"Die gegenwärtigen Verzerrungen im europäischen Strommarkt gefährden neben dem Ausbau auch die Wirtschaftlichkeit bestehender Anlagen", Jean-Michel Cina. ©Bild: Jürg Wellstein

energie-cluster.ch: Die zentrale Rolle der Wasserkraft

(©JW) Der erste Walliser Energie-Apéro im 2014 stand am 4. Februar in Visp unter dem Motto: „Die Wasserkraft in einem sich verändernden Umfeld“. Jean-Michel Cina, Staatsrat des Kantons Wallis und Vorsteher des Departements für Volkswirtschaft, Energie und Raumentwicklung, zeigte in seinem Referat die zentrale Rolle der Wasserkraft im Kanton Wallis auf. Ein Gespräch.


Der Strommarkt ist in Europa in Bewegung. Liberalisi
erung, Ausstieg aus der Kernkraft in einzelnen Ländern, Strompreiszerfall usw. sind Merkmale. Welche Auswirkungen spüren Sie davon bereits im Wallis?
Jean-Michel Cina
: An den europäischen Strommärkten konnten wir in den letzten Jahren einen grossen Preiszerfall beobachten. Dieser Preiszerfall führt dazu, dass die Energieunternehmen Investitionen in Grosswasserkraft wegen mangelnder Wirtschaftlichkeit zurückstellen. Dieser Effekt ist bereits jetzt deutlich spürbar.

Als grösstes Wasserschloss der Schweiz spielt diese Energieform auch für Kantons- und Gemeindeeinkommen, Löhne und Arbeitsstellen eine wichtige Rolle. Wie lässt sich die B
edeutung der Wasserkraft weiter erläutern?
Die Bedeutung der Wasserkraft für den Kanton Wallis kann nicht genug betont werden. Die Wasserkraft macht in der schweizerischen Stromproduktion bereits heute über 56 % aus. Die Walliser Wasserkraft produziert jährlich rund 10‘000 GWh, dies sind 28 % der Produktion in der Schweiz. Betrachtet man nur die Speicherkraftwerke, steigt dieser Anteil an der gesamtschweizerischen Produktion auf rund 33 %. Des weitern ist die Wasserkraft eine der tragenden Säulen der Energiestrategie des Bundes. Eine Arbeitsstelle im Bereich Wasserkraft bringt einen Brutto-Mehrwert für die Walliser Wirtschaft von rund 500‘000.- Franken. Der Durchschnittsmehrwert einer Arbeitsstelle im Wallis liegt bei rund110‘000.- Fr. Dies zeigt deutlich den qualitativen Beitrag dieser Stellen für unsere Wirtschaft.

Besteht neben den Grosskraftwerken auch Raum und Potenzial für Kleinwasserkraftwerke, u.a. Flusskraftwerke, Trink- und Abwasserkraftwerke?
Die Stromproduktion aus Kleinwasserkraftwerken unter einer Leistung von 1 MW macht im Wallis und in der Schweiz nur rund 1 % der gesamten Wasserkraft aus. So gesehen ist das Potenzial nicht zu überschätzen. Was aber nicht heissen soll, dass es sicher viele interessante Projekte gerade bei der Trinkwasserturbinierung gibt. In diesem Bereich hat der Kanton bereits im Jahr 2007 im Rahmen von BlueArk und in Zusammenarbeit mit der HES-SO Wallis eine Initiative bei den Gemeinden gestartet.

Sie fordern einen massvollen Umgang mit der Dotierung von Restwassermengen. Was kann konkret getan werden?

Das Bundesgericht hat im Misoxer Urteil in Zusammenhang mit der Gewässersanierung Produktionseinbussen von 5 % als tragbar eingestuft. Andererseits hat es den hohen Stellenwert der Wasserkraft betont. An mehreren runden Tischen wird zurzeit verhandelt, wie dies in der Praxis umgesetzt werden kann.
Die Positionen sind zum Teil weit auseinander und es wird darauf hinauslaufen, hier einen Kompromiss zu finden, der für alle involvierten Parteien tragbar ist. Wo dieser Kompromiss liegt, wird sich im Verlaufe der Verhandlungen zeigen. Wichtig ist, dass die Parteien zu Kompromissen bereit sind die rasche Lösungen zulassen.

Im Moment scheinen Anreize für Investitionen in die Wasserkraft zu fehlen.Was müsste g
etan werden?
Die kürzlich publizierte Studie des BFE zu den „Perspektiven der Grosswasserkraft“ hat deutlich aufgezeigt, dass der Ausbau der Wasserkraft unter den herrschenden wirtschaftlichen Bedingungen nicht rentabel ist. Die gegenwärtigen Verzerrungen im europäischen Strommarkt gefährden neben dem Ausbau auch die Wirtschaftlichkeit bestehender Anlagen. Korrekturen bräuchte es auf verschiedenen Ebenen wie beim Wert der CO2-Zertifikate, der Milliarden Förderung von neuen erneuerbaren Energien in Europa, der Komplexität der Verfahren, um nur einige zu nennen.

Wie nehmen Sie den Wunsch oder die Forderung der Energieversorger zum Überde
nken der Gebühren bzw. Wasserzinsen auf?
Eingangs möchte ich darauf hinweisen, dass der Wasserzins nicht irgendeine Abgabe oder Steuer ist, sondern das Entgelt für die Nutzung des Rohstoffs Wasser, das dem verfügungsberechtigten Gemeinwesen zusteht. Die derzeit gesetzlich verankerten Wasserzinsansätze haben für die Gebirgskantone uneingeschränkte Gültigkeit und sind das Ergebnis komplexer politischer Verhandlungen in den Jahren 2007 bis 2010. Dabei sind verschiedene Aspekte zusammengefasst und austariert worden – Revision Gewässerschutzgesetz, Fischerei-Initiative, Wert der Ressource Wasser, Teuerungsanpassung, usw.

Die Parteien sind damals übereingekommen, im Jahre 2018 Verhandlungen über die Anpassung des Wasserzinsmaximums per 1. Januar 2020 aufzunehmen. Die Gebirgskantone fühlen sich nach wie vor an diese Vereinbarung gebunden und sind nicht bereit zum jetzigen Zeitpunkt Kompromisse einzugehen.

Der Kanton ist bei der Wasserkraft und somit bei der Stromproduktion involviert. Gleichzeitig sind auch Effizienzmassnahmen bei Gebäuden ein Anliegen, wo vor allem Heizöl su
bstituiert werden kann. Wo setzen Sie die Prioritäten auf dem Weg in die Energiezukunft?
Angesichts des wichtigen Anteils an der schweizerischen Stromproduktion wird die Energiepolitik des Kantons Wallis auch in Zukunft massgeblich von der Wasserkraft beeinflusst werden. Dies heisst jedoch nicht, dass die anderen energiepolitischen Anliegen nicht umgesetzt werden. Mit der Publikation der Energiestrategie im Januar 2013 hat der Kanton die Grundlagen für die anstehenden Arbeiten aufgezeigt. Die Strategie baut auf sieben Säulen mit insgesamt 20 Handlungsbereichen auf. Die Energieeffizienz ist dabei die wichtigste Säule.

©Text: Jürg Wellstein, Ersterscheinung Interview im Newsletter vom 26. Februar des energie-cluster.ch

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