Die 152 Kernkraftwerke in Europa (EU inklusive Schweiz und Ukraine) wurden technisch für eine Laufzeit von 30 bis 40 Jahren konzipiert.

Öko-Institut: Alternde Kernkraftwerke gefährden Sicherheit in Europa

(PM) In vielen Ländern der Europäischen Union werden Kernkraftwerke zukünftig wesentlich länger betrieben als ursprünglich geplant. Sowohl das zunehmende Alter und damit verbundene Alterungseffekte als auch die Leistungserhöhung führen zu Belastungen für die Komponenten der Kernkraftwerke und können damit eine potenzielle Bedrohung für die Sicherheit der Kraftwerke sein.


Die 152 Kernkraftwerke in Europa (EU inklusive Schweiz und Ukraine) wurden technisch für eine Laufzeit von 30 bis 40 Jahren konzipiert. Heute beträgt ihr Durchschnittsalter 29 Jahre; jetzt aber sollen ihre Laufzeiten auf 50 bis 60 Jahre verlängert werden. Wird die ursprünglich geplante Laufzeit systematisch überschritten, treten zunehmend Alterungseffekte auf, die beispielsweise Materialeigenschaften verschlechtern. Schon jetzt müssen Komponenten, die korrodieren, Risse aufweisen oder spröde werden, kontinuierlich überwacht und rechtzeitig ausgetauscht werden. Wird zugleich die Leistung erhöht – das heisst, muss der Reaktor in der verlängerten Laufzeit mehr thermische Leistung erzeugen – werden die Systeme zusätzlich beansprucht.

Problemfall Störfall
„Paradoxerweise sind es die ältesten Kernkraftwerke in Europa, die zugleich mehr Leistung als ursprünglich geplant bringen müssen“, erläutert Simone Mohr, Nukleartechnikexpertin am Öko-Institut. „So produzieren die ältesten Kraftwerke schon heute zum Teil 20 Prozent mehr Leistung als beim Bau geplant.“

Die Probleme der Altanlagen entstehen dabei zum einen durch physische Alterung der Komponenten, Systeme und Bauwerke, zum anderen aufgrund des veralteten technischen und konzeptionellen Aufbaus. So wurden früher geringere Anforderungen an die Auslegung von Kernkraftwerken gestellt, als dies heute der Fall wäre. So sind alte Kernkraftwerke beispielsweise häufig schlechter gegen Einwirkungen von aussen wie Hochwasser, Erdbeben oder Flugzeugabsturz geschützt, als dies nach heutigen Regeln erforderlich wäre.

Fortschreitende Absenkung des Sicherheitsniveaus
„Alle genannten Aspekte führen zu einer fortschreitenden Absenkung des Sicherheitsniveaus der älteren Reaktoren in Europa“, sagt Simone Mohr. Das kann insbesondere bei Störfällen zum Problem werden, wenn der Reaktor höheren Belastungen ausgesetzt ist als im Normalbetrieb.

Schwerwiegende Folgen nicht auszuschliessen
In den dicht bevölkerten Regionen Europas, in denen Kernkraftwerke heute stehen, sind schwerwiegende Folgen dann nicht auszuschliessen. „Um ein Beispiel zu nennen: Die Schweiz betreibt heute die ältesten Kernkraftwerke in Europa. Beznau-1 ist mit 45 Jahren das älteste der Welt, Beznau-2 und Mühleberg sind älter als 40 Jahre“, so Mohr, „Mit Fessenheim-1 und -2 in Frankreich stehen damit eine ganze Reihe alter Kernkraftwerke in einer der erdbebengefährdetsten Regionen Europas. Gäbe es hier einen Unfall mit Kernschmelze und radioaktiver Freisetzung wie in Fukushima, könnten Millionen Menschen in und um Bern, Basel oder Zürich betroffen sein.“

Greenpeace-Studie "Lifetime extension of ageing nuclear power plants: Entering a new era of risk >>

Text: Öko-Institut

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