Bei rund 11‘000 Bestellungen, von denen Konzernchef Norbert Reithofer am Rande des Autosalons Genf im März sprach, müssen sich Kunden auf ein halbes Jahr Wartezeit einstellen. ©Bild: BMW

PW-Neuzulassungen in der Schweiz 2012 und 2013. ©Aufstellung: e‘mobile

E-Auto-Nutzer ihr Fahrzeug vorzugsweise zu Hause oder am Arbeitsplatz nachladen. ©Bild: BMW

Der Trend ist gesetzt: Elektroautos kommen auf Touren

(©SR) Bisher sind nur wenig Stromer auf den Strassen zu sehen, sowohl in Deutschland wie auch in der Schweiz. Doch das dürfte sich bald ändern: Hersteller rüsten ihre Flotten mit batteriebetriebenen Autos auf, Akkus werden leistungsfähiger und auch die Politik erwägt eine bessere Förderung, so in Deutschland, aber auch in China. Die Schweiz aber denkt über eine Pauschalabgabe für Elektroautos für die Finanzierung der Strasseninfrastruktur nach.


Über den BMW i3 sind die Menschen geteilter Ansicht. Manche Autofahrer recken im Vorbeifahren den Daumen hoch, andere fragen an der Ampel ungläubig: „Das ist nur ein Konzeptauto, oder?“ Nein, der i3 ist kein Konzept, sondern BMWs erstes für den Elektrobetrieb optimiertes Grossserienfahrzeug.

Kurve Richtung Nachhaltigkeit
Das Elektroauto soll das typische BMW-Design auf zeitgemässe Art widerspiegeln: Die markante Niere, die charakteristische Sickelinie, die sich aus der Front kommend in Richtung Heck zieht, sind zwar geblieben, doch hat der Münchner Autobauer mit dem i3 sichtbar die Kurve in Richtung Nachhaltigkeit genommen. Nicht Glanz und Chrom bestimmen sein Äusseres, sondern natürliche Farben und Komponenten aus nachwachsenden Rohstoffen, etwa Türtafeln aus Hanf oder Sitze aus Wolle.

Alles andere als brav
Das Wesen des i3 ist jedoch alles andere als brav. Mit 125 kW (170 PS) Leistung treibt der Elektromotor den Wagen in drei Sekunden von 0 auf 60 Kilometer pro Stunde. Während Fahren konventioneller Fahrzeuge noch im Getriebe rühren oder darauf warten, dass der Motor Druck und Drehzahl aufbaut, gleitet der Fahrer im i3 bereits mit Stadtgeschwindigkeit dahin – kaum hörbar und ohne Vibrationen. Angst vor dem Abheben braucht man jedoch nicht zu haben. Bei Tempo 150 dreht die Steuerungselektronik dem Motor automatisch den Strom ab.

6 Monate Lieferfrist
Offensichtlich ist es die Mischung aus Ressourcen-Verantwortung und Geschwindigkeit, die den i3 so begehrt macht. Bei rund 11‘000 Bestellungen, von denen Konzernchef Norbert Reithofer am Rande des Autosalons Genf im März sprach, müssen sich Kunden auf ein halbes Jahr Wartezeit einstellen. Es drohen noch grössere Verzögerungen, wenn der i3 auch in anderen Märkten in Asien oder in den USA zum Renner wird. Das ist durchaus das Ziel. Bei BMW heisst es, man wolle überall da präsent sein, wo es heute schon akzeptable Bedingungen für die E-Mobilität gebe.

Deutschland gerade mal 12‘000 reine E-Mobile
Für BMW, das in den vergangenen Jahren jeweils mehr als eine Millionen Fahrzeuge verkauft hat, sind 11‘000 Bestellungen nicht der Rede wert. Für die E-Mobilität ist das jedoch eine nicht unbeträchtliche Hausnummer. 2013 wurden in Deutschland 6051 E-Autos neu zugelassen, damit sind nun 12‘000 reine E-Mobile registriert – bei insgesamt 43 Millionen Pkw fällt ihr Anteil kaum ins Gewicht. „Wir stehen erst am Anfang“, sagt Kurt Sigl, Präsident des Bundesverbands eMobilität (BEM).

Norwegen ist weiter
Dass Deutschland bei der E-Mobilität noch hinterher fährt, zeigt der Vergleich etwa mit Norwegen. Dort sind 17‘000 E-Autos zugelassen, was bei nur fünf Millionen Einwohnern eine gute Quote ist. Sie ist Ergebnis konsequenter politischer Förderung. So verzichtet die norwegische Regierung beim Kauf eines E-Fahrzeugs bis 2017 auf die 25-prozentige Mehrwertsteuer.


5000 Elektrofahrzeuge in der Schweiz
In der Schweiz erreichte der Bestand 2013 rund 5000 Elektrofahrzeuge, vom Personenwagen über leichte Nutzfahrzeuge bis zu Leichtfahrzeugen. Bei den Hybrid-Fahrzeugen waren es über 35‘000. 1200 neue Elektropersonenwagen wurden 2013 zugelassen und mehr als 6700 Hybrid-Fahrzeuge. Susanne Wegmann, Geschäftleiterin von e’mobile, dem Schweizerischen Verband für elektrische und effiziente Strassenfahrzeuge erklärt: „Auch in der Schweiz befinden wir uns noch in einem Pioniermarkt. Wird ein neues Modell lanciert, kann dies in der Regel noch an den Statistiken abgelesen werden.“ Für Elektorautos entfällt in der Schweiz beim Import die Automobilsteuer von 4%. In einigen Kantonen müssen die Besitzer auch keine Motorfahrzeugsteuern zahlen. Zudem wird auf Strom keine Mineralölsteuer erhoben wie beim Benzin und Diesel. Die Regierung denkt jedoch bereits laut darüber nach, in einigen Jahren für Elektorautos eine Pauschalabgabe für die Finanzierung der Strasseninfrastruktur einzuführen.


