Fabian Biasio ist nach Fukushima gereist. Seine Fragestellung: Wie kann man eine unsichtbare Gefahr fotografisch festhalten? Entstanden ist die Fotoserie «Immer die aktuelle Strahlung im Blick». ©Bild: T. Rütti

Fährt man durch die Präfektur Fukushima, sieht man da und dort so genannte «Monitoring posts», auf denen in roter Leuchtschrift die aktuelle Strahlenbelastung in Mikrosievert pro Stunde angezeigt wird. ©Bild: T. Rütti

Es gibt diverse Methoden, die Strahlenbelastung nach unten zu korrigieren, so die WOZ-Redaktionsleiterin Susan Boos. Sie ist Autorin von «Fukushima lässt grüssen – Die Folgen eines Super-GAUs». ©Bild: T. Rütti

Die Schauspielerin Angela Stolz nahm mit Haiku direkten Bezug auf die Vorkommnisse in Fukushima. Musikalisch verlieh die Bratschistin Yuko Hara aus dem Zürcher Opernhaus dem Anlass den würdigen Rahmen. ©Bild: T. Rütti

Fukushima: «Im Land der Strahlenmessgeräte»

(©TR) Am 11. März 2011 bebte an der japanischen Ostküste die Erde. Die Folge: Ein Tsunami, schwere Störfälle und Kernschmelzen in den Reaktoren 1 bis 3 des Atomkraftwerks Fukushima Daiichi. Zum 3. Jahrestag des Super-GAUs zeigte der Luzerner Fotoreporter Fabian Biasio Bilder seine Werke zum Thema.


150'000 Einwohner mussten das Gebiet zum Teil dauerhaft verlassen. Die Regierung, die Behörden, der Betreiberin Tepco und vor allem die Bevölkerung sehen sich drei Jahren nach der nuklearen Katastrophe beim AKW Daiichi mit schwerwiegendsten Problemen konfrontiert. Denn diese drei Jahre waren geprägt von Pannen, Vertuschungen, Lügen, Lecks, neuen Gefahren wie Taifunen und Erdbeben, Probleme mit den Wasserkreisläufen und der Kühlung der Abklingbecken sowie galoppierende Kostensteigerungen. Noch heute fliesst radioaktives Wasser ins Meer und die Behörden haben die Lage immer noch nicht im Griff. Wohin mit dem verseuchten Wasser? Darf man der Regierung, den Behörden und Tepco überhaupt noch ein Wort glauben? Ist die AKW-Ruine vor einem weiteren Erdbeben geschützt? Und vor allem: wohin mit dem Atommüll?

Immer die aktuelle Strahlung im Blick
Der Luzerner Fotoreporter Fabian Biasio ist nach Fukushima Daiichi gereist, um sich vor Ort ein Bild zu machen. Seine Fragestellung: Wie kann man eine unsichtbare Gefahr fotografisch festhalten? Entstanden ist die Fotoserie «Immer die aktuelle Strahlung im Blick», die nun zum 3. Jahrestag des Super-GAUs in der Photobastei Zürich gezeigt wurde (letzter Ausstellungstag: 16. März 2014). Zu sehen ist eine Beruhigungsmassnahme, die sich die japanische Regierung einfallen liess: Fährt man durch die Präfektur Fukushima, sieht man da und dort Kästen oder Tafeln, so genannte «Monitoring posts», auf denen in roter Leuchtschrift die aktuelle Strahlenbelastung in Mikrosievert pro Stunde angezeigt wird. Die Information wäre gewiss sinnvoll, wenn man sich auf die Anzeigen verlassen könnte. Doch es gibt diverse Methoden, die Strahlenbelastung nach unten zu korrigieren. Offenbar wurde und wird von den Fälschungsmöglichkeiten reichlich Gebrauch gemacht, erklärte Susan Boos, Autorin von «Fukushima lässt grüssen – Die Folgen eines Super-GAUs», anlässlich der kleinen Gedenkfeier in der Photobastei Zürich, finanziell mitgetragen von der Schweizerischen Energie-Stiftung SES.

Selbst in der zwangsevakuierten Zone
Laut WOZ-Redaktionsleiterin Susan Boos, die auch schon den Titel «Chefredaktorin des Jahres» erhielt, wurden selbst in der zwangsevakuierte Zone viel tiefere Strahlenwerte angezeigt als jene Werte, die man mit mobilen Geräten in der Umgebung messen kann; viele Betroffene verlassen sich nur noch auf ihre eigenen Messungen. Die Bevölkerung wirft der Regierung sicher zu Recht vor, ihr etwas vorzugaukeln. Das Lügenkonstrukt hat man rasch durchschaut: Die Bevölkerung ist bei tieferen Werten rascher bereit, in die verseuchten Gebiete zurückzukehren und auf Entschädigungsansprüche zu verzichten. Das Fatale ist, dass wir Menschen eine radioaktive Strahlung nicht wahrnehmen können und ihr somit schier schutzlos ausgeliefert sind. Fotografisch umgesetzt hat dies Fotoreporter Biasio anhand der Kästen oder Tafeln mit den Leuchtschriftanzeigen, die schier unbedenkliche Messwerte zeigen.

Der Kernschmelze eine kreative Fusion entgegengesetzt

Klar, dass die Unverfrorenheit der japanischen Regierung, der Behörden und der Betreiberin Tepco bei uns Sprachlosigkeit auslöst. Mit einer Performance verschafften die Bratschistin Yuko Hara aus dem Zürcher Opernhaus, die Schauspielerin Angela Stolz und der Fotoreporter Biasio dieser Sprachlosigkeit ein gemeinsames Gesicht. Sie setzten der Kernschmelze quasi eine kreative Fusion von klassischer Musik, Fotografien aus dem Katastrophengebiet sowie zeitgenössischen Haiku entgegen. Geschaffen wurde diese kürzeste Gedichtform der Welt 2011 durch den Literaturclub zur 25-Jahr-Gedenkfeier des Super-GAUs von Tschernobyl. Die Schauspielerin Angela Stolz nahm nun mit ebendiesen Haiku direkten Bezug auf die tragischen und dramatischen Vorkommnisse in Fukushima, wie zum Beispiel in diesem 3-Zeiler: «Strahlender Gesang / Des Königs der Lüfte / Gau im Ei versteckt.» 

©Text: Toni Rütti

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