Windturbine Haldenstein/GR, ©Bild: Suisse Eole

Suisse Eole: Weshalb Windenergie von nationalem Interesse ist

(Suisse Eole) Die Festschreibung des nationalen Interesses ist ein zentraler Punkt in der Energiestrategie 2050. Windenergieprojekte erhalten so mehr politisches und rechtliches Gewicht. Doch die Regelung hat auch Pferdefüsse.


«Auch kleinste Kraftwerksvorhaben in Schutzgebieten sollen künftig eine nationale Bedeutung erhalten und damit möglich werden – ein klarer Raubbau an der Natur», schreibt der WWF in seiner Medienmitteilung zur Botschaft des Bundesrates zum ersten Massnahmepakt der Energiestrategie 2050. Der WWF drückt seine Befürchtung aus, dass «die letzten Naturjuwelen geopfert werden». Ist im Hinblick auf die Windenergie diese generelle Besorgnis gerechtfertigt? Mit der Anerkennung eines nationalen Interesses will der Bund den erneuerbaren Energien «eine gegenüber heute bessere Ausgangslage für die Interessenabwägung» verschaffen respektive «eine solche überhaupt erst ermöglichen».

Für die Windenergienutzung in der Schweiz bedeutet die Aufwertung, dass ein von der überwiegenden Bevölkerungsmehrheit getragenes Anliegen zum ersten Mal einen ernst zu nehmenden Status erhält. Dabei geht es keinesfalls darum, zum Halali auf Schutzgebiete zu blasen. Wie die Potenzialstudie von Suisse Eole zeigt, liessen sich 6000 Mio. kWh Windstrom bis 2035 produzieren. Dies unter Einhaltung der strengen, vom Bundesamt für Umwelt formulierten Nachhaltigkeitskriterien, zu denen auch der Ausschluss der BLN- und anderen Schutzgebiete gehört.


«Das ist der grosse Moment der Windenergie.»

Mauricio Tolmasquim, Chef der brasilianischen Energieplanungsbehörde, nach dem Atomausstiegsbeschluss seines Landes (Quelle: Der Bund, 16.9.2013)


Nur wenige Ausnahmen
Windenergieanlagen in BLN-Gebieten werden nur in seltenen Ausnahmefällen geplant. Denn die Projektentwickler haben bereits im Normalfall hohe Planungshürden zu überwinden, so dass sie nicht auf zusätzliche Hindernisse im komplexen Bewilligungsverfahren erpicht sind. BLN-Gebiete kommen nur in Betracht, wenn sich die Kantone in ihrer Interessenabwägung am konkreten Standort zugunsten der Windenergienutzung entscheiden. Das kann der Fall sein bei vorbelasteten Gebieten oder bei allzu starren, von der Bevölkerung wenig getragenen Schutzperimetern.

Eine der Ausnahmen ist das Projekt im Vallée de Joux. Die Situation ist aussergewöhnlich, weil einerseits die Talschaft flächendeckend als BLN-Gebiet bezeichnet ist, andererseits die Bevölkerung geschlossen hinter dem Windparkprojekt steht, das notabene mehr Strom produzieren kann, als die Region verbraucht. Dem Projekt hat auch der WWF Waadt zugestimmt, unter der Auflage, dass die Promotoren in Massnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz investieren (siehe éole-info 24 >>).

Ernst zu nehmende Windenergie

Die Bedeutung der nationalen Aufwertung der Windenergie liegt anderswo:Windenergieprojekte müssen von Behörden und Gerichten ernst genommen werden. Wenn also mit einem Windenergieprojekt beispielsweise ein Wetterradar gestört werden könnte, dann wird die neue Regelung eher dazu führen, dass sich die Parteien an einen Tisch setzen und sich auf eine Lösung einigen werden. Auch punkto Einsprachen, die wie beim Beispiel Crêt-Meuron an Missbrauch grenzen, erhofft sich Suisse Eole Schützenhilfe von der neuen Regelung. Die Festschreibung des nationalen Interesses ist notwendig, damit die Umsetzung der Energiestrategie 2050 nicht an Einsprachewut und an von Partikularinteressen aufgerissenen Gräben scheitert.

Die Schattenseite der Regelung liegt in der potenziellen Zweiteilung von Projekten in solche mit und solche ohne nationales Interesse. Heute haben einige Kantone in ihren Richtplankriterien für Windparks eine Mindestproduktion von 10 Mio. kWh definiert. Setzt nun der Bund die Grenze höher an, wird es kantonale Projekte ohne nationales Interesse geben – für die Kantone eine unbefriedigende Situation.

Text: Suisse Eole, erschienen im éole-info 27

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