ENSI-Direktor Hans Wanner: «Das Kernkraftwerk Mühleberg erfüllt heute nicht nur die gesetzlichen Mindestanforderungen, sondern verfügt darüber hinaus über eine Sicherheitsmarge.» Bilder: T. Rütti

Georg Schwarz, stellvertretende ENSI-Direktor: «Die meisten Forderungen bleiben gegenüber jenen aus der letztjährigen Stellungnahme zum unbefristeten Langzeitbetrieb unverändert bestehen.»

Michael Wieser, Leiter Aufsichtsbereichs Entsorgung: «Wir wollen eine sichere Stilllegung. Auch beim Übergang vom Betrieb in den Nachbetrieb fordern wir ein sehr hohes Mass an Sicherheit.»

ENSI: In die Sicherheit von «Mühleberg» MUSS bis zum Schluss investiert werden

(TR) Das Atomkraftwerk Mühleberg muss auch in der verbleibenden Laufzeit in die Sicherheit investieren. Das Eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat ENSI fordert in seiner Verfügung Massnahmen, um die Sicherheitsmarge bis zum letzten Betriebstag hoch zu halten. Es gilt für das AKW Mühleberg, 18 Forderungen zu entsprechen oder dem ENSI zum Teil auch Alternativvorschläge zu unterbreiten.


Gross war der Journalistenaufmarsch zur ENSI-Medienkonferenz in Brugg. Sie alle wollten erfahren, was sich hinter dem Titel «Kernkraftwerk Mühleberg: ENSI-Verfügung im Hinblick auf die endgültige Ausserbetriebnahme 2019» verbirgt. Etlichen der  nachstehend praktisch im Wortlaut widergegebenen Aussagen und Statements des ENSI begegneten diverse Medienvertreter allerdings mit einiger Skepsis: Wieso werden der Atomkraftwerkbetreiberin BKW zum Teil so grosszügige Fristen zur Erfüllung der Forderungen gewährt? Wieso wird ihr teilweise die Möglichkeit geboten, Alternativen zu den Forderungen vorzuschlagen? Auf offene Kritik stiess das ENSI beim Verein Mühleberg-Ver-fahren, der seine hier verlinkte Stellungnahme unter den Titel «Das ENSI macht den Kniefall vor der BKW» stellte. Und die Schweizerische Energie-Stiftung SES forderte das Parlament auf, im Rahmen der jetzigen Beratung des Kernenergiegesetzes die Regelung für die Ausserbetriebnahme neu und präzise zu formulieren. Titel der hier verlinkten SES-Stellungnahme: «ENSI-Entscheid: Im Rösslispiel zu Mühleberg!»

«Die verkürzte Laufzeit entbindet die Mühleberg-Betreiberin nicht...»
Die BKW Energie AG verzichtet mit dem Abschalttermin 2019 auf einen unbefristeten Langzeitbetrieb des von ihr betriebenen Kernkraftwerks Mühleberg. Mit diesem Entscheid des BKW-Verwaltungsrats vom 29. Oktober 2013 liegt bezüglich der Massnahmenplanung für die Sicherheit eine neue Situation vor. ENSI-Direktor Hans Wanner erklärte: «Die verkürzte Laufzeit entbindet die Mühleberg-Betreiberin nicht davon, weiter in die Sicherheit des Atomkraftwerks zu investieren. Wir bestehen darauf, dass die Sicherheitsmarge bis zum letzten Betriebstag im Jahr 2019 wesentlich über den Kriterien einer so genannten Ausserbetriebnahme bleibt.»

Die meisten Forderungen bleiben unverändert bestehen
Das ENSI hat die Entwicklung der Sicherheitsmarge unter der neuen Ausgangslage überprüft und nun entsprechende Forderungen verfügt. Der stellvertretende ENSI-Direktor Georg Schwarz resümierte: «Die meisten Forderungen bleiben gegenüber jenen aus der letztjährigen Stellungnahme zum unbefristeten Langzeitbetrieb unverändert bestehen. Bei den Übrigen definieren die ursprünglichen Forderungen grundsätzlich das Sicherheitsniveau, das weiterhin anzustreben ist», so der Leiter des Aufsichtsbereichs Kernkraftwerke.

Zum Beispiel Stabilisierungsmassnahmen für den Kernmantel
5 der 18 Forderungen der ENSI-Verfügung muss das Kernkraftwerk Mühleberg bis Ende dieses Jahres umgesetzt haben, weitere 11 erst 2014. Verschiedene Massnahmen, die für den unbefristeten Langzeitbetrieb vorgesehen sind, können erst bis 2017 realisiert werden. Diese werden somit bei einer Abschaltung 2019 nur zwei Jahre zum Tragen gekommen. Betroffen sind die Stabilisierungsmassnahmen für den Kernmantel, die Realisierung der zusätzlichen, erdbebenfesten und überflutungssicheren, von der Aare unabhängigen Kühlwasserversorgung und die Realisierung eines erdbebenfesten und überflutungssicheren Brennelementbecken-Kühlsystems, sowie eines zusätzlichen Nachwärmeabfuhrsystems.

Alternative Massnahnamen können vorgeschlagen werden
Bei den Nachrüstungen wird dem Atomkraftwerk Mühleberg die Möglichkeit geboten, selber ein neues Konzept einzureichen. Abweichungen von den ursprünglichen Forderungen des ENSI für den unbefristeten Langzeitbetrieb sind aber mit einer Bedingung verknüpft: «Die alternativen Massnahmen müssen die erforderliche Sicherheit gewährleisten. Dies muss der Betreiber in seinem Konzept aufzeigen, das er bis Ende Juni 2014 einreichen muss. Erst auf Grund dieser Konzepte werden wir entscheiden, ob die vorgeschlagenen Massnahmen für den Weiterbetrieb des Atomkraftwerks Mühleberg bis 2019 genügen», stellt ENSI-Direktor Wanner klar.

Hohes Mass an Sicherheit im Nachbetrieb gefordert 
Eine Forderung betrifft die Zeit nach der Ausserbetriebnahme. Michael Wieser, Leiter des Aufsichtsbereichs Entsorgung, sagte dazu: «Wir wollen eine geordnete und sichere Stilllegung. Auch beim Übergang vom Betrieb in den Nachbetrieb muss ein hohes Mass an Sicherheit gewährleistet sein. Dazu muss unter anderem genügend qualifiziertes Personal zur Verfügung stehen. Die BKW muss deshalb bereits bis Ende 2014 Unterlagen beim ENSI einreichen. So muss unter anderem aufgezeigt werden, welche sicherheitsrelevanten Systeme und Anlagenteile für die Nachbetriebs- und die daran anschliessende Stilllegungsphase noch benötigt oder angepasst werden. Dabei müssen auch die Nachrüstmassnahmen berücksichtigt werden.»

Verbindliche Forderungen, unabhängig vom Zeitpunkt der Ausserbetriebnahme

  • Das AKW Mühleberg wird aufgefordert, dem ENSI bis zum 31. Dezember 2013 ein Konzept vorzulegen, wie die Aspekte der Materialalterung für die mechanischen Komponenten der Sicherheitsklasse 4 berücksichtigt werden. 
  • Das AKW Mühleberg wird aufgefordert, dem ENSI bis zum 31. Dezember 2013 ein Konzept vorzulegen, wie der Materialzustand des Primärcontainments umfassender beurteilt werden kann. Dazu sind insbesondere die bisher als unzugänglich eingestuften Bereiche des Drywells sowie die ermüdungsrelevanten Bereiche der Überströmrohre zu betrachten. Es sind zerstörungsfreie Messtechniken, Analysen zu den relevanten Korrosionsmechanismen und mögliche Abhilfemassnahmen zu berücksichtigen. Basierend auf den Erkenntnissen hat das KKM das weitere Instandhaltungskonzept für das Primärcontainment festzulegen.
  • Das AKW Mühleberg hat vor der nächsten Beladung eines Brennelementbehälters den deterministischen Sicherheitsnachweis zu erbringen, dass die Vorsorgemassnahmen für den Störfall „Absturz eines Brennelementbehälters“ ausreichend sind. Der entsprechende Nachweis für den Störfall „Torusleckagen“ ist bis zum 31. Dezember 2013 zu führen. 
  • Das AKW Mühleberg hat die Nachrüstung einer diversitären, automatischen Auslösung der Sicherheitsfunktion „Kühlmitteleinspeisung in den RDB“ sicherheitstechnisch zu bewerten und die Ergebnisse dem ENSI bis zum 31. Dezember 2013 einzureichen. 
  • Das AKW Mühleberg hat die Nachrüstung einer automatischen Auslösung der Reaktorschnellabschaltung bei hohem RDB-Füllstand sowie weitere diversitäre Massnahmen zur Sicherstellung des Überspeisungsschutzes des RDB sicherheitstechnisch zu bewerten und die Ergebnisse dem ENSI bis zum 31. Dezember 2013 einzureichen.
  • Das KKM hat bis zum 30. Juni 2014 die erweiterten Analysen bezüglich der Auswirkungen von Bränden und Überflutung im Reaktorgebäude beim ENSI einzureichen.
  • Das AKW Mühleberg hat für Brände und interne Überflutungen im Reaktorgebäude systematisch aufzuzeigen, dass alle angemessenen Vorkehrungen zu einer weiteren Verminderung der Gefährdung mittels fest installierter Systeme oder kurzfristig verfügbarer, vorbereiteter Massnahmen getroffen wurden. Eine sicherheitstechnische Bewertung der geplanten sowie der umgesetzten Nachrüstungen und Massnahmen ist dem ENSI bis zum 30. Juni 2014 in einem Bericht vorzulegen. 
  • Das AKW Mühleberg hat bis zur Jahresrevision 2014 Massnahmen durchzuführen, um potentielle seismisch bedingte Leckagen aus dem Bereich des Brennelementbecken-Kühlkreislaufs weiter zu reduzieren. 
  • Das AKW Mühleberg wird aufgefordert, die bisher durchgeführten thermohydraulischen und bruchmechanischen Analysen zum Integritätsnachweis des Reaktordruckbehälters bei postulierten Rissen unter Thermoschockbedingungen gemäss dem aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik zu aktualisieren. Die Ergebnisse der aktualisierten Berechnungen sind dem ENSI bis zum 31. Dezember 2014 in einem Bericht vorzulegen.
  • Es sind Massnahmen zur Reduktion der Gefährdung aufgrund von erdbebeninduzierter Überflutung zu treffen. Deren Umsetzung hat bis zum 31. Dezember 2014 zu erfolgen. 
  • Das AKW Mühleberg wird aufgefordert, bis zum 31. Dezember 2014 alle 1E-Kabel der Sicherheitssysteme im Reaktorgebäude, für welche keine Auslegungsdokumentation vorhanden ist, zu ersetzen. Für die übrigen sicherheitsrelevanten Kabel ist der Austausch bzw. die Requalifikation laut Konzept vom 27. Juni 2013 bis spätestens 2018 umzusetzen. Die entsprechende Dokumentation ist dem ENSI vorzulegen.
  • Das AKW Mühleberg hat bis zum Ende der Jahresrevision 2015 einen zusätzlichen, erdbebenfesten Anschluss im SUSAN-Kühlwassersystem für den Einsatz mobiler Pumpen zu installieren.
  • Das AKW Mühleberg hat bis zum Ende der Jahresrevision 2015 eine zusätzliche, von der Aare unabhängige Kühlwasserversorgung für das SUSAN-Notstandsystem nachzurüsten.

Forderungen, für die das AKW Mühleberg Alternativvorschläge einreichen kann

  • Das AKW Mühleberg hat für den Betrieb über das Jahr 2017 hinaus bis zum 30. Juni 2014 aufzuzeigen, wie es auch ohne Umsetzung der im Instandhaltungskonzept vom 23. Dezember 2011 beschriebenen Stabilisierungsmassnahmen für den Kernmantel, einen unter Berücksichtigung der verbleibenden Betriebsdauer ausreichenden Sicherheitsgewinn erzielen kann.
  • Das AKW Mühleberg hat für den Betrieb über das Jahr 2017 hinaus bis zum 30. Juni 2014 aufzuzeigen, wie es auch ohne Realisierung der zusätzlichen, erdbebenfesten und überflutungssicheren, von der Aare unabhängigen Kühlwasserversorgung, einen unter Berücksichtigung der verbleibenden Betriebsdauer ausreichenden Sicherheitsgewinn erzielen kann.
  • Das AKW Mühleberg hat für den Betrieb über das Jahr 2017 hinaus bis zum 30. Juni 2014 aufzuzeigen, wie es auch ohne Realisierung eines erdbebenfesten und überflutungssicheren Brennelementbecken-Kühlsystems, einen unter Berücksichtigung der verbleibenden Betriebsdauer ausreichenden Sicherheitsgewinn erzielen kann.
  • Das AKW Mühleberg hat für den Betrieb über das Jahr 2017 hinaus bis zum 30. Juni 2014 aufzuzeigen, wie es auch ohne Realisierung eines zusätzlichen Nachwärmeabfuhrsystems, einen unter Berücksichtigung der verbleibenden Betriebsdauer ausreichenden Sicherheitsgewinn erzielen kann.

 Text: Toni Rütti, Quelle: Sebastian Hueber, Leiter Kommunikation ENSI

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