Neuartige Lithium-Luft-Batterien könnten die Reichweite der Elektroautos von morgen vervielfachen. Schott arbeitet an einer neuen Separatorentechnik für die Batterien. ©Bild: Quelle: Schott

Luft-Batterien: Hightech-Lösung für die Energiewende oder Luftnummer?

(©SR) Kaum haben sich Lithium-Ionen-Akkus als Energiespeicher etabliert, schwenkt das Augenmerk auf eine neue Technik. Batterien mit Kathoden aus Sauerstoff können ein Vielfaches der Energiemenge heutiger Systeme speichern und gelten daher als Ideallösung für E-Mobile und zur Speicherung von Ökostrom. Doch bis zur Marktreife der Superbatterien ist es noch ein weiter Weg.


Die Suche nach leistungsstärkeren elektrischen Batterien läuft weltweit auf Hochtouren. Besonderes Interesse gilt so genannten Lithium-Luft-Batterien, die eine Energiedichte von 1000 Wattstunden pro Kilogramm erreichen können – mehr als das Fünffache heutiger Lithiumbatterien. Statt Grafit oder Lithium-Titanat besteht ihre Anode aus Lithiummetall, als Kathode dient einfach Luft. „Sauerstoff wird je nach Bedarf in die Batterie gesogen, anstatt fester Bestandteil zu sein. Das macht sie leicht und kompakt“, erklärt Kai-Christian Möller, Leiter der Projektgruppe Elektrochemische Speicher am Fraunhofer-Institut für Chemische Technologie (ICT).

1000 Kilometer im Visier
Die Autoindustrie zeigt grosses Interesse an Lithium-Luft-Batterien, denn damit könnten Elektroautos wesentlich weiter fahren und Fahrzeigen mit Verbrennungsmotoren Paroli bieten. Reichweiten von bis zu 1000 Kilometer werden angepeilt, während Lithium-Ionen-Batterien derzeit maximal 200 Kilometer ermöglichen. Daher haben es die Hersteller eilig, die Technik in ihre Fahrzeuge einzubauen. „Wir hoffen, dass es in den nächsten fünf bis zehn Jahren gelingt, Lithium-Luft-Batterien als leistungsfähigste Lösung auf den Markt zu bringen“, sagt Reinhard Löser vom Bundesverband eMobilität. Auch als Speicher für überschüssigen Ökostrom und Puffer für das Stromnetz gilt die Technik als vielversprechende Option. Dank ihrer hohen Energiedichte könnte sie grosse Mengen Wind- und Solarstrom auf engstem Raum speichern – somit liessen sich Batteriesysteme bei gleicher Leistung erheblich kleiner dimensionieren.

Grösstes Manko: geringe Lebensdauer
Wissenschaftler treiben die Entwicklung von Metall-Luft-Batterien deshalb mit grossem Einsatz voran. Ihr grösstes Manko ist bisher ihre geringe Lebensdauer. Beim Entladen verursachen elektrochemische Reaktionen an der Kathode und im elektrisch leitfähigen Elektrolyt irreversible Schäden – dadurch lässt sich die Batterie kaum wiederaufladen. Um das Problem zu lösen, untersuchen die Forscher am ICT die Reaktionsvorgänge an der Kathode. Die chemischen Abläufe hier sind äusserst komplex. Wer sie versteht, ist der Kommerzialisierung ein grosses Stück näher gekommen. Beim Entladen geben die Lithium-Atome der Anode Elektronen ab und wandern dann als Lithium-Ionen durch einen Elektrolyten zur Kathode, wo sie mit Sauerstoff aus der Luft reagieren. Das Reaktionsprodukt – Lithiumperoxid – setzt sich dann an der Kathode ab. Um sich wieder aufzuladen, müsste die Zelle den während des Entladens aufgenommenen Sauerstoff wieder in die Atmosphäre abgeben, also bildlich gesprochen atmen lernen. Doch damit sich dieser Prozess in Gang setzt, müssten die Wissenschaftler erst einen Weg finden, die beschädigte Kathode zu reaktivieren. Das ist ihnen bisher nicht gelungen.

