Notwendige Erneuerungsmassnahmen werden bei Stockwerkeigentumoft verzögert. ©Bild: Hochschule Luzern

Hochschule Luzern: Sanierungsstau vermeiden

(©SS) Gebäude mit Eigentumswohnungen sind tendenziell stärker durch einen Sanierungsstau gefährdet. Forschende der Hochschule Luzern untersuchen die Ursachen und entwickeln Werkzeuge, um diesen zu begegnen.


Die Schweiz galt lange als ein Land von Mietern. Heute zeigt sich die Situation nicht mehr so eindeutig: Der Anteil an Haushalten mit Wohneigentum ist seit der rechtlichen Anerkennung des Stockwerkeigentums im Jahr 1965 stetig gestiegen – von 28.5 Prozent im Jahr 1970 auf 36.8 Prozent im Jahr 2010. Heute ist Stockwerkeigentum, gemessen an den erteilten Baubewilligungen für neue Wohnungen, sogar die beliebteste Eigentumsform. Allerdings unterschätzen viele die Herausforderungen, die Stockwerkeigentum mit sich bringt. «Den Eigentümern fehlt es oft an bautechnischen Kenntnissen. Sie sind sich des Unterhaltsund Sanierungsbedarfs und der damit verbundenen Kosten, die über den Lebenszyklus eines Gebäudes entstehen, kaum bewusst oder ignorieren diese zum Kaufzeitpunkt», sagt Amelie Mayer vom Kompetenzzentrum Typologie & Planung in Architektur (CCTP) des Departements Technik & Architektur.

Langzeitstrategien fehlen
Ausserdem erwarten sie von der Verwaltung, dass diese Erneuerungsmassnahmen plant und initiiert – ohne dass dies im Pflichtenheft eindeutig definiert ist. «Deshalb fehlt für viele Gebäude eine langfristige Erneuerungs- und Finanzplanung», sagt die Architektin. Die Folge: Gebäude im Stockwerkeigentum sind tendenziell durch einen Sanierungsstau gefährdet, der ihren Wert langfristig deutlich mindern kann. Amelie Mayer leitet ein Forschungsprojekt der Kommission für Technologie und Innovation des Bundes (KTI), das zusammen mit Wirtschaftspartnern die Faktoren untersucht, die Unterhalt und Sanierung bei Stockwerkeigentum erschweren.

Neben Eigentümern wurden dazu auch Experten aus verschiedensten Disziplinen befragt, darunter Planung, Realisierung, Erneuerung, Verwaltung, Finanzierung und Recht. Die Ergebnisse zeigen auch, dass die Besitzverhältnisse die Situation erschweren. Eingriffe in die gemeinsame Infrastruktur – etwa in Dach oder Fassade – müssen die Eigentümer gemeinsam beschliessen. «Unterschiedliche Ansichten oder finanzielle Möglichkeiten führen dabei leicht zu Konflikten, die Entscheide stark verzögern können», sagt Mayer. Zudem fühlen sich Stockwerkeigentümer schnell in ihren Freiräumen eingeschränkt. Überdies zeigen zentrale Dokumente, die Regelungen zu Unterhalt und Erneuerung enthalten, häufig Mängel. «Begründungsurkunde und Kaufvertrag sind oft zu fachsprachlich verfasst, während Reglement und Hausordnung zu vage formuliert sind und kaum beachtet werden», sagt Stefan Bruni, Leiter des Kompetenzzentrums Regionalökonomie am Departement Wirtschaft, das sich im Projekt primär mit rechtlichen und finanziellen Aspekten befasst.

Werkzeuge für die Praxis
Das Forschungsteam erarbeitete Arbeitsinstrumente für Verwaltungen, Eigentümer und andere Akteure rund um das Stockwerkeigentum, die 2014 vorliegen sollen. Diese umfassen u.a. eine Informationsbroschüre zu Chancen und Risiken im Stockwerkeigentum, Hilfsmittel für die Vorausschau von Erneuerungs- und Finanzbedarfen, architektonische Empfehlungen, ein kommentiertes Reglement als Mustervorlage sowie einen Leitfaden zu Entscheidungsprozessen und Konfliktbewältigung. Neben dem interdisziplinären Expertenteam der Departemente Technik & Architektur, Wirtschaft sowie Soziale Arbeit beteiligen sich zahlreiche Vertreter aus Wirtschaft, Verwaltung und Verbänden an dem Projekt. Einer von ihnen ist Daniel Heimberg, Inhaber von Heimberg Immobilien in Fislisbach (AG). Er bringt seine langjährige Erfahrung ein, will sich mit einem Knowhow Gewinn aber auch für die Zukunft rüsten: «Wir erleben diese Problematik bereits heute täglich. In ein paar Jahren wird sie aber noch um ein Vielfaches zunehmen, wenn die erste Generation von Bauten im Stockwerkeigentum umfassend saniert werden muss.»

©Text: Simona Stalder, Magazin Hochschule Luzern, Okt. 2013

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