestellungen der Gebäudetechnik heranführen.
Storennutzung in Verwaltungsgebäuden
Das Thema Licht ruft oft danach, dass Architekten mit Gebäudetechnikern und weiteren Fachleuten in einen interdisziplinären Dialog treten. Das illustriert exemplarisch ein aktuelles Projekt des Lausanner Planungsbüros Estia SA, das am brenet Statusseminar mit einem Vortrag vorgestellt wird. Das Spin-off der ETH Lausanne beobachtete während eines Jahres mit Webcams, wie die Beschäftigten von vier Verwaltungsgebäuden ihre (nicht automatisierten) Storen benutzten. Das Resultat erstaunt: Sie taten es selten, nämlich durchschnittlich weniger als zweimal pro Woche. Die Angestellten arbeiteten also oft bei Kunstlicht, obschon genügend Tageslicht zur Verfügung gestanden hätte. „Die Untersuchung zeigt, dass der Energiegewinn mit automatischen Storen mehrere kWh/m2 und Jahr erreichen kann“, lautet das Fazit der Estia-Studie. Diese plädiert denn auch für eine verstärkte Nutzung automatischer Storen. Die Resultate werden sich auch in einer Anpassung der entsprechenden SIA-Norm 380/4 niederschlagen.
Die Motivation hinter dem Sanierungsentscheid
Um den Menschen und sein Verhalten dreht sich auch ein zweiter Forschungstrend rund um Fragen der Motivation. Klar ist, dass die energetische Sanierung von Bestandsbauten nicht mit technischen Lösungen rund um Gebäudehülle und Gebäudetechnik allein gemeistert werden kann. So widmen sich etliche Forschungsprojekte der Situation und Motivation jener Personen, die als Hauseigentümer über energetische Sanierungen entscheiden.
Beispielhaft für diese Akzentsetzung stehen die Untersuchungen von Dr. Erika Meins, Leiterin des Forschungsbereichs Immobilien am Center for Corporate Responsibility and Sustainability an der Universität Zürich. In einem aktuellen Projekt fragt Meins nach den Beweggründen, die institutionelle Anleger zur energetischen Sanierung ihrer Liegenschaften antreiben bzw. daran hindern. Am Projekt beteiligt sind die Migros-Pensionskasse, die Pensionskasse der Zürcher Kantonalbank, SUVA und Swisscanto. In der Stadt Zürich gehört rund die Hälfte der Wohnfläche institutionellen Investoren. Entsprechend gross ist der erwartete Effekt, wenn es gelingt, die verantwortlichen Liegenschaftsverwalter von der langfristigen Rentabilität einer energetischen Sanierung zu überzeugen.
Ausländische Forschung liegt vorne
Forschen bedeutet immer, die Zukunft vorwegzunehmen. Eine solche Zukunftsfrage im Gebäudebereich sind die neuen Herausforderungen durch die verstärkte Nutzung der Photovoltaik (PV). Im Ausland ist der Ausbau der Photovoltaik bereits so weit fortgeschritten, dass sich bereits die Frage aufdrängt, ob und wie der PV-Strom lokal – also innerhalb eines Quartiers – ohne Transformation auf eine höhere Netzebene verwertet werden kann. Diese Thema beschäftigt Forscher mehr und mehr auch in der Schweiz. Um hier gute Antworten zu finden, ist es naheliegend, den Fokus vom einzelnen Gebäude auf ein Areal auszuweiten – womit ein dritter Trend im Bereich der Energieforschung im Gebäudebereich benannt ist. „Wir versprechen uns von der Arealbetrachtung eine Nutzung von Synergien im Areal, nicht nur bei der Photovoltaik, sondern auch zum Beispiel bei der Wärme-/Kälteerzeugung oder bei der Nutzung von Abwärme“, sagt BFE-Programmleiter Rolf Moser.
Wärme-/Kälteaustausch über das Areal hinweg
Anschaulich wird dieser Gedanke in der Überbauung Suurstoffi in Rotkreuz (ZG), deren erste Ausbauetappe bereits weitgehend realisiert ist. Alle Wohn- und Gewerbegebäude der Grossüberbauung werden mit zwei Wasserleitungen erschlossen: Eine Warm-Leitung liefert Warmwasser, das in den einzelnen Gebäuden von Wärmepumpen auf Betriebstemperatur gebracht wird. Eine Kalt-Leitung ermöglicht die Kühlung der Gebäude (Freecooling ohne vorgeschaltete Wärmepumpe). Dank dieser thermischen Arealvernetzung (Anergienetz) kann der Wärmeüberschuss aus einem Gebäude zur Beheizung eines anderen Gebäudes benutzt werden. Die Wärmepumpen werden unter anderem mit lokal erzeugtem PV-Strom betrieben, und dank des Einsatzes von 220 Erdsonden kann Wärme aus dem Erdreich bezogen (Winter) bzw. im Erdreich gespeichert (Sommer) werden. Eine vom BFE finanzierte Begleitstudie unter der Ägide der Hochschule Luzern evaluiert den Erfolg des Vorhabens.
Null- und Plusenergiehaus
Eine bestechende Idee, die innovative Hauseigentümer heute antreibt, ist das Null- und das Plusenergiehaus. Entsprechende Umsetzungskonzepte für Einfamilienhäuser, die gleich viel Energie produzieren, wie sie selber verbrauchen, sind bekannt. Im Moment konzentriert sich die Forschung – dies ein vierter Trend – auf die Realisierung in grösseren Gebäuden. Ein Mehrfamilienhaus mit drei Mietparteien in Rupperswil (AG), das mit seiner PV-Anlage mehr Strom als zum Eigenbedarf nötig ist produziert, ist Gegenstand einer vor kurzem abgeschlossen Untersuchung von Dr. Monika Hall. Die Forscherin des Instituts Energie am Bau der FHNW in Muttenz (BL) hat hier untersucht, wie der Stromüberschuss mit einem Elektroauto verwertet werden kann, das die Mieter und Nachbarn im Car-Sharing nutzten.
Die Grenzen des Nullenergie-Konzepts
Die gleiche Forscherin widmet jetzt ein neues Projekt den 'Möglichkeiten und Grenzen grosser Nullenergiegebäude', so der Titel ihrer Studie. Damit folgt sie einer auch im Ausland zu beobachtenden Tendenz, nämlich auch kritisch die Grenzen ambitiöser Energiekonzepte auszuloten. Zwar ist es für Hausbesitzer ein Ansporn, das Energieproblem im Rahmen ihres Eigenheims alleine zu lösen. Ob daraus eine für die Gesellschaft vernünftige Lösung resultiert, ist aber umstritten und hängt auch von der Regulierung ab. Denn meistens sind Nullenergiehäuser auf temporäre Energiebezüge aus dem Netz ebenso angewiesen wie auf die Möglichkeit, bei Bedarf lokal produziertem Strom ins Netz einzuspeisen. Diese Bedürfnisse von vermeintlich unabhängigen Energiekonsumenten müssen auch aus volkswirtschaftlicher Sicht abgewogen werden.
Weitere Informationen:
Auskünfte zum BFE-Forschungsprogramm 'Energie in Gebäuden' erteilt Programmleiter Rolf Moser (moser@enerconom.ch)
Eine Liste mit Best-practice-Beispielen von Plusenergiebauten in der Plusenergie-Datenbank >>
Text: ©Benedikt Vogel, im Auftrag des Bundesamts für Energie (BFE)
0 Kommentare