Hochreaktiv
Im Verbundprojekt GLANZ (Durch Glas geschützte Anode und Zelle) widmen sich das Batterieforschungszentrum MEET der Universität Münster, Glasspezialist Schott sowie Rockwood Lithium, Varta Microbattery und Volkswagen einem anderen Problem. Eine Lithium-Luft-Batterie ist ein offenes System, das stetig von Luft durchströmt wird. Da ihre Lithiummetall-Anode aber hochreaktiv ist, muss sie vor äusseren Einflüssen geschützt werden. Die in gängigen Batterien verwendeten mikroporösen Kunststoffmembranen können diesen Schutz nicht bieten. Die Projektteilnehmer entwickeln daher ein neues Separatormaterial aus Glaskeramik, das keine unerwünschten Reaktionen zulässt. 2014 soll das von der Bundesregierung mit 5,6 Millionen Euro geförderte Vorhaben abgeschlossen sein.

An einer den Lithium-Luft-Batterien verwandten Technik arbeiten derweil Wissenschaftler des Forschungszentrums Jülich (FZJ). Sie nutzen als Anodenmaterial Silizium statt Lithiummetall. Es ermögliche die gleiche Energiedichte von 1000 Wattstunden pro Kilogramm, stehe im Gegensatz zum seltenen Lithium aber in unerschöpflicher Menge zur Verfügung, sagt FZJ-Forscher Rüdiger-A. Eichel. Derzeit werde im Institutsbereich Grundlagen der Elektrochemie nach Werkstoffen gesucht, mit denen die Silizium-Luft-Batterie so zuverlässig wie andere Stromspeicher werden könnte.

Langer Weg zur Marktreife?
Doch obwohl die Wissenschaftler gut vorankommen, warnen sie vor verfrühter Euphorie. „Metall-Luft-Batterien werden vermutlich nicht vor 2030 den Durchbruch schaffen“, erklärt ICT-Experte Möller. „Sie müssen mehrere 1000 Vollzyklen schaffen. Davon sind wir derzeit aber noch weit entfernt.“ Auch Olaf Wollersheim, Leiter des Projekts Competence E am Karlsruher Institut für Technologie (KIT), rechnet nicht mit einer baldigen Kommerzialisierung der Technik. Im Rahmen von Competence E untersuchen die Experten verschiedene Batterietypen für die E-Mobilität und die Energiewirtschaft. „Wir sehen Metall-Luft-Batterien erst als Technik der übernächsten Generation. Es ist uns noch nicht möglich, sie nach dem ersten Entladen in den heilen Zustand zurückzuversetzen“, erklärt Wollersheim.

Warten auf die Superzelle
Stattdessen könnte sich ein Batterietyp durchsetzen, der in der derzeitigen Euphorie um die Luft-Batterien wenig beachtet wird: Lithium-Schwefel-Batterien. Wollersheim schätzt, dass diese Technik bereits in zehn Jahren marktreif sein könnte.“ Im praktischen Einsatz lässt sich mit Lithium-Schwefel-Akkus eine spezifische Energie von 600 Wattstunden pro Kilogramm erreichen – also mehr als das Doppelte heute gängiger Lithium-Ionen-Akkus. Das Problem der Schwefelspeicher ist ihre Stabilität, die bisher noch keine annehmbaren Werte erreicht hat. Da sich Schwefel beim Laden ausdehnt und sich beim Entladen wieder zusammenzieht, wird die Kathode stark belastet. Dazu kommt, dass sich Schwefel im Elektrolyt löst und das Aktivmaterial somit verloren geht. Forschern des Fraunhofer-Instituts für Werkstoff- und Strahltechnik (IWS) ist es nun allerdings gelungen, den Akku zu stabilisieren. So erreichten sie 1400 Ladezyklen, und die Zelle hatte dann immerhin noch eine Kapazität von 60 Prozent des ursprünglichen Werts. Damit erreicht die Technik zwar noch nicht die Lebensdauer von Lithium-Ionen-Akkus, die bis zu 10‘000 Vollzyklen schaffen. Doch sind sie damit näher an der praktischen Anwendung als Luft-Batterien, die bisher noch in der Grundlagenforschung steckt. Autoindustrie und Energiewirtschaft müssen wohl noch lange auf die Superzelle warten.

©Text: Sacha Rentzing

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1 Kommentare

urknallmarinchen

Gibt es keine Forschungen auf dem Gebiet biologischer Batterien/Akkus? Es gibt Fische, die ihre Opfer mit einem Stromschlag töten/betäuben können. Statt teuren Sprit zu tanken, würde eine solche Batterie hin und wieder sicher nur ein wenig Granulat als Nahrung verlangen. Hat sich denn bisher noch keiner Gedanken darüber gemacht, wie Fische Strom erzeugen können??!

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