V.l.n.r. Natalie Beck Torres, Leiterin Sektion Wasserkraft (BFE), BFE-Vizedirektor Daniel Büchel, Marianne Zünd, Leiterin Kommunikation BFE. Bild: T. Rütti

Grosswasserkraft: Nur langfristig ist mit verbesserter Wirtschaftlichkeit zu rechnen

(TR) Die Rentabilität von 25 geplanten aber noch nicht realisierten Grosswasserkraft-Projekten ist aus Sicht des Bundesamtes für Energie «im aktuellen Marktumfeld mit tiefen Energie- und CO2-Preisen nicht optimal». Das BFE stützt sich dabei auf eine Studie, wonach die Rendite über die gesamte Laufzeit eines Wasserkraftwerkes bei ca. 3% liegt (siehe auch ee-news.ch vom 13.12.13 >>).


Folgende Hauptschlussfolgerungen lassen sich – zumindest auf einen Blick – aus der vorliegenden und nun via Medien der Öffentlichkeit präsentierten Studie ableiten:

  • Etwa 95% der Wasserkraftprojekte sind zum heutigen Zeitpunkt nicht wirtschaftlich, das heisst eine angemessene Verzinsung des Kapitals potentieller Investoren ist nicht gegeben
  • die durchschnittlichen Gestehungskosten liegen bei 14.1 Rp/kWh und damit  deutlich über den heutigen Grosshandelsmarktpreisen der Schweiz von 5 Rp./kWh
  • unter den aktuellen Markt- und Rahmenbedingungen wird wahrscheinlich mit Investitionen in Wasserkraft zugewartet
  • prioritär ist darauf hinzuwirken, dass die in Europa zu beobachtenden Marktverzerrungen korrigiert werden können.
  • von den untersuchten Förderinstrumenten zeichnet sich keines durch eine besondere Eignung für die Grosswasserkraft aus.

Die Studie im Detail betrachtet ergibt ein differenzierteres Bild:
Die Wasserkraft soll laut BFE-Vizedirektor Daniel Büchel auch künftig «ein bedeutender Pfeiler der schweizerischen Stromversorgung» bleiben, weil sie erneuerbar und einheimisch sei. Tiefe CO2-, Gas- und Kohlepreise in Europa und in den USA, Überkapazitäten auf dem Markt und verzerrende Subventionen führten derzeit dazu, dass billiger Strom angeboten werde. In den letzten fünf Jahren seien die Strompreise an den europäischen Märkten von über 70 €/MWh auf heute rund 40 €/MWh gesunken. «Die Terminpreise an den europäischen Strombörsen zeigen bis 2019 kaum eine Preiserholung. In unserer Studie werden das schwierige Umfeld der Wasserkraft und die derzeitigen Probleme für Investitionen in den Ausbau der Wasserkraft aufgezeigt», so der BFE-Vitzedirektor.

Auch im benachbarten Ausland
Prioritär ist laut BFE darauf hinzuwirken, dass die in Europa zu beobachtenden Marktverzerrungen korrigiert werden können. Da nicht nur in der Schweiz, sondern auch im benachbarten Ausland die Wettbewerbsfähigkeit der Grosswasserkraft durch die aktuelle Marktsituation stark beeinträchtigt sei, sei auch ein koordiniertes Vorgehen angezeigt. Nicht auszuschliessen sei zudem, dass sich der Preis für CO2-Zertifikate in der EU erhöhe, was der Wasserkraft wie anderen erneuerbaren Energien dienen würde.

Unterstützungsmassnahmen für die Grosswasserkraft?
Sollen Investitionen in die Grosswasserkraft trotzdem im aktuellen, ungünstigen Marktumfeld zeitnah ausgelöst werden, so stellt sich die Frage von Unterstützungsmassnahmen. Diese müssten bei den relevanten Kostenkomponenten ansetzen. Dazu zählen die hohen Investitionskosten und die Wasserzinsen. Die Studie liefert erste Grobanalysen von Fördermodellen, die solche Investitionsanreize schaffen könnten. Bei den untersuchten Förderinstrumenten zeigen sich neben dem Fördereffekt auch Nachteile, die in Kauf genommen werden müssten, wie Marktverzerrungen oder Benachteiligungen nicht subventionierter Technologien.