China will abheben
Auch China nimmt Fahrt auf. Das Land will bis 2020 fünf Millionen Stromer auf die Strassen bringen, fünf Mal mehr als die deutsche Bundesregierung bis 2020 plant. Die meisten von ihnen sollen am besten direkt in China hergestellt werden. Den Anfang macht in diesem Frühjahr der Denza, ein neues Premium-E-Fahrzeug, das ein Gemeinschaftsunternehmen des chinesischen Autoherstellers BYD und Daimler baut. Ab Sommer wollen die ersten Händler den Denza in Peking, Shanghai und Shenzen verkaufen. Ausserdem soll in China ein flächendeckendes Netz von Schnellladestationen installiert werden.

In Deutschland kommt der Tankstellen-Ausbau dagegen nur langsam voran. Es gibt erst knapp 3000 öffentliche Ladesäulen, bis 2020 müssen es nach dem Fortschrittsbericht der Nationalen Plattform Elektromobilität aber schon 150‘000 sein, um das politische Ziel von einer Million E-Autos zu erreichen.

Trend ist gesetzt
Trotz der Startschwierigkeiten glaubt BEM-Präsident Sigl an einen grossen Erfolg der E-Mobilität. Der Experte schätzt, dass bis 2020 sogar vier bis fünf Millionen voll oder teilweise elektrisch angetriebene Fahrzeuge auf deutschen Strassen unterwegs sein werden, also deutlich mehr als die deutsche Bundesregierung anstrebt. „Der Trend ist gesetzt. Hersteller, die bisher noch keine E-Autos anbieten, müssen ihm folgen“, sagt Sigl. In der Tat nimmt die Auswahl an E-Mobilen in Deutschland stetig zu. Neben BMW gibt es bereits eine Reihe weiterer Anbieter, darunter Ford, Nissan, Renault und VW.

Tanken Vorzugsweise zu Hause
Auch den Bedarf an öffentlichen Ladesäulen hält Sigl für überbewertet. Er beruft sich auf aktuelle Studien, nach denen E-Auto-Nutzer ihr Fahrzeug vorzugsweise zu Hause oder am Arbeitsplatz nachladen. BMW etwa liefere sein Fahrzeuge mit Ladeeinrichtungen für die heimische Garage aus. Für Tiefgaragen und Strassenlaternen gebe es Ladebuchsen, an denen Autofahrer ohne eigene Garage Fahrstrom nachladen könnten. Ausserdem sei zu erwarten, dass auf immer mehr Kundenparkplätzen Lademöglichkeiten entstünden.

Skaleneffekt verbilligt Batterien
Schliesslich sorgten Skaleneffekte durch grössere Produktionsmengen dafür, dass Batterien immer günstiger werden. „Vor drei Jahren kostete ein Lithium-Ionen-Akku noch 800 Euro pro Kilowatt, heute liegt der Preis nur noch bei 200 Euro“, so Sigl. Und die Batterie-Lernkurve ist noch nicht am Ende angekommen. Autobauer Tesla plant in den USA eine gigantische Batteriefabrik. Die Kosten für die Akkus sollen so um weitere 30 Prozent sinken.

Mehr Reichweite dank Lithium-Luft-Batterien
Parallel arbeiten Wissenschaftler an technischen Innovationen, damit E-Autos auf höhere Reichweiten kommen. Besonderes Interesse gilt so genannten Lithium-Luft-Batterien. Sie können eine Energiedichte von 1000 Wattstunden pro Kilogramm erreichen – mehr als das Fünffache heutiger Lithiumbatterien. Statt Grafit oder Lithium-Titanat besteht ihre Anode aus Lithiummetall, als Kathode dient einfach Luft. „Sauerstoff wird je nach Bedarf in die Batterie gesogen, anstatt fester Bestandteil zu sein. Das macht sie leicht und kompakt“, erklärt Kai Christian-Möller, Leiter der Projektgruppe Elektrochemische Speicher am Fraunhofer-Institut für Chemische Technologie (ICT).

Die Autoindustrie zeigt grosses Interesse an den neuen Super-Batterien. Im Verbundprojekt GLANZ (Durch Glas geschützte Anode und Zelle) beispielsweise suchen Volkswagen, das Batterieforschungszentrum MEET der Universität Münster, Glasspezialist Schott, Rockwood Lithium und Varta Microbattery nach Wegen, die Lithium-Luft-Batterien stabiler und haltbarer zu machen. „Wir hoffen, dass es in den nächsten fünf bis zehn Jahren gelingt, die Technik als leistungsfähigste Lösung auf den Markt zu bringen“, sagt Sigl.

Politisch veranlasste Vorrechte für E-Mobilität
Die deutsche Bundesregierung scheint den grossen Nutzen der E-Mobilität für die Energiewende allmählich zu erkennen. Deshalb plant sie „zur Unterstützung des Markthochlaufs“ weitere nutzerorientierte Anreize. „Bevorrechtigungen wie zum Beispiel freies Parken an Ladepunkten oder die Nutzung von Sonderspuren können ein wichtiger nicht-monetärer Anreiz für Elektromobilität sein“, erklärt Peter Sallandt, Leiter der Gemeinsamen Geschäftsstelle Elektromobilität der Bundesregierung. Die Verkehrswende beginnt langsam.

©Text: Sascha Rentzing, Abschnitt Schweiz: Anita Niederhäusern

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