Walter Stocker ist Präsident der Association for the Study of Peak Oil (ASPO) Schweiz. ©Bild: ASPO

ASPO: Jahresbrief des Präsidenten

(©ASPO/WS) Das Thema Peak Oil ist aktueller denn je. Vor zwei Jahren hat die Internationale Energieagentur (IEA) bestätigt, dass der Peak Oil beim konventionellen Erdöl bereits im Jahr 2006 erreicht wurde. Mit dem Erreichen des Fördermaximums wird in den kommenden Jahren und Jahrzehnten immer weniger konventionelles Erdöl gefördert werden.


Die Welt deckt jedoch nach wie vor mehr als 80% ihres gesamten Energiebedarfs aus fossilen Energieträgern, wobei das Erdöl der wichtigste ist. Die Energiebranche hofft vorläufig noch, dass die kontinuierlich abnehmende Fördermenge von konventionellem Erdöl durch zusätzliche Förderkapazitäten bei den nicht konventionellen Kohlenwasserstoffen (Tiefseeöl, Teersande, Schieferöl und Schiefergas) kompensiert werden kann.

„Schieferrevolution“ in den USA
Als „game changer“ wurde der Boom der Förderung von Schiefergas und Schieferöl in den USA von den verschiedensten Energiemarktexperten (inkl. Avenir Suisse) gepriesen und als „Energierevolution“ gefeiert. Die Grundlagen der Förderung fossiler Energie hätten sich in den letzten Jahren vollständig gewandelt, da nun mittels „Fracking“ bislang unzugängliche, unkonventionelle Öl- und Gasvorkommen aus dem Boden gepumpt werden könnten. Die IEA prognostizierte noch Ende 2012 ein steigendes globales Erdölangebot in den kommenden Jahrzehnten und versicherte dabei explizit, dass in den nächsten 20 Jahren keine geologischen oder technischen Restriktionen ein ständiges Anwachsen der Erdölproduktion verhindern würden. Die USA könnten laut IEA schon in zwei Jahren zum grössten Erdölproduzenten der Welt aufsteigen.

In ihrem neuesten „World Energy Outlook“, veröffentlicht im November 2013, setzt nun selbst die notorisch überoptimistische IEA ein grosses Fragezeichen hinter die Langfristigkeit des Booms mit Schieferöl. Auch der Bericht der „Energy Watch Group“ (Fossil and Nuclear Fuels – the Supply Outlook) vom März 2013 zeigt klar die Grenzen der “Schieferrevolution” auf und dämpft übertriebene Hoffnungen. Die beschworene „Schieferöl/gas-Wende“ ist weder ökologisch noch ökonomisch nachhaltig. Das zeigt schon ein Blick auf die Ursprünge des Booms. Auslöser waren nämlich nicht ausschliesslich Fortschritte bei der Fördertechnologie, wie immer behauptet wird. Fracking ist ein seit Jahrzehnten praktiziertes Verfahren.

Mehr Anwendung seit 2006
Gewiss hat sich die Technik über die Jahre weiterentwickelt, dass sie aber seit 2006 (zum Zeitpunkt des Peak Oil beim konventionellen Erdöl) vermehrt angewandt wird, hat ganz andere Gründe:

  • Die hohen Energiepreise: In den USA wie im Rest der Welt stiegen zwischen 2005 und 2008 die Erdöl- und Erdgaspreise in schwindelerregende Höhe. Erst diese hohen Gaspreise machten unkonventionelle und teure Fördermethoden wie das „Fracking“ rentabel. Die Grenzkosten für ein Fass mittels „Fracking“ gewonnenen Erdöls liegen zwischen 75 und 80 US$.
  • Eine fundamentale Änderung im amerikanischen Umweltrecht: Im Juli 2005 wurde mit dem „Clean Energy Act“ die Öl- und Gasförderung in grossen Tiefen von den Auflagen des Grundwasserschutzes ausgenommen. Insbesondere der Einsatz der giftigen Fracking-Chemikalien wurde so in grossem Stil erst möglich.
  • Eine Regeländerung der US-Börsenaufsicht zur Bewertung der Öl- und Gaskonzerne: Ihnen werden seither auch unkonventionelle Lagerstätten wie Ölsande, Tiefseeöl und eben Schieferöl/-gas als Reserven angerechnet. Da der Börsenkurs der grossen Energiekonzerne massgeblich von den ausgewiesenen Reserven abhängt, begann ein Run auf Shale Reservoirs.


Libyen
Auch 2013 lag der Nahe Osten in Sachen Öl im Brennpunkt. In Libyen bleibt die politische Stabilität zwei Jahre nach dem Sturz von Muammar al-Gaddafi prekär. Als Folge von Streiks und bewaffneten Zwischenfällen ist die Erdölproduktion in Libyen drastisch gesunken, was vor allem die Versorgung von Europa als grösstem Abnehmer von lybischem Öl beeinträchtigt hat. Die Ausfälle konnten nicht ohne Weiteres ersetzt werden, zumal das saudische Erdöl zu schwefelhaltig für die europäischen Raffinerien ist. Daher wurde in erster Linie Dieselöl aus den USA importiert. Dies führte zu einem Preiseinbruch beim Benzin in den USA, da bei der Raffinierung von Diesel zusätzliche Mengen an Benzin anfielen, die auf dem amerikanischen Markt abgesetzt werden mussten.

Iran
Die Übergangsvereinbarung im politischen Streit über die Nutzung der Atomenergie in Iran hat die Märkte bislang nur geringfügig bewegt. Da die bestehenden Sanktionen nämlich grösstenteils in Kraft bleiben, wird Europa auch weiterhin kein Öl aus Iran importieren dürfen. Dies verhindert vorerst einen stärkeren Preisrückgang. Selbst wenn die internationalen Sanktionen gegen Iran weiter gelockert werden sollten, wird die Erdölproduktion nicht sofort ausgeweitet werden können. Mittelfristig sieht das Bild anders aus: Im Falle einer tragfähigen Lösung könnte die iranische Erdölförderung um bis zu 2 Mio. Fass täglich gesteigert werden. Zusammen mit einem steigenden Angebot aus anderen Ländern der Region wie Libyen, Syrien oder Irak, die ihre Förderkapazitäten derzeit ebenfalls aus politischen Gründen nicht ausschöpfen, könnte der Druck auf den Erdölpreis dadurch gemildert werden.

Schweizer Energiepolitik
Nach der schweren Reaktorkatastrophe im Atomkraftwerk von Fukushima im März 2011 beschloss der Bundesrat, auf den Bau von neuen Atomkraftwerken zu verzichten und auf absehbare Zeit aus der Atomenergie auszusteigen. Gleichzeitig lancierte die Schweizer Regierung die Debatte zur „Energiestrategie 2050“. Drei Hauptstossrichtungen werden vorgegeben:

  • Die Sparpotenziale beim Verbrauch von Strom, Brenn- und Treibstoffen sind konsequent auszuschöpfen.
  • Die Erschliessung neuer Energiequellen ist zu fördern.
  • Die grosse Abhängigkeit von fossilen Energieträgern ist zu reduzieren.

Obwohl die Entwicklung der Endenergienachfrage gemäss der Energiestrategie 2050 eine markante Reduktion an Diesel, Benzin, Erdgas und Heizölprodukten vorsieht, bleibt unklar, wie dieses Ziel erreicht werden soll. Besonders bedenklich: Trotz einer Verdreifachung des Ölpreises in den letzten 10 Jahren werden in der Debatte eine mögliche weitere Verknappung der Ressource „Erdöl“ und der Begriff Peak Oil kaum thematisiert.

Hauptsächlich Strompolitik
Die Schweizerische Energiepolitik ist hauptsächlich eine Strompolitik. Zur Zeit wird die Energiedebatte vor allem im Hinblick auf den Ausstieg aus der Atomenergie geführt und darüber diskutiert, wie Ausfälle bei der Stromproduktion kompensiert werden können. Insgesamt werden heute aber immer noch rund zwei Drittel des Energiebedarfs der Schweiz mit fossilen Kohlenwasserstoffen gedeckt.

Peak Oil und Klimawandel
Neben der Debatte um den Peak Oil und die Energiewende bleibt die Problematik des Klimawandels nach wie vor von entscheidender Bedeutung. Der Zusammenhang zwischen Klimawandel und Erdölressourcen lässt sich an Hand von drei Zahlen veranschaulichen:

  • 2° Celsius: ist der Temperaturanstieg bis Mitte des 21. Jahrhunderts, der noch zu verkraften wäre. Heute stehen wir bei einem Temperaturanstieg von 0.8° Celsius mit den Folgen, dass ein Drittel des Sommereises im Arktismeer verschwunden ist. Die Übersäuerung der Ozeane hat um über 30% zugenommen und die Atmosphäre über den Ozeanen ist um 5% feuchter geworden, was vermehrt zu Überschwemmungen führt.
  • 565 Gigatonnen: So viel Kohlendioxid sollten bis Mitte Jahrhundert maximal in die Atmosphäre abgeben werden, damit die globale Temperatur nicht mehr als 2° Celsius ansteigt.
  • 2795 Gigatonnen: ist die Gesamtmenge an Kohlenstoff, die in den bewiesenen Reserven an Kohle, Öl und Gas der Energiekonzerne und Förderländer enthalten ist. Das sind die fossilen Energiequellen, die wir im Moment zu verbrennen planen. Ihr Wert beträgt bei den heutigen Marktpreisen etwa 27 Billionen US$. Um den Klimawandel zu bremsen, müssten wir also etwa 20 Billionen US$ (oder 80% der potentiellen Reserven) im Boden belassen. Der Verzicht auf diesen Reichtum ist die grösste Herausforderung bei der Bewältigung des Klimawandels.

Die Arbeit der ASPO Schweiz bleibt also wichtig und richtig. Unser Verein wird auch im kommenden Jahr mit sachlichen Informationen zu den tatsächlichen Möglichkeiten von Shale Energy aufklären und sich verstärkt dafür einsetzen, dass Peak Oil öffentlich thematisiert und statt einer Stromdebatte eine Energiedebatte geführt wird. Wir danken Ihnen für Ihre Unterstützung und Mitarbeit.

Mit besten Wünschen für das neue Jahr, Walter Stocker, Präsident ASPO Schweiz

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