Schlussfolgerung: Strompreise dürften sich bis 2020 auf 9 bis 11 Rp./kWh erholen

  • Die Gestehungskosten bei Neubauten sind derzeit mit durchschnittlich 14.1 Rp./kWh über den Gestehungskosten bestehender Grosswasserkraftanlagen von 5 bis 6 Rp./kWh.
  • Bis auf ein Projekt weisen zum heutigen Zeitpunkt alle 25 Projekte im Referenzszenario einen negativen Nettobarwert aus. Das BFE geht im Referenzszenario aber davon aus, dass sich bis ins Jahr 2020 die Strompreise auf 9 bis 11 Rp./kWh erholen dürften.
  • Die erwartete Rendite eines Wasserkraftwerks über dessen gesamte Laufzeit liegt mit durchschnittlich 3 Prozentpunkten unter dem angenommenen kalkulatorischen Zinssatz von 4,63% 
  • Neben den Kapitalkosten und Kosten für Amortisation fallen als Teil der Gestehungskosten die Wasserzinsen mit durchschnittlich 1.4 Rp./kWh ins Gewicht.

Zwei weitere Studien
Gleichzeitig mit der Erhebung zur Grosswasserkraft veröffentlicht das BFE zwei weitere Studien:

  • «Bewertung von Pumpspeicherkraftwerken in der Schweiz im Rahmen der Energiestrategie 2050»: Diese im Auftrag des BFE von frontier economics und swissQuant Group durchgeführte Studie analysiert den Ausbaubedarf und die Wirtschaftlichkeit von Pumpspeicherkraftwerken in der Schweiz.
  • «Energiespeicher in der Schweiz: Bedarf, Wirtschaftlichkeit und Rahmenbedingungen im Kontext der Energiestrategie 2050»: Diese im Auftrag des BFE von KEMA Consulting GmbH durchgeführte Studie analysiert den potenziellen Beitrag, die Kosten und die Wirtschaftlichkeit von Speichertechnologien (Druckluftspeicher, Batterien, Power-to-Gas, elektrothermische Speicher, Pumpspeicher) zum Umbau der Stromversorgung.

Langfristig verbesserte Wirtschaftlichkeit
Laut Natalie Beck Torres, Leiterin Sektion Wasserkraft (BFE), zeigen beide Studien, dass Energiespeicher kurzfristig (bis 2020) wirtschaftlich risikobehaftet sind. Langfristig (ab 2020 bis 2050) ist mit einer verbesserten Wirtschaftlichkeit zu rechnen. Dies aufgrund des verstärkten Ausbaus von Windenergie und Photovoltaik und der Zunahme der Preisvolatilität. «Ein grossflächiger Einsatz neuartiger Energiespeicher erscheint nach 2035 sinnvoll. Allerdings gibt es neben Speichertechnologien weitere Möglichkeiten zur Integration erneuerbarer Energien – Stichwort Flexibilitätsoptionen –, wie eine bedarfsorientierte Produktion, eine Flexibilisierung der Last oder der Netzumbau und -ausbau. Die Studien empfehlen, für alle Flexibilitätsoptionen gleiche Wettbewerbsbedingungen zu schaffen», so Natalie Beck Torres.

Zusätzliche Produktionserwartung von 2‘617 GWh 
Nicht berücksichtigt wurden bei der Erhebung reine Pumpspeicherprojekte, KEV berechtigte Projekte, reine Erneuerungsprojekte ohne Leistungs- oder Produktionssteigerung, sowie Projekte, die einen Gewässerabschnitt mehrfach genutzt hätten. Bei den 25 analysierten Projekten handelt es sich um 16 Laufwasserkraftwerke und 9 Speicherkraftwerke mit einer Investitionssumme von insgesamt rund 6 Milliarden Franken. 12 sind Neubauprojekte und 13 Ausbauprojekte bestehender Anlagen. Insgesamt haben die 25 Wasserkraftprojekte eine zusätzliche Produktionserwartung von 2‘617 GWh bei einer Leistung von 851 MW. Auf die ganze Schweiz hochgerechnet, ergibt sich damit eine mögliche Zusatzproduktion aus Grosswasserkraft von rund 3‘270 GWh.

56% Anteil an der schweizerischen Energieproduktion
Gewusst, dass die Wasserkraft in der schweizerischen Energieproduktion mit einem Anteil von rund 56% eine bedeutende Rolle spielt? Die Speicheranlagen gelten zudem als wichtige Elemente für die kurzfristige Energiebereitstellung sowie zur Umlagerung vom Sommer- ins Winterhalbjahr. Dank der Speichermöglichkeiten nimmt die Schweiz als Spitzenstromlieferant eine zentrale Rolle im europäischen Netzverbund ein. Die Wasserkraft wird als wichtigste einheimische, CO2-freie Energiequelle erachtet.

Text: Toni Rütti, Redaktor ee-news.ch, Quelle: Marianne Zünd, Kommunikation BFE